Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke:
Die "Ampel" muss erst einmal klären, welche Position "ideologisch" ist – die Deutsche Umwelthilfe droht bereits mit dem Gang vor Gericht.
Während die Debatte um eine Laufzeitverlängerung für die drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke die Ampel-Koalition im Bund entzweit, hält die Deutsche Umwelthilfe ein solches Vorhaben sogar für rechtswidrig und will gegebenenfalls dagegen klagen.
Am 31. Dezember dieses Jahres sollten die Kernkraftwerke Neckarwestheim II, Emsland und Isar 2 eigentlich vom Netz – so hat es der Bundestag im Juni 2011 mit großer Mehrheit beschlossen, nachdem wenige Monate zuvor die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima das Risiko verdeutlicht hatte. Den entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Atomgesetzes hatten die damaligen Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP eingebracht.
Im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine, dem Ärger über die langjährige Abhängigkeit von russischem Gas und den Schwierigkeiten bei der Beschaffung aus anderen Quellen wird nun aber auch und gerade von Politikern dieser Parteien der Atomausstieg in Frage gestellt.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nannte Atomkraft am Dienstag im Deutschlandfunk eine "Augen-zu-und-durch-Technologie", die Befürwortern sicherer und günstiger erscheine, als sie tatsächlich sei. ......
Ein erster Stresstest hatte im Frühjahr ergeben, dass längere Laufzeiten der verbliebenen Kernkraftwerke dafür nicht benötigt würden. Allein der zweite Stresstest zeige schon, wie unideologisch die Bundesregierung das Thema angehe, betonte Kühnert.
.....Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Initiative ".ausgestrahlt" bestreiten das allerdings auch im Fall der drei Kernkraftwerke: Deren Weiterbetrieb sei ein "unkalkulierbares und vollkommen unnötiges Sicherheitsrisiko, das keinen Beitrag zur Energiesicherheit leisten würde", erklärten beide Organisationen am Dienstag. Bei einem Gasmangel lägen die Herausforderungen in der Industrie und der Wärmebereitstellung, nicht im Stromsektor.
Gleiches betonte die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi: "Uns drohen keine Probleme bei der Stromerzeugung, sondern im Wärmemarkt", sagte sie den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. "Da helfen Atomkraftwerke wenig." Bemerkenswert fand sie demnach, dass das Thema gerade in jenen Bundesländern hochkoche, "die die Energiewende weitgehend verschlafen haben". Dabei sei eine kurzfristige Laufzeitverlängerung selbst in Bayern technisch schwierig.
Die Deutsche Umwelthilfe warnt unterdessen eindringlich vor den Gefahren für Mensch und Natur:
Pressemitteilung Dienstag, 19.07.2022 hier
Gefährlich, unwirksam, rechtswidrig: Deutsche Umwelthilfe und .ausgestrahlt kritisieren Debatte über Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke
Berlin, 19.7.2022: Ein Weiterbetrieb der
drei verbleibenden deutschen Atomkraftwerke (AKW) Neckarwestheim II,
Emsland und Isar 2 wäre ein unkalkulierbares und vollkommen unnötiges
Sicherheitsrisiko, das keinen Beitrag zur Energiesicherheit leisten
würde. Darauf weisen die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die
Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt anlässlich der lauter werdenden
Debatte hin.
Alle drei Atommeiler weisen erhebliche
Sicherheitsmängel auf, die letzte Sicherheitsüberprüfung liegt 13 Jahre
zurück. Ohne erneute Sicherheitsprüfung – die einige Zeit in Anspruch
nehmen würde – wäre ein Weiterbetrieb aus Sicht von DUH und
.ausgestrahlt ein Verstoß gegen den Grundrechteschutz. Außerdem sei eine
Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig, da mit einem hohen Risiko für
Mensch und Umwelt zu rechnen ist. Zur Energiesicherheit würde ein
Weiterbetrieb ohnehin keinen Beitrag leisten: Bei einem Gasmangel liegen
die Herausforderungen in der Industrie und der Wärmebereitstellung,
nicht im Stromsektor.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH:
„Die Befürworter der Laufzeitverlängerung spielen russisches Roulette
mit der Sicherheit der Menschen. Bei einer Hochrisikotechnologie darf es
kein ‚Augen zu und durch‘ geben. Die veralteten Anlagen sind ein
täglich größer werdendes Sicherheitsrisiko und deren Weiterbetrieb
bedroht das Grundrecht auf Schutz des Lebens und der körperlichen
Unversehrtheit. Dies darf nicht aus einer Laune heraus und ohne
energiepolitische Not von CDU, CSU und FDP gefährdet werden. Sollte der
Weiterbetrieb der Atomkraftwerke über den 31. Dezember 2022 hinaus
kommen, werden wir dies notfalls per Gericht stoppen.“
Unter
den Tisch fällt bei der parteipolitisch motivierten Debatte um einen
längeren Betrieb von Atomkraftwerken zudem, dass in jeder dieser Anlagen
schon heute täglich das Risiko eines schweren Unfalls besteht.
Armin Simon von der bundesweiten Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt:
„Keine Sicherheitsvorschrift der Welt kann einen Super-GAU verhindern,
das lehrt die Geschichte. Dies gilt erst recht für die mehr als 30 Jahre
alten AKW in Deutschland. In allen dreien besteht der Verdacht, dass
sich unerkannte Risse an sicherheitsrelevanten Rohren gebildet haben –
Alterungsschäden durch Korrosion, vor denen die Betreiber die Augen
verschließen. So stellte RWE im AKW Lingen nach wiederholten Rissfunden
2019 und 2020 einfach alle Risskontrollen an den betroffenen Rohren ein.
Im AKW Isar 2 verweigerte PreussenElektra von Anfang an eine gezielte
Suche nach den Rissen, die 2018 im typgleichen AKW Neckarwestheim II
entdeckt wurden. Und selbst dort, wo seit 2018 weit über 300 Risse
nachgewiesen wurden, hat EnBW zuletzt die Kontrollen reduziert und nimmt
einen Betrieb des Reaktors mit unerkannten Rissen billigend in Kauf.
Derart altersgeschädigte Anlagen gehören nur noch eins: Sofort vom
Netz.“
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