Mittwoch, 16. März 2022

Deutschland verfehlt Klimaziel für 2021

Schwäbische Zeitung Von Martina Herzog  hier

Umweltbundesamt erkennt größten Handlungsbedarf bei Verkehr und Gebäuden

Deutschlands Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen ist nach vorläufigen Zahlen vergangenes Jahr um 4,5 Prozent gestiegen. Damit wurde das Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgas-Ausstoß verfehlt. Die Emissionen sanken im langfristigen Vergleich lediglich um 38,7 Prozent. Dies geht aus Daten des Umweltbundesamtes sowie des Wirtschafts- und Klimaministeriums von Dienstag hervor.

Ressortchef Robert Habeck (Grüne) hatte das Verpassen des Ziels bereits Anfang des Jahres angekündigt. Die Zahlen sind noch vorläufig. Endgültige Werte wird es erst Anfang 2023 geben.

Insgesamt stieß Deutschland vergangenes Jahr 33 Millionen Tonnen mehr klimaschädliche Gase aus als im Jahr zuvor. „Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 2020 ist fast zur Hälfte schon wieder verloren“, beklagte Bundesamtschef Dirk Messner. „Unsere Zahlen zeigen deutlich, dass die Ziele der Bundesregierung schnellstens angegangen werden müssen.“ Ein Teil der niedrigeren Emissionen 2020 war nach früheren Angaben des Bundesamts der Corona-Pandemie zuzuschreiben, durch sinkende Mobilität und Produktionsrückgänge.

Ziel ist, Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral zu machen - bis dann müssen alle Treibhausgase vermieden oder wieder gebunden werden. Das Zwischenziel für 2030 sieht Einsparungen von 65 Prozent gegenüber 1990 vor. Dazu müssten die Emissionen jedes Jahr um sechs Prozent sinken, sagte Messner. „Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent.“ Die 20er-Jahre seien nun das entscheidende Jahrzehnt. „Wenn wir diese Dekade verpassen, können wir unsere Klimaziele national und global nicht mehr in den Griff bekommen“, erklärte Messner.

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP will den Ausbau erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne deutlich vorantreiben - auch unter dem Eindruck der Krise im Verhältnis zum wichtigsten Gaslieferanten Russland. Dazu zählte Klima-Staatssekretär Patrick Graichen auch das geplante Klimaschutz-Sofortprogramm.

Wenn Deutschland sich von russischen Gaslieferungen löst, wird sich dies kurzfristig negativ auf die Klimabilanz auswirken, weil stärker Kohle genutzt werden dürfte. „Kommt es kurzfristig zu mehr Emissionen? Das ist zu erwarten, ja“, sagte Graichen mit Blick auf den Strommarkt. Gleichzeitig werde die Regierung aber bei Verkehr, Gebäuden und erneuerbaren Energien „massiv auf die Tube“ drücken.

Insbesondere der Energiesektor verzeichnete laut Bundesamt einen Anstieg an Emissionen von 27 Millionen Tonnen CO-Äquivalenten. Zur besseren Vergleichbarkeit werden andere Treibhausgase in CO-Äquivalente umgerechnet, Maßstab ist ihr jeweiliger Beitrag zur Erderwärmung im Vergleich zu Kohlendioxid. Das Plus im Energiesektor ist demnach auf eine gestiegene Stromnachfrage sowie geringere Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zurückzuführen, unter anderem wegen wenig Wind und einer stärkeren Nutzung von Kohle.

Die Sektoren Verkehr und Gebäude liegen über den festgelegten Emissionsmengen. Dort bestehe der „größte Handlungsdruck“, sagte Graichen. Der Gebäudesektor verfehlte das Ziel bereits zum zweiten Mal. Messner forderte, Gebäude auf Wärmepumpen umzustellen. Zudem sollten keine Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden. Auch beim Energiesparen sei Luft nach oben, insbesondere durch Sanierungen.

Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, bezeichnete dies auch als soziale Frage: „Geringverdienende leben besonders häufig in Häusern mit schlechter Energieeffizienz und müssen einen erheblichen Anteil ihres Einkommens fürs Heizen ausgeben.“ Allerdings fehle es am Bau häufig an Fachwissen.

Im Verkehr schlägt vor allem der Straßengüterverkehr zu Buche, der wieder leicht über dem Niveau vor Beginn der Corona-Pandemie liege. Der Pkw-Verkehr liege hingegen weiter darunter. Es brauche mehr Elektrofahrzeuge, erklärte Graichen. Zudem müssten der öffentliche Nahverkehr sowie der Rad- und Fußverkehr gestärkt werden.

Die Daten werden nun noch binnen eines Monats von einem Expertenrat geprüft. Dann kommt Arbeit auf Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) zu: Sie müssen binnen drei Monaten Sofortprogramme vorlegen mit Vorschlägen, wie ihre Sektoren auf Kurs kommen. Geywitz sagte: „Was neu gebaut oder saniert wird, muss klimagerecht entstehen.“

Der Klimawandel und die Folgen für die Region auf www.schwäbische.de/unserklima


Im Handelsblatt erfährt man dann Folgendes hier

Verkehrsminister Wissing kann bei den Klimazielen bummeln

Der Minister müsste eigentlich zügig ein Sofortprogramm vorlegen, weil der Verkehr die Klimaziele 2021 verfehlt hat. Doch so genau nimmt es die Regierung nicht mehr.

 Die neue Bundesregierung will offenkundig darauf verzichten, dass der Verkehrssektor in Zukunft jedes Jahr seine Klimaziele erreicht. Bei der Präsentation des jährlichen Klimaberichts erklärte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen, es seien „strukturelle Maßnahmen erforderlich“, damit der Verkehrssektor wie im Übrigen auch der Gebäudesektor seine Klimaziele erreiche – und zwar bis 2030. Das „Leitmotiv“ laute künftig: „Welche Wirkungen entfalten die beschlossenen Maßnahmen, und reichen sie aus?“...

Freiwillig langsamer fahren  (Wie bitte???)

Auch der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner, bestand nicht auf Sofortmaßnahmen, zu denen etwa ein generelles Tempolimit gehören könnte. Er verwies vielmehr auf die Freiwilligkeit der Bürger: Wenn jeder auf der Autobahn nur noch 100 Stundenkilometer fahren würde und auf Landstraßen 80, dann ließen sich sofort „fünf Millionen Tonnen“ CO2 einsparen, sagte Messner.

...Der aktuelle Wert sei zwar niedriger, sagte Umweltbundesamt-Präsident Messner. Aber die strukturellen Probleme bestünden weiterhin, so sei die „Elektrifizierung des Verkehrs“ zwingend nötig. Graichen betonte, im Verkehrsbereich bestehe „größter Handlungsdruck, weil es Zeit braucht, in diesen Bereichen die Emissionen zu senken“. So sei es wichtig, kurzfristig Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die mittelfristig wirkten. Dazu gehöre etwa, die Schienenwege auszubauen.

....Kritik kam vom Thinktank Agora Verkehrswende. So forderte die stellvertretende Direktorin Wiebke Zimmer ein Sofortprogramm. „Bisher hat die Ampelkoalition vor allem deutlich gemacht, was sie im Verkehr nicht für den Klimaschutz angehen möchte: Sie ist gegen ein Tempolimit auf Autobahnen und auch gegen eine Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw über den Vorschlag der EU-Kommission hinaus“, kritisierte Zimmer. „Doch ein starres Festhalten am Koalitionsvertrag wird für die Klimaschutzziele nicht reichen.“

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