Samstag, 12. März 2022

Wie die Energiewende die Landschaft verändern wird

Schwäbische Zeitung  Von Ulrich Mendelin  hier

Kleine Kraftwerke allerorten

Wind und Sonne statt Atom, Kohle und womöglich auch noch Gas. Das heißt auch: viele kleine Kraftwerke statt weniger großer. Das wird die Landschaft verändern - auch auf der Alb, in Oberschwaben, im Allgäu.

Zum Beispiel auf einem Feld bei Niederwangen. Rechts und links der A 96 plant die Bürgerenergiegenossenschaft Wangen mit dem Energieversorger EnBW einen Solarpark. Wenn alles klappt, prägen auf acht Hektar Fläche bald Solarpanels statt grüner Allgäuwiesen das Bild.
Strom für etwa 1500 Haushalte könnte hier erzeugt werden, sagt Genossenschafts-Vorstand Wolfgang Friedrich bei einem Rundgang über die Felder. Das sei zehnmal so viel Energie, wie seine Genossenschaft mit Solaranlagen auf bisher 13 Gebäudedächern erzeugt. „Unser Ziel ist es, die regionale Energiewende vor Ort mitzugestalten.“

Die Stimmung im Gemeinderat sei positiv und zustimmend, berichtet Friedrich. Trotzdem gibt es Widerstand..... „Wenn berechtigte Bedenken bestehen, dann schauen wir, ob wir darauf eingehen können“, sagt er. Etwa, wenn es darum geht, von wo aus die Solarmodule wie stark sichtbar sind. „Wenn es aber um ideologische Ablehnung geht, dann wird es schwierig.“

Wie in Wangen dürften in nächster Zeit deutschlandweit neue Solarparks entstehen. Das Fernstraßen-Bundesamt, das solche Anlagen im Umfeld von Autobahnen genehmigen muss, hatte im vergangenen Jahr 174 Anträge auf dem Tisch oder war in entsprechende Beteiligungsverfahren involviert. Neben Autobahnen gelten auch andere Schnellstraßen und Bahnlinien als Infrastruktur-Achsen, an denen Solarparks gut erschlossen werden können. Vorzugsweise werden sie also dort geplant, wo sie besonders vielen Reisenden ins Auge fallen - was den Eindruck einer sich wandelnden Landschaft zusätzlich verstärken dürfte.

Für die EnBW wird Sonnenstrom immer wichtiger. ....

Zu jenen, die dieser Entwicklung mit gemischten Gefühlen entgegensehen, gehören die Landwirte. Sie fürchten um ihre Äcker. Jeden Tag gehen den Bauern in Deutschland etwa 60 Hektar Ackerland verloren, beklagt Dominik Modrzejewski vom württembergischen Landesbauernverband. Vor allem wegen dem Bau von Siedlungen oder Straßen - und Freiflächen-Photovoltaik verschärfe die Situation weiter.
„Es besteht die Gefahr, dass den Landwirten Pachtflächen gekündigt werden“, sagt Modrzejewski. „Denn die Verpachtung von Flächen für Solarparks bringt ein Vielfaches des Betrages ein, der durch die Verpachtung einer landwirtschaftlichen Nutzfläche zu erzielen ist.“ Das Problem gerade in Baden-Württemberg, aber auch in Bayern, ist ein Doppeltes: Erstens ist der Anteil der Pachtflächen in der Landwirtschaft höher als im Bundesschnitt. Zweitens wird es für einen kleinen süddeutschen Hof schneller existenzbedrohend als für einen großen nord- oder ostdeutschen Agrarbetrieb, wenn ein Teil der Ackerfläche verloren geht.

Andererseits: Für diejenigen Bauern, die auf eigenem Grund und Boden wirtschaften, sind Solaranlagen ein berechenbares und schon deswegen zunehmend interessantes Geschäftsfeld. Immer mehr Landwirte würden daher über den Einstieg in die Stromproduktion nachdenken, sagt Modrzejewski. „Das Interesse ist da, und es steigt auch stetig.“

Um die Konkurrenz zwischen Solarstrom und Nahrungsmittelproduktion zu entschärfen, fordert der Bauernverband, dass zunächst „tote Flächen“ mit Sonnenkollektoren bestückt werden sollen, also Dächer, Lärmschutzwände, Parkplätze, Gewerbeflächen. Außerdem sieht der Verband viel Potenzial in der sogenannten Agri-Photovoltaik. Ein Beispiel ist der Ersatz von Hagelnetzen durch Solarpanels, die ebenfalls stabil genug sind, einen Hagelschauer abzuhalten. Auf Obstplantagen am Bodensee wird damit schon experimentiert.

Ortswechsel. .....

.....Wenn schon der Blick auf das „Märchenschloss Württembergs“ als Argument gegen Windräder nicht ausreicht, ahnt Heppeler, dann wird in Veringenstadt, wo lediglich Baumwipfel den Horizont bilden, der Widerstand auch keine Chance haben. Im Landratsamt Sigmaringen rechnet man damit, dass für den Standort bei Veringenstadt neben dem bereits genehmigten Windrad demnächst Anträge auf den Bau von zwei weiteren Anlagen folgen könnten. Von der EnBW heißt es, man prüfe dies noch....

Dabei wird längst nicht jedes Windkraftprojekt in die Tat umgesetzt. „Seit 2011 haben wir uns mit mehr als 80 geplanten Windkraftanlagen mit hohem Aufwand beschäftigt“, sagt etwa Bernhard Obert, Umweltdezernent des Landkreises Sigmaringen. „Davon haben am Ende lediglich sieben eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erhalten.“ ....

„Wir werden uns an den Anblick von Windrädern im Wald gewöhnen müssen“, sagt denn auch Wolfgang Heine. Er ist im Raum Bodensee-Oberschwaben dafür zuständig, ein Versprechen der grün-schwarzen Landesregierung in die Tat umzusetzen: Zwei Prozent der Fläche sollen für die Produktion erneuerbarer Energien zur Verfügung stehen. Welche Flächen das in den Landkreisen Sigmaringen, Ravensburg und Bodensee sein werden, erarbeitet der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, dessen Direktor Heine ist. Das Land hat dazu eine regionale Planungsoffensive verkündet, die gemeinsam mit den 16 Regionalverbänden umgesetzt wird, in denen jeweils mehrere Landkreise in Fragen der Raumplanung zusammenarbeiten.

Bis zur nächsten Landtagswahl 2026 sollen die Verbände deutlich vorankommen. „Zwei Prozent der Fläche bekommen wir schon hin“, ist sich Heine sicher. „Aber weil Sonne und Wind wetterabhängig sind, wird der Energiemix wichtig. Das heißt, wir brauchen sowohl Freiflächen-Solaranlagen als auch Windkraft.“ Die Zahl der Windräder werde stark zunehmen, und die Ausschlusskriterien, an einer Stelle keines zu errichten, müssten strenger gehandhabt werden.

Insbesondere drei Punkte würden seine Planer prüfen, wenn es um Flächen für Windkraft gehe, sagt Heine. Erstens die Entfernung der nächsten Siedlung - da werde es auf einen Abstand von 1000 Metern hinauslaufen. Zweitens der Artenschutz. Drittens die Vorgaben der Landesverteidigung und des Flugverkehrs. „Wenn das alles abgearbeitet ist und als letztes Gegenargument bleibt, dass man den Anblick nicht schön findet, dann wird es schwierig.“ Dieser Einwand, meint Heine, werde in Zukunft eine geringere Rolle spielen. „Das Landschaftsbild wird sich verändern in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren.“

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