Futurezone hier 11.03.2022 Tina Wirnsberger
Das Verhandeln von
Einzelinteressen taugt nicht im Kampf gegen die Klimakrise.
Wir müssen Klima endlich als
Gemeingut begreifen.
Der neue Bericht des Weltklimarates IPCC zeigt, dass sich das Klima noch
schneller und noch heftiger verändert. Im Kampf gegen die Klimakrise braucht es
neue Prinzipien.
Als „kriminellen Verzicht“ bezeichnete UN-Generalsekretär António Guterres
die jahrzehntelange Untätigkeit der Staats- und Regierungschef*innen im Kampf
gegen die Klimakrise. Die Folgen dieser Untätigkeit zeigt der neue Bericht
des Weltklimarats (IPCC), der am 28. Februar präsentiert
wurde:
Noch schneller, noch heftiger als bisher angenommen droht die Erde sich
zu verändern. Der Bericht ist eine Bankrotterklärung unseres Systems zur
Bekämpfung der Erderwärmung, bestehend aus wirtschaftlichen, politischen und
sozialen Kompromissen, in denen die Akteur*innen am Tisch um Einzelinteressen
und Vorteile feilschen, statt die Rettung des Planeten endlich als gemeinsame
Aufgabe zu verstehen, die nur durch Kooperation gelöst werden kann.
„I want you to act as if our house is on fire“,
so die berühmten Worte Greta Thunbergs.
Vergleicht man die Erde mit einem brennenden Haus, dann würden die Löscharbeiten derzeit so aussehen:
Ein paar Bewohner versuchen, das Feuer mit viel zu kleinen Wasserkübelchen zu löschen, während Nachbar*innen die großen Feuerwehrfahrzeuge aufhalten, weil zu großflächige Löscharbeiten ja auch Wasserschäden in ihren Wohnungen verursachen könnten.
Der Supermarkt drei Straßen weiter spendet großzügig Feuerlöscher und macht ein karitatives Sonderangebot: Vom Erlös aller Einkäufe in den nächsten 24 Stunden geht ein Teil an die tapferen Feuerwehrleute.
Einige Leute verlassen darauf die Löschkette und gehen einkaufen, für die tapferen Feuerwehrleute, die noch immer nicht an den Protestierenden vorbei zum Brand durchkommen.
Unterdessen versammeln sich Politiker*innen vor dem brennenden Haus, um den Bewohner*innen zu versichern, dass sie ihre Sorgen und Ängste ernst nehmen und sie zu ermuntern, die Wasserkübelchen schneller heranzubringen, schließlich könne jeder einen Teil beitragen.
Währenddessen bricht das brennende Haus krachend zusammen.
Genau so sehen die globalen Löscharbeiten zur Klimakrise derzeit aus.
Unser
System ist gar nicht darauf ausgelegt, ein gemeinsames Ergebnis – die
Begrenzung der Erderwärmung – zu erzielen, sondern darauf, möglichst eigene
Interessen zu wahren. Diese Interessen lauten wirtschaftliches Wachstum,
sozialer Wohlstand und politische Erfolge. Per se wäre das nicht einmal
verwerflich, jedoch werden sie derzeit auf Kosten des Kollektivs durchgeboxt:
Gegen das Interesse, eine gesunde Umwelt für uns und kommende Generationen zu
schaffen.
Um das Klimaversagen zu beenden, müssen die Staaten aufhören, den Planeten als Selbstbedienungsladen zu begreifen, und ihn endlich als Gemeingut begreifen
Eine Anleitung, wie die globalen Führungskräfte dieses Gemeingut effektiv verwalten können, liefert die verstorbene Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom. Die Ökonomin hat tausende gemeinschaftlich genutzte Ressourcen untersucht und zentrale Gestaltungsprinzipien definiert, die erfüllt sein müssen, damit Gemeingüter erfolgreich gerecht von allen genutzt und auf lange Sicht erhalten werden können.
Erstens müssen klare Grenzen entlang einer deutlichen Zielsetzung gesteckt werden. Diese Grenzen sind im Pariser Klimaabkommen vereinbart.
Ein zweites
wichtiges Prinzip besteht darin, Kosten und Nutzen des Klimaschutzes gerecht
auf alle Akteur*innen zu verteilen. Einkommensschwächere Personen und Länder
sind weitaus stärker von den Auswirkungen der Klimakrise bedroht, während
andere durch Klimaverbrechen zu Wohlstand gelangen. Eine der großen
Aufgaben der Staatengemeinschaft besteht darin, dafür einen nachhaltigen und
sozial gerechten Mechanismus zu entwickeln.
Drittens erfordert erfolgreicher Klimaschutz eine kollektive
Entscheidungsfindung.
Klima-Verhandlungen müssen daher denjenigen, die die
Auswirkungen der bevorstehenden Klimakatastrophe am
stärksten zu spüren bekommen, ein entsprechendes Verhandlungsgewicht gegenüber
jenen in privilegierten Machtpositionen verschaffen. Eine entscheidende Rolle
zur effektiven Bekämpfung der globalen Erwärmung spielt das Prinzip der
Überwachung der vereinbarten Maßnahmen, also etwa durch Messungen und
regelmäßige Berichte über eindeutige Ergebnisse. Bislang haben die Staaten
diese Anforderungen nicht erfüllt, es gibt weder Einigkeit über
Treibhausgasmessungen noch international anerkannte Berichtsmechanismen.
Regelbruch darf sich nicht lohnen
Kollaborativer Klimaschutz hat nur dann Erfolg, wenn es Sanktionen gegen
jene gibt, die gemeinsam festgelegten Regeln verletzen. Lippenbekenntnisse
reichen nicht.
Wenn Klimaschutz endlich tatsächlich als gemeinsames Interesse
begriffen wird, dann muss auch ein kompromissloser Sanktionsmechanismus
durchgesetzt werden. Regelbruch darf sich für niemanden mehr lohnen.
Die Kosten
für klimaschädigendes Verhalten müssen den Eigennutzen deutlich übersteigen.
Neben schnellen Konfliktlösungsmechanismen und der Anerkennung des Rechts auf
Selbstorganisation braucht es schlussendlich gemeinsame Foren, in denen
internationale, nationale, regionale und lokale Führungsgremien
zusammenarbeiten, um Vereinbarungen kohärent abzuschließen und durchzusetzen,
Die Erfüllung dieser Anforderungen
ist eine große Herausforderung,
denn sie setzt einen Systemwandel voraus.
Aber wir müssen den Weckruf der Wissenschaft, den sie mit dem IPCC-Bericht vorgelegt hat, endlich hören. Die nächste Generation darf völlig zu Recht erwarten, dass wir alles daransetzen, das Klimaversagen zu beenden..
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