Freitag, 15. Juli 2022

Offener Brief der Scientists for Future in Ravensburg zum Stand der Klimaschutzpolitik 15. Juli 2022

Übrigens:  am Montag (18.7.) um 16 Uhr im GR Ravensburg wird Mark Lehnertz zum (mangelhaften) Klimaschutz in RV vortragen.

 hier Bericht in der Schwäbischen von F. Hautumm

Klimaschutz: Wissenschaftler werfen Stadt Ravensburg Versäumnisse vor

An Verwaltung und Gemeinderat (GR) der Stadt Ravensburg hier

Der Klimawandel ist nachweislich in vollem Gang und die Prognosen sind mittlerweile von sehr hoher Qualität und Aussagekraft.

Immer mehr Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass es nur noch ein geringes CO2-Restbudget gibt, das ohne wirkungsvolle Maßnahmen sehr bald aufgebraucht ist. 2  
(Spratt, David, and Ian Dunlop. What lies beneath: the understatement of existential climate risk)

Das heißt, dass alle Menschen sofort und schnell wirkungsvolle Maßnahmen zum Klimaschutz umsetzen sollten. Andernfalls wird die Klimaerwärmung auf deutlich über 1,5 Grad ansteigen mit katastrophalen Konsequenzen für alle Menschen wie etwa Dürren, Flutkatastrophen, Überflutung aller Küsten und globalen Flüchtlingsströmen von ungeahntem Ausmaß.

Vor zwei Jahren wurde der Ravensburger Klimakonsens (RKK) einstimmig beschlossen.
Wichtiger Teil dieses Beschlusses ist eine CO2-Reduktion von mindestens 13,3% pro Jahr.
Nur wenn die Stadt als Ganzes diesem Reduktionspfad folgt, leistet sie einen fairen Beitrag zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels. Da sich CO2 in der Atmosphäre kumulativ ansammelt, bedeutet jede Verzögerung heute, dass die Einsparbemühungen morgen noch radikaler werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Dieser Tatsache hat auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2021 Rechnung getragen. 

Folgende konkrete Schritte wurden seither von der Stadt beschlossen oder umgesetzt:

  • Selbstverpichtung des GR aus dem Klimakonsens, dass ab 1.1.23 jede Vorlage eine Aussage zur Klimawirkung enthält.

  • Installation eines Klimarats als Diskussionsgremium, der zweimal pro Jahr öffentlich tagt.

  • Mobilitätskonzept mit Parkkonzept und Fortschreibung der Stellplatzsatzung:
    Dies ist eine Verbesserung zu früher, aber sie müsste viel weitreichender sein.

  • Es wird bald einen ersten On-Demand-Bus geben.

  • Das Radverkehrsbudget wurde erhöht und es wurden Radverkehrsprojekte umgesetzt:
    z.B. Radvorrangroute Schmalegg - Weingarten oder Verbesserungen Ulmerstraße,
    Bleicherstraße usw.

  • Es gibt wenige Meter einer befristeten Fußgängerzone in der Eisenbahnstraße.

  • Zur Bewusstseinsbildung gab einen Parking-Day, wurden Fahrradständer auf Parkplätzen aufgestellt und ein Informationskiosk auf dem Marienplatz installiert. 

  • Das Umweltamt hat einen Newsletter, hat ein Klimasparbuch erstellt und verbreitet, kommuniziert Projekte intensiver und führt derzeit eine Plakataktion in der Stadt durch.

  • Das Thema PV auf öffentlichen Gebäuden wird angegangen, aber leider zu zögerlich.
Was die Prüfung der GR-Vorlagen im Hinblick auf den Klimaschutz tatsächlich bringt, muss sich zeigen. Der Klimarat hat aufgrund des seltenen Tagungsrhythmus vermutlich wenig Einfluss auf konkrete Maßnahmen innerhalb der nächsten Jahre. 

Die Maßnahmen im Verkehrsbereich sind punktuell und haben bisher keine meßbaren Auswirkungen.
Wir konnten bis jetzt noch keine Maßnahmen oder politischen Beschlüsse feststellen, die zu einer signifikanten Senkung der CO2-Emissionen geführt haben oder dies in naher Zukunft tun werden.
Die Aussage von Oberbürgemeister Dr. Rapp in der Gemeinderatssitzung vom 10.5.21 fasst die Wirksamkeit der bisherigen Maßnahmen treffend zusammen:

"Wir haben noch kein Gramm CO2 eingespart. Dafür gibt es zwei Gründe: 
Erstens ist die Personaldecke im Umweltamt mit einigen wenigen halben Stellen viel zu dünn und zweitens fehlen mutige Beschlüsse des GR zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen."

Wie in unserer ausführlichen Stellungnahme zum RKK 4 aufgezeigt, muss die Stadt nun nach zwei Jahren ohne CO2-Einsparungen die jährliche Reduktion auf 18,1% pro Jahr erhöhen, um ihren gerechten Beitrag zum 1,5 Grad-Ziel zu leisten.
Jedes weitere Jahr ohne Reduktion macht den Ausstiegspfad noch steiler und schwieriger für die Stadt.

Es besteht die dringende Notwendigkeit, schnell zu handeln, und wir schlagen vor, mit den Maßnahmen aus dem Katalog zum Klimakonsens sofort zu beginnen, die in der Handlungskompetenz der Stadt liegen und einen nennenswerten Beitrag zur CO2-Reduktion liefern.
Dafür muss die Stadtpolitik auch nicht auf Ergebnisse aus der Arbeit des Klimarats warten.

Als beratende Stimme der Wissenschaft sind wir gerne bereit, die Stadt Ravensburg bei Fragen zur Wirksamkeit von Maßnahmen und zum verbleibenden CO2-Restbudget zu unterstützen.
Wir schlagen vor, unter anderem folgende Maßnahmen umgehend anzugehen:
  • Der Klimarat arbeitet nicht wirklich und hat keinen politischen Einfluss
    Er muss eine verbindliche Rolle erhalten, um konkrete Klimaschutzprojekte voranzubringen und Sitzungsvorlagen für den Gemeinderat zu erstellen.

  • Ein jährliches CO2-Monitoring ist umgehend zu installieren!

  • Es fehlt der Beschluss eines Zeit-Planes für die energetische Sanierung und PV Bestückung aller geeigneten städtischen Gebäude und Erstellung eines PV-Plans für die Parkplätze bei der Oberschwabenhalle und sonstige städtische Park- und Lagerflächen sowie PV an Lärmschutzwänden, Betonwänden und Brücken der B 30.

  • OB Rapp hat beim Bürgergespräch am Gänsbühl im Herbst 21 regelmäßige Expertenvorträge im GR in Aussicht gestellt. Ein kurzes Expertenstatement zu ausgewählten Themen des Klimaschutzes in jeder GR-Sitzung könnte die Stadt bei ihren Bemühungen unterstützen. Die Mitglieder der S4F Ravensburg sind gerne bereit, den entsprechenden Input auf wissenschaftlicher Grundlage zu liefern.

  • Unseres Erachtens sollte das Umweltamt deutlich (auf mindestens 10 Personalstellen, die Klimaschutz vorantreiben) aufgestockt werden, um schlagkräftiger zu werden.

  • Die bisher versäumten CO2-Reduktionen sollten umgehend durch möglichst lokale Kompensationsmaßnahmen ersetzt werden. Das Umweltbundesamt empfiehlt als ethisch korrekten CO2-Ausgleich 680 € pro Tonne.

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