Montag, 11. Juli 2022

"Fünf wirklich gute Klimanachrichten im Spiegel-Klimabericht"

Sind das "wirklich gute Nachrichten"? Aus Sicht des Klimaschutzes unbedingt.
Wir können nur hoffen, dass überall Naturschutz mitgedacht wird, dass sich vermehrt Technologien durchsetzen, die den Tierschutz sicherstellen.

Der Preis wird auch vom Landschaftsbild her hoch sein, wahrscheinlich wird es überall auf der Welt demnächst gleich aussehen: Windräder und Photovoltaik werden auf jedem Ferienbild zu sehen sein. 
Aber das darf nur untergeordnet stören, es ist vorrangig die Energiewende vorwärts zu bringen. Wer weiß, vielleicht stört es auch gar nicht, wenn man sich den Nutzen vor Augen hält? Vielleicht finden wir das irgendwann schön?

Es wird bald neue Energie-Supermächte geben - ist das nun wirklich gut? Ich träume immer noch von einer Bürgerenergie-Wende. Energie gehört in Bürgerhand, sollte also uns allen gehören! Vielleicht schaffen wir es wenigstens in Deutschland, dieses Ziel näher zu bringen.
Doch das bedarf noch sehr viel an Arbeit, insbesondere in den Kommunen. Packen wir`s an!


