Donnerstag, 14. Juli 2022

Und täglich grüßt das AKW

 Fünf vor acht / Klimapolitik in der Zeit hier  14.7.22

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Eine Kolumne von 
Statt endlich die Gesetze zu befolgen und wirksame Klimapolitik zu machen, blockiert die FDP und vollführt Ablenkungsmanöver. Leider spielen viele Medien dabei mit.

Klimaleugner nennt man Menschen, die behaupten, dass es gar keine Klimakrise gibt. Die meisten von ihnen sind in den vergangenen Monaten etwas ruhiger geworden, seit die Auswirkungen der Klimakrise immer deutlicher zu spüren sind. Seit die Hitzewellen heftiger werden, die Dürren und die Überschwemmungen. Wirkt langsam schlicht blöd, den Zusammenhang zu leugnen

Was es aber leider immer noch häufig gibt, sind Menschen, die das Problem kennen – aber nichts dagegen tun. Oder schlimmer noch: Die sogar die Maßnahmen der anderen ausbremsen. Und das auf eine perfide Weise.
In der Bundesregierung findet man diese Spezies derzeit in der FDP. Und zwar in Reinform. Irgendwann in den vergangenen Monaten muss deren Chef Christian Lindner aufgefallen sein, dass er mit Klimapolitik keine Wählerinnen und Wähler gewinnt. Seither steuert er seine Partei bei diesem Thema immer mehr in den Zynismus. Das wäre schon in Friedenszeiten schlimm genug. Schließlich interessiert es die Klimakrise kein bisschen, dass sie bei potenziellen FDP-Wählern nicht sehr populär ist. Jetzt aber, in Zeiten des Ukraine-Krieges, ist diese Haltung der Liberalen richtig gefährlich für das Land. Die vergangenen Wochen zeigen das exemplarisch.

Die Bundesregierung musste ein Programm gegen die Klimakrise schreiben. Nicht, weil sie das wollte – sondern weil das Gesetz sie dazu verpflichtet. Das Gesetz, um das es hier geht, heißt Klimaschutzgesetz und es setzt in Paragrafen, was eine Regierung nach der anderen immer wieder versprochen hat: mehr Klimaschutz. Das Gesetz wurde von der ehemaligen SPD-Umweltministerin Svenja Schulze kurz nach einem denkwürdigem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes durchgeboxt. 2021 hatte das Gericht geurteilt, dass die Regierung endlich beim Klimaschutz liefern muss. Seither schreibt das Klimaschutzgesetz vor, dass im Frühjahr ein Expertenrat feststellt, ob die Regierung ihre eigenen CO₂-Einsparziele erreicht. Schafft sie das nicht, muss sie nachbessern. Mit Sofortmaßnahmen, also mit neuen Gesetzen, Verboten, neuen Standards oder Programmen. 

In diesem Frühjahr hatten die Expertinnen und Experten festgestellt, dass der Gebäudesektor und der Verkehrssektor bei den Klimazielen weit hinterher sind. Es fahren viel zu viele Menschen klimaschädliche Autos und zu viele heizen so, dass zu viel CO₂ frei wird. Eigentlich wollte die Bundesregierung deswegen bis zur Sommerpause ein umfassendes Klimaschutzsofortprogramm vorlegen. Aber das schafft sie nun nicht. Weil die FDP blockiert.
Statt eines Gesamtpakets haben nun die zwei zuständigen Ministerien, also Bauen und Verkehr, ihre jeweiligen Ideen getrennt vorgestellt. SPD-Bauministerin Klara Geywitz präsentierte gemeinsam mit dem Klimastaatssekretär Patrick Graichen ihr Programm. Das sieht alle möglichen Veränderungen vor: Die Gasheizung soll in Neubauten ab 2024 verboten werden, Bürgerinnen und Bürgern soll bald beim Einbau umweltfreundlicher Heizungen stärker geholfen werden. Ein Programm, das nicht besonders mutig ist. Vieles müsste deutlich schneller kommen. Aber es ist wenigstens halbwegs plausibel. 

