Dienstag, 15. März 2022

Neue Wohnformen und flexiblere Bauten: Kreative Ideen sollen Wohnungsnot lindern

 Kreis Ravensburg  Schwäbische Zeitung  hier    Karin Kiesel

...Die Wohnungsnot vor allem im bezahlbaren Bereich ist kein neues Thema, hat aber eine neue Dimension angenommen. Das gilt ebenfalls für die Region Oberschwaben-Allgäu-Bodensee. Um die missliche Lage zu lösen, braucht es neben Förderprogrammen und mehr Bauten auch neue Wohnformen, gemeinschaftliche Projekte und innovative Quartiere. ...

Neue Ideen für das künftige Zusammenleben sind gefragt

Um dem Problem des allgemeinen Wohnraummangels umfassend zu begegnen, braucht es viele verschiedene Maßnahmen und mehr Ideen für das künftige Zusammenleben, wie das Ministerium erläutert. Ein beispielgebendes Projekt sei das „Klosternahe Wohnen“ des Klosters Reute. Bekanntlich wird das Projekt der Franziskanerinnen von Reute vom Land finanziell gefördert.

Das Vorhaben wurde im Rahmen der Wohnbauoffensive des Landes ausgezeichnet – als eines von sechs ausgewählten Projekten unter 60 Bewerbern. Auf den ehemaligen Ökonomieflächen des Klosters soll ein neues Wohnquartier für Familien entstehen und beinhaltet „erschwingliches Wohnen“, wie Achim Strobel, Ortsvorsteher von Reute-Gaisbeuren unlängst im SZ-Gespräch betonte.

„Neues Wohnen“ soll ein Baustein der Zukunft sein

Neben solcherlei Projekten braucht es zudem mehr Ideen im Bereich „Neues Wohnen“. Doch wie sehen Wohnformen der Zukunft aus? Ein Beispiel ist laut Ministerium der sogenannte flexible Wohnraum, der nicht nur im Wohnungsbereich, sondern auch beim Bau eines Eigenheims schon bei der Planung mitgedacht werden solle. So könne der Grundriss so geplant werden, dass aus einer Wohneinheit (egal, ob Wohnung oder Einfamilienhaus) mit einfachen Mitteln jederzeit auch zwei getrennte Wohneinheiten entstehen können.

„Cluster-Wohnen“ mit gemeinschaftlichen Bereichen

Auch „Cluster-Wohnen“ gehört zu den neuen Wohnformen. Dabei gibt es jeweils einen individuellen und einen gemeinschaftlichen Wohnbereich: Mehrere Menschen leben ähnlich wie in einer Wohngemeinschaft zusammen. Der Unterschied: Jeder Bewohner hat eine eigene Wohnung mit einem privaten Bad oder einem privaten Wohnzimmer. Andere Räume werden mit anderen Menschen geteilt, beispielsweise die Küche oder der großzügige Balkon.

Oder es könnte Mehrfamilienhäuser geben, in denen nicht jede Wohnung ein eigenes Gästezimmer hat, sondern zwei bis drei gemeinschaftlich nutzbare Gästezimmer im ganzen Haus verteilt.

Der Mangel an Wohnraum hat viele Ursachen

Doch wie kommt es überhaupt zu dem gravierenden Mangel an Wohnraum allerorten, der neue Wege und Lösungen so dringlich macht? Die Ursachen dafür sind vielfältig. Das neue Wohnministerium nennt als einen Grund neben der Endlichkeit von Flächenverfügbarkeit (was wiederum auch das Bauen teurer macht) das Bevölkerungswachstum speziell im Ländle, wo es im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine wirklich schrumpfenden Landkreise gebe. Hinzu kommen Wanderungseffekte in regional attraktive Landstriche wie etwa die hiesige Region.

Pro-Kopf-Verbrauch an Quadratmetern steigt seit Jahrzehnten

Ein weiterer Grund sei der gesellschaftliche Trend zur Singularisierung. Sprich: Immer mehr Menschen wohnen alleine, was wiederum mehr Wohnraumfläche pro Kopf verbraucht. Seit Jahrzehnten nimmt dieser Pro-Kopf-Verbrauch zu. In den 50er-Jahren waren es laut Ministerium durchschnittlich etwa 15 Quadratmeter pro Person, dieser Wert habe sich auf etwa 48 Quadratmeter verdreifacht. Dass durch die Corona-Pandemie immer mehr Menschen zu Hause arbeiten und für den Arbeitsbereich Platz brauchen, hat wiederum die Bedürfnisse erneut geändert.