Spiegel hier  10.07.2022  Eine Kolumne von Christian Stöcker

Italien, Spanien und Portugal vertrocknen, Teile Australiens saufen ab, die Alpengletscher verschwinden immer schneller, der Bundeskanzler will mehr Gas fördern – aber es gibt auch gute Nachrichten zur Klimakrise.
Die Nachrichtenlage scheint, was das wichtigste Thema der Menschheitsgeschichte angeht, derzeit apokalyptisch. In Australien ereignet sich gerade die vierte Überflutungskatastrophe in 18 Monaten, Spanien und Portugal sind so trocken, wie sie es seit über 1000 Jahren nicht mehr waren, in den Alpen zerbröseln die Gletscher, Norditalien geht das Wasser aus . Unterdessen will Bundeskanzler Olaf Scholz neue Gasfelder im Senegal erschließen lassen, obwohl der Uno-Generalsekretär immer lauter warnt  dass weitere fossile Entwicklungsprojekte mit allen Klimazielen unvereinbar sind.
Gleichzeitig passieren weltweit aber auch Dinge, die Hoffnung machen.
Die Entwicklung von Technologien, die CO
2-neutral Energie erzeugen und speichern können, schreitet nämlich weiterhin in rasantem Tempo voran. Auch wenn man bei uns – kapitalen politischen Fehlentscheidungen der vergangenen vier Legislaturperioden sei Dank – im Moment wenig davon merkt.
Hier sind fünf gute Klimanachrichten:
1. Vor allem China baut Windkraft in atemberaubendem Tempo aus
Die auf erneuerbare Energien spezialisierte Agentur Bloomberg NEF prognostiziert  dass allein die Leistung von Offshore-Windkraftanlagen sich weltweit von 2021 bis 2035 verzehnfachen wird, auf dann 504 Gigawatt.
Zum Vergleich: Die Gesamtkapazität aller US-amerikanischen Elektrizitätslieferanten liegt derzeit bei etwa 1,1 Terawatt, also etwas mehr als doppelt so hoch. Den bei Weitem größten Anteil an der rasanten Entwicklung von Offshore-Windenergie wird demnach China haben: bis 2030 entfällt der Prognose zufolge mehr als die Hälfte des globalen Wachstums im Bereich Offshore-Energie auf dieses Land. Auch Windenergie an Land wächst dort extrem schnell: Allein in diesem Jahr wird ein Onshore-Kapazitätszuwachs von 50 Gigawatt erwartet. Zu On- und im Meeresboden verankerten Offshore-Windkraftwerken kommen voraussichtlich ab Mitte des Jahrzehnts auch noch vermehrt schwimmende Windkraftanlagen. Bloomberg NEF prognostiziert für diese Art der Energieerzeugung bis 2035 weitere 25 Gigawatt Kapazität.
2. China baut auch Sonnenenergie in atemberaubendem Tempo aus
Auch Solarstromkapazität wächst in China rasant. Dem China Renewable Energy Engineering Institute zufolge kommt in dem Land allein im Jahr 2022 eine Kapazität von 100 Gigawatt dazu. 
Wenig überraschend: Sieben der zehn größten Hersteller von Fotovoltaikzellen haben ihren Sitz in China und dort wird auch etwa 80 Prozent allen für Solarzellen nötigen Polysiliziums hergestellt. Auch das ist eine Folge europäischer Regulierungsfehler. Der einzige europäische Polysilizium-Hersteller in den Top 5 ist Wacker Chemie. Insgesamt wird China unterschiedlichen Prognosen zufolge allein in diesem Jahr erneuerbare Energiekapazitäten von 140 bis 154 Gigawatt zubauen. Das ist knapp dreimal so viel wie die gesamte derzeit installierte Fotovoltaik-Kapazität Deutschlands. Zusätzlich. In einem Jahr. Bis 2025 will China laut Fünfjahresplan insgesamt 570 Gigawatt erneuerbare Energiekapazität hinzufügen also etwa halb so viel wie die Gesamtkapazität aller Kraftwerke der USA. Wenn das so weitergeht, prognostizieren die Fachleute von »Carbon Brief«  könnte China sein Ziel, den Gipfelpunkt seiner CO2-Emissionen zu überschreiten und den Ausstoß dann endlich zu senken, schon früher erreichen als geplant: 2026 statt 2030. Denken Sie daran, wenn Ihnen bei einer Diskussion über Klimathemen jemand mit dem reflexhaften Einwand »aber China« kommt.
3. Gas ist so teuer, dass es sich bald nicht mehr rechnet
Auch, wenn das zunächst paradox klingt: Die, maßgeblich durch Russlands Einmarsch in der Ukraine verursachten, immer weiter steigenden Gaspreise werden dem Energieträger Gas schon kurz- bis mittelfristig schaden. Die internationale Energieagentur IEA prognostiziert, dass die Nachfrage nach Erdgas »im Jahr 2022 abnehmen und bis 2025 gedämpft bleiben wird«.
Das sind, für sich genommen, nur halb gute Nachrichten, denn, so die IEA, »die abgesenkte Prognose für das Nachfragewachstum bei Gas beruht vor allem auf schwächerer ökonomischer Aktivität und seltenerem Wechsel von Kohle oder Öl zu Gas«. Öl und Kohle sind aber noch weit schmutzigere Energieträger. Immerhin ein Fünftel der geschrumpften Nachfrage führt die IEA aber auf »Effizienzgewinne und die Ersetzung von Gas durch erneuerbare Energien« zurück. Schlussfolgerung: »Dies unterstreicht die Notwendigkeit, beim Übergang zu sauberer Energie größere Fortschritte zu machen