Fast zeitgleich trat FDP-Verkehrsminister Volker Wissing vor die Presse, allerdings allein. Statt wie üblich in die Bundespressekonferenz zu gehen, reicht ihm ein schnelles Statement im eigenen Haus und das auch noch ohne virtuelle Übertragung (der Mann ist auch noch Digitalminister). Wissing präsentierte eine Peinlichkeit, deren Botschaft ist: Ich trau mich nicht. Ich trau mich nicht, es mit der Autoindustrie und den Autofahrern aufzunehmen. Und mit meinem Parteichef schon gar nicht. Denn bei Wissing fehlt alles, was schnell CO₂ und Öl einsparen könnte – und damit alle Maßnahmen, die zugleich gegen die Energieknappheit und gegen die Klimakrise helfen würden. Er plant kein Tempolimit. Kein Abbau des Dienstwagenprivilegs. Kein Stopp der irrsinnigen Förderung von dicken Hybriden, die nur Pseudoklimaschutz bieten – um nur drei Beispiele zu nennen. Das Einzige, was der Verkehrsminister gut kann, sind Förderprogramme, für E-Tankstellen beispielsweise. 

Es gibt, wenn man selbst nicht liefert, zwei Methoden: Erstens wegducken und hoffen, dass es nicht auffällt. Das macht Wissing. Zweitens ablenken. Das macht der Rest der FDP.
Denn statt sich auf eine Debatte über die verkehrte Verkehrspolitik einzulassen, sprechen Liberale immer wieder ein anderes Thema an, und zwar mehr oder weniger so: Ach nee, jetzt nervt mich nicht mit eurem Klimakram – stellt einfach die AKWs wieder an. Dann hat sich der Film.
Durch diesen Trick suggeriert die FDP, dass alles gut wäre, wenn nur die AKWs wieder liefen. Mehr Kernkraft und schon gibt es keinen Wärmemangel im Winter und kein Klimaproblem im Sommer. Die Autos könnten weiterfahren und die Heizungen wären warm. Das ist Blödsinn.

Das Bittere an der Sache ist allerdings: Das AKW-Ablenkungsmanöver funktioniert, weil zu viele Medien mitspielen. Es gibt jede Menge Journalisten, die sich für die Klima- und Energiepolitik nicht besonders interessieren (zu viele Details) und sie übernehmen diese Forderung gern. Zudem sorgt die Diskussion über die Atomkraft auch noch beim Publikum für wunderbar erhitzte Pro und Contras (wahrscheinlich auch unter dieser Kolumne wieder) und lenkt so vom eigentlichen Problem ab. 

Das aber lautet – leider – so: Wer die Klimakrise erfolgreich bremsen will und zugleich Gas einsparen möchte, muss viele Dinge gleichzeitig tun. Gebäude dämmen, Heizungen neu einstellen, langsamer Auto fahren, zu schwere Autos stehen lassen, bei Neubauten Solardächer zur Pflicht machen, die Industrie auf Energieeffizienz trimmen und und und. Bei vielen dieser Maßnahmen steckt der Teufel im Detail und deswegen eignen sie sich wenig für große Aufmacher. Oder haben Sie schon einmal eine Schlagzeile in den Boulevardmedien über Wärmepumpen gelesen? Oder die Schlagzeile: "FDP verhindert Klimaschutz"? 

Leider geht es in diesen Tagen aber genau darum. Denn nicht nur liefert die FDP in ihren eigenen Ministerien nicht, allen voran beim Verkehr. Sie blockiert auch noch bei den andern. Auch das Programm des Bauministeriums hätte besser sein können, hätte nicht die FDP gebremst.
Das kann sie, weil die Maßnahmen aller Ressorts von allen anderen Ministerien grünes Licht bekommen müssen. Ein Beispiel: Wenn man Solarpanels auf das Dach bauen will, dann ist der größte Teil der Kosten das Gerüst. Baut man die Panels direkt auf einen Neubau, sind sie nicht mehr besonders teuer – weil das Gerüst ja eh gestellt werden muss. Deswegen wäre eine Solarpflicht bei Neubauten überfällig und eine vergleichsweise kostengünstige Maßnahme für mehr Klimaschutz. Eine Pflicht wie auch die Regenrinne. Aber auch so was geht mit der FDP nicht. 

Wie sollte man Politiker nennen, die Katastrophen näher kommen sehen, die gar nicht leugnen, dass sich unsere Klimakrise zuspitzt, die aber trotzdem nicht nur selbst zu wenig dagegen tun – sondern die Maßnahmen der andern auch noch ausbremsen?   Pflichtvergessene? Klimazyniker? Liberale?

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