Demografische Entwicklung spielt eine Rolle

Der Wohnraummangel ist nach Angaben des Ministeriums auch eine demografische Folge. Da die Menschen immer älter werden, bleiben sie häufig länger zu Hause wohnen – und das oft in einem großen Haus (besonders im ländlichen Raum) oder einer überdurchschnittlich großen Wohnung.

Daher sei ein Baustein zur Lösung der Wohnraumproblematik der sogenannte Wohnraumtausch, den jüngst beispielsweise auch die Ortsvorsteher der vier Waldseer Ortschaften angesprochen hatten (die SZ berichtete). Das bedeutet, dass Senioren in eine altersgerechte, barrierefreie Wohnumgebung in der Nähe umziehen und dafür das Haus oder die große Wohnung frei wird für eine Familie. Masseneffekte könne man sich laut Ministerium von diesem Baustein allerdings nicht erhoffen.

Es muss mehr Wohnraum geschaffen werden

Da der Wohnraumtausch aber eben nur ein Puzzleteil ist, giltgrundsätzlich: Es muss schlicht mehr Wohnraum geschaffen werden, vor allem im bezahlbaren Bereich – per Definition bedeutet das: Die Miete sollte 30 Prozent des Nettoeinkommens nicht überschreiten. Allzu häufig tut sie dies aber bereits, wie auch das Ministerium bestätigt.

...Hinzu kommt: Viele Wohnungen verlieren die Sozialbindung. In den nächsten neun Jahren fallen laut einer Ministerium-Pressemitteilung pro Jahr im Schnitt 1205 Sozialwohnungen weg. Allein 2022 werden dies rund 1400 sein. Die negative Entwicklung zeigt ein Blick zurück: Ende 2014 gab es in Baden-Württemberg noch rund 63 000 geförderte Sozialwohnungen, 2020 nur noch rund 54 000.

Es entstehen zu wenig Sozialwohnungen

So ist der Bau von Sozialwohnungen in vielen Städten ausbaufähig. In der Stadt Ravensburg soll der noch recht junge Eigenbetrieb Städtische Wohnungen dazu beitragen, mehr Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen und die auf geförderten Wohnraum angewiesen sind.

In Wangen gibt es keinen städtischen Eigenbetrieb für Wohnungen, allerdings die Baugenossenschaft (BG) Wangen, an der die Stadt Anteile hat, und die bei Neubauten (wie andere Bauträger auch) die städtische Sozialquote, die es in vielen anderen Kommunen auch gibt, beachten muss. Das heißt, ein gewisser Anteil an Wohnungen muss an Personen mit einem Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein vergeben werden....

Zusammenfassend betrachtet ist es in Zukunft wichtig, die begrenzte Fläche zu sparen und mehr in die Höhe zu bauen – das predigen derzeit sowohl Baufachleute, Stadtverwaltungen und eben auch das Wohnministerium. Nachverdichtung und Innenverdichtung sind hierbei die zentralen Stichworte.....

Nicole Razavi: „Wir wollen den Flächenverbrauch senken“

Klar sei aber auch: „Wir wollen den Flächenverbrauch senken. Unsere vorrangige Strategie ist, durch Anreize, Beratung und Förderung die Kommunen zu ermuntern, alle Wohnraum-Potenziale im Innenbereich zu heben. Ganz ohne die Ausweisung neuer Baugebiete wird es angesichts des hohen Bedarfs aber auch in Zukunft nicht gehen.“

Bauen soll vereinfacht und beschleunigt werden

Auf die häufig geäußerte Kritik, dass viele Vorschriften das Bauen und Wohnen teurer machen, bezeichnet die Ministerin den Bürokratieabbau als Daueraufgabe. 

Anmerkung: Doch hier ist Vorsicht geboten! Jeder schreit nach Bürokratieabbau , doch gerade hier gehen die Vorstellungen natürlich ziemlich weit auseinander. Die CDU zeigt unmissverständlich mit ihrer Verlängerung des §13b in welche Richtung sie gehen möchte: Grundsätzliches Aushebeln der Umwelt- und Naturschutzrechte. Das ist eine sehr kurzsichtige und in Zeiten der Biodiversitäts-Krise ausgesprochen dumme Idee. Man kann nur hoffen, dass sich auch hier bald neues Denken breit macht und die Krisen der heutigen Zeit endlich als das gesehen werden was sie sind: eine Gefährdung für uns alle!

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