Ein Gasexperte
 sagte dem »Guardian« für Australien eine »dauerhafte Nachfragezerstörung« für Gas voraus. Neue Erschließungsprojekte könnten sich dort jetzt einfach nicht mehr lohnen. Und das ist eine gute Nachricht, denn jede Tonne CO₂, die im Boden bleibt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und: Gerade Länder wie Australien könnten schon bald mit anderen Methoden bald saubere Energie exportieren.
4. Es wird bald neue Energie-Supermächte geben
Der Wechsel hin zu erneuerbaren Energien, mit denen man nicht nur Autos laden und Elektrogeräte betreiben, sondern auch Wasserstoff, CO2-neutralen Diesel und sogar Kunststoffe herstellen kann, wird die globale Wirtschaftslandkarte verändern. Australien mit seinen riesigen, sonnendurchfluteten Flächen dürfte am Ende zu den Gewinnern gehören, genauso wie andere Länder, in denen oft die Sonne scheint, sich selten Wolken zeigen, die über hochliegende Gebiete und saubere Luft verfügen. Zu den – theoretischen – Topstandorten für Sonnenstrom gehören neben Chile, das all diese Voraussetzungen erfüllt, auch Namibia, Jordanien, Ägypten, Jemen, Oman, Saudi-Arabien und viele andere Golfstaaten; aber auch Länder wie Pakistan und Afghanistan oder lateinamerikanische Staaten von Bolivien über Peru bis Argentinien.
Gute Plätze für die Erzeugung von Windstrom finden sich an nahezu allen Küsten, in vielen Gebirgen – und auch in vielen Gegenden, die heute nicht gerade energiewirtschaftliche Supermächte beherbergen. Am Horn von Afrika etwa und auch an Afrikas Westküste, an Lateinamerikas Ostküste und in der Mongolei. Die Technologie für die Herstellung von Sprit (etwa für Schiffe und Flugzeuge), Kunststoff-Zutaten und Produkten für die chemische Industrie aus CO₂ und grünem Wasserstoff gibt es längst. Dass so etwas in großem Stil in Mitteleuropa passieren wird, ist eher unwahrscheinlich, dazu sind Erneuerbare bei uns zu knapp – aber einige der genannten künftigen Erneuerbare-Energie-Supermächte dürften eines Tages zu Exporteuren CO2-neutraler Ersatzstoffe fürs fossile Gift werden. Im Idealfall mit Unterstützung deutscher Unternehmen wie Ineratec aus Karlsruhe oder Sunfire aus Dresden  Noch hat Deutschland die Chance, die katastrophalen politischen Fehler der letzten vier Legislaturperioden bei den Erneuerbaren wieder auszugleichen – wenn man solche Entwicklungen fördert, statt sie zu behindern, weil man sterbende Industrien künstlich am Leben erhalten will.
5. Speichertechnologien sind auf dem Weg
Wenn man mit Leuten diskutiert, die lieber weiter auf den Untergang zurasen wollen, als etwas zu ändern, ist eines der häufigsten Argumente die »Dunkelflaute«. Also die Frage, woher der Strom kommt, wenn gerade weder der Wind weht noch die Sonne scheint. Die oben beschriebenen »Power-to-X«-Modelle sind eine Antwort auf diese Frage – und neuartige und althergebrachte Speichertechnologien eine zweite. Auch das Gebiet Long Duration Energy Storage (LDES) wächst derzeit rasant, mit diversen technologischen Ansätzen gleichzeitig. Vielversprechend scheint zum Beispiel der Ansatz des Mailänder Unternehmens Energy Dome: In seinen Anlagen soll flüssiges CO₂, das man etwa aus Zementwerken beziehen kann, unter hohem Druck gespeichert werden, wenn gerade Energie im Überfluss vorhanden ist – und die gespeicherte Energie dann wieder abgegeben werden, wenn sie gebraucht wird. Das CO₂ bleibt dabei hinter Schloss und Riegel. So könnte es vom Planetenkiller zum Nützling werden.
Zu der Branche, mittlerweile unter anderem vertreten vom Industrieverband
 LDES Council,
 gehören aber auch Unternehmen wie das Schweizer Start-up Energy Vault, das Energie in Form von hochgehievten und bei Bedarf stromerzeugend absinkenden Betonklötzen speichern will, und Firmen, die Energie etwa in Form von Prozesswärme für Industriebetriebe, in Flüssigmetall-Batterien oder mit anderen elektrochemischen Methoden speichern. Bislang sind Pumpspeicherkraftwerke die einzige wirklich verbreitete LDES-Speichertechnologie. Für die gibt es aber nur begrenzt viele sinnvolle Einsatzorte. Bei vielen der neuen Technologien ist das anders – und sie können oft zusätzlich auch noch dazu beitragen, die Schwankungen in Netzen mit variablem Input auszugleichen, zur Netzstabilität also.
Zusammengefasst: Die Lösungen, die wir brauchen, um uns von der CO2-Produktion zu befreien, sind längst da. Wir müssen aber endlich anfangen, sie zu priorisieren – was damit beginnt, sich endlich einzugestehen, wie hoch die Kosten des Einsatzes fossiler Brennstoffe wirklich sind. Konkreter: Wir sollten lieber Solarkraftwerke in Nord- oder Zentralafrika fördern als neue Gasfelder im Senegal

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