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Von Michael Watzke · 17.02.2022
Die Klimakrise ist das Thema unserer Zeit. Ob Deutschland die Energiewende rechtzeitig schafft, wird nicht nur in Berlin entschieden, sondern auch in rund 13.000 Kommunen und Landkreisen. Dort macht Berchtesgaden aktuell vor, was alles möglich ist.
Wenn Manuel Münch aus seinem Bürofenster im Landratsamt Bad Reichenhall blickt, dann sieht er die Berge des Berchtesgadener Landes: den Predigtstuhl, den Hochstaufen. Dahinter thront der Watzmann.„
Wir haben mit dem Watzmanngletscher und dem Blaueisgletscher zwei der wenigen Gletscher in Deutschland. Die werden immer kleiner. Das ist natürlich ein sichtbares Zeichen für den Klimawandel.“
Im Sommer des vergangenen Jahres riss ein Hochwasser im Berchtesgadener Land Straßen und Häuser mit sich und verursachte Millionenschäden.
Das ist für den 32-jährigen Vater zweier kleiner Kinder Ansporn, die Klimawende im südöstlichsten Zipfel Deutschlands voranzutreiben. Zum Beispiel mit dem Solaratlas. Mit diesem Online-Instrument kann jeder Hausbesitzer im Berchtesgadener Land eine Photovoltaik-Anlage planen. Und zwar individuell für jede der 30.000 Immobilien des Landkreises.
Weit vor dem Bundesdurchschnitt
Wer durch Bad Reichenhall, Ramsau und die umliegenden Dörfer wandert, der sieht den Erfolg des Solaratlas auf den Häusern: Im Berchtesgadener Land pflastern so viele Sonnenmodule die Dächer wie sonst kaum in Deutschland. Und die Solarplatten erzeugen nicht nur Strom, sondern vielerorts auch Wärme.
Deshalb bezeichnet Robert Brandt, Geschäftsführer der Berliner Agentur für Erneuerbare Energien, Berchtesgaden als Vorbild für die Region bei der Umwandlung von Sonne in Wärme und lobt, dass dort schon 25 Prozent erreicht – bei einem Bundesdurchschnitt von 15,6 Prozent.
„Die Kollegen im Berchtesgadener Land haben ja schon relativ früh einen Beschluss im Kreistag getroffen, in dem sie beschlossen haben, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern. Dieses beschlossene Klimaschutzkonzept wurde unterstützt, indem man einen Klimaschutzmanager initiiert hat, der seitdem aktiv Projekte umsetzt.“
Bus fahren für zwei Euro im Monat
Dieser Umweltmanager ist seit vergangenem Jahr sogar Stabsstellen-Leiter im Landratsamt. Manuel Münch sprudelt vor Ideen. Zusammen mit anderen kommunalen Entscheidungsträgern spart er CO2 ein, wo es nur geht. Zum Beispiel beim öffentlichen Nahverkehr.
In der beliebten Tourismus-Region können Gäste und Einheimische ihre Fahrräder kostenlos in Bussen und Bahnen transportieren. Das spart viele Autofahrten. Die neueste Idee: das „Jugend-Freizeitticket“. Damit können Schüler, Studenten, Auszubildende für nur zwei Euro im Monat alle Linienbusse nutzen.
Dieses Angebot wollen die Berchtesgadener auch auf die Nachbar-Landkreise ausdehnen, sogar bis nach Österreich. Denn laut Klimaschutzmanager Münch macht der Verkehr rund 41 Prozent der gesamten CO2-Emissionen im Landkreis aus. Weitere 45 Prozent gehen auf das Konto von Wärmeerzeugung – also etwa Heizung und Warmwasser. In Berchtesgaden gibt es bereits ein dichtes Fernwärmenetz, wie man es sonst nur aus größeren Städten wie München oder Berlin kennt. Und es wird weiter ausgebaut.
Es gibt Verbesserungsbedarf
Aber noch nicht alles läuft in Berchtesgaden vorbildlich: Aus Sicht der „Agentur für Erneuerbare Energien“ müsste Deutschlands südöstlichster Landkreis noch mehr Windkraft erzeugen. Viele Bürgermeister der Region würden gern Windräder bauen, dürfen aber nicht – aufgrund der Verbotsbestimmungen auf Landes- und Bezirksebene, die Agenturchef Brandt kritisiert:
„Es ist ja nicht ohne Grund, dass Bundesumweltminister Habeck einen seiner Antrittsbesuche in Bayern gemacht hat. Wir werden insgesamt in ganz Deutschland die Fläche für Wind brauchen. Und was wir als Agentur für Erneuerbare Energien für wichtig halten, ist die Botschaft: gerade da, wo die Erneuerbaren aufgebaut und entwickelt werden, bringen sie auch Vorteile. Sie bringen Wertschöpfung vor Ort, sie bringen Unabhängigkeit. Das sind Chancen, die man nutzen kann und sollte.“
Aber natürlich braucht es auch breite Akzeptanz für diese Art der Energieerzeugung vor Ort. In der Tourismus-Region Berchtesgadener Land könnten Urlauber zu viele Windräder als störend empfinden. Klimaschutzmanager Manuel Münch betont deshalb:
„Energiewende kann nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern und mit der Wirtschaft und den Kommunen gelingen. Allein nur von kommunaler oder politischer Seite her wird die Energiewende nicht gelingen können. Da müssen wir alle an einem Strang ziehen.“
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