Freitag, 25. März 2022

"Rechtsbruch für den Klimaschutz"

Für mich bleibt immer noch der wesentliche Aspekt unbeantwortet.
Es gibt  Gesetze für den Klimaschutz und jeder weiß, dass diese bisher nicht umgesetzt wurden (hier). Die letzte Regierung hat sich international auf die Einhaltung des 1,5° Zieles verpflichtet, hat jedoch nie den Willen gezeigt dieses verpflichtende Ziel wirklich zu erreichen.
Nun berufen sich Ministerin wie Richterin auf die Einhaltung von Gesetzen und Regeln - die doch eindeutig von der Regierung und der Justiz gebrochen wurden, weil nichts adäquat umgesetzt wurde. Das wurde sogar vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, wonach die Gesetze in aller Schnelle nochmal nachjustiert wurden (wieder ohne entsprechende Umsetzung)

Und diejenigen die das zustehende Recht einfordern sind die bösen Rechtsbrecher, die persönliche Konsequenzen daraus tragen müssen?
Also hier läuft was gewaltig schief in der Rechts-Begründung, würde ich sagen.
Die Aktivisten haben es nicht "gut gemeint" - Sie fordern ihr gutes Recht ein, das ihnen zu Unrecht verweigert wird in unserem Rechtsstaat.


Schwäbische Zeitung  hier von Ulrich Mendelin

Im Kampf gegen die Erderwärmung klettern Aktivisten auf Bäume und kleben sich an Straßen fest - Das bewusste Brechen von Regeln beschert ihnen Aufmerksamkeit und Strafverfahren

Aus Neugier hat sich Wolfgang Ertel kürzlich in eine Gerichtsverhandlung gesetzt - um einen Eindruck davon zu bekommen, was demnächst auf ihn zukommt. Denn Angeklagter in einem Strafverfahren war der Professor für Künstliche Intelligenz der Hochschule Ravensburg-Weingarten in seinem Leben noch nicht. Jetzt aber schon. Ihm wird ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht vorgeworfen. Grund ist eine Aktion im Mai vergangenen Jahres.

...„Es hat gewirkt“, berichtet Ertel rückblickend. „Für die Hochschule ist jetzt die Stelle eines Klima-schutzmanagers ausgeschrieben worden. Das hätten wir nicht, wenn ich nicht auf den Baum gestiegen wäre.“ Und in der Winterpause seien die Hörsäle kalt geblieben. Das habe er in einigen davon persönlich überprüft. „Es ist nachweisbar, dass die Aktion richtig etwas gebracht hat für das Gemeinwohl.“

Eine Anzeige gab es trotzdem. Es drohen 4000 Euro Strafe, Ertel muss sich wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsrecht verantworten. Das klingt insofern bemerkenswert, weil der Protest nur aus drei Leuten bestand, von denen zwei an einem Seil hingen. Doch eine große Anzahl an Menschen sei für das Versammlungsrecht nicht ausschlaggebend, betont Matthias Geiser, Sprecher für Strafsachen am Amtsgericht Ravensburg. ...

Es ist nicht der einzige Prozess gegen Klimaaktivisten, den das Amtsgericht dieser Tage auf dem Tisch hat. Von einer Zahl im „zweistelligen Bereich, aber weniger als 20“ Fällen seit Jahresbeginn geht Gerichtssprecher Geiser aus. Oft müssen die Angeklagten - anders als Hochschulprofessor Ertel - vor dem Jugendrichter erscheinen.

Die Zahl an Verfahren steigt mit der Zahl von Klima-Protestaktionen, von denen es in der Region zuletzt einige gegeben hat. ......

Bosch sitzt immer mal wieder auf Bäumen. Im Altdorfer Wald, um gegen den Bau einer Kiesgrube zu demonstrieren. An der Ravensburger Schussenstraße für mehr Klimaschutz in der Stadt. Und er wäre am Donnerstag auch auf einen Baum vor dem Amtsgericht geklettert, um Solidarität zu demonstrieren mit Professor Ertel, wenn der Prozess denn stattgefunden hätte. „Wir halten unsere Aktionen grundsätzlich für legal und angemessen“, sagt Bosch über sein Handeln und das seiner Mitstreiter. „Unsere Aktionen schaden nicht, sie stören. Sie stören die Ordnung, damit nicht alles so weiterläuft wie bisher.

Den Schutz des Klimas empfinden viele Menschen, und besonders junge, als existenziell. Aber darf man sich deswegen auf „zivilen Ungehorsam“ berufen, darf man sich über Regeln und Gesetze hinwegsetzen? Heiligt der Zweck jedes Mittel?

„Wir demonstrieren gegen eine verfehlte Klimapolitik und sehen nicht ein, dass die Regierenden bestimmen, wie wir gegen sie demonstrieren“, sagt Klimaaktivist Bosch.

„Ziviler Ungehorsam kann gerade beim Klimaschutz manchmal viel mehr bewirken als jahrelange Bemühungen auf dem Dienstweg“, sagt Hochschulprofessor Ertel.

„Aus meiner Sicht verharmlost der Begriff ,ziviler Ungehorsam' die Dinge oft“, sagt Marion Gentges (CDU), Justizministerin in Baden-Württemberg. „Es gibt Gesetze und Regeln. Wenn man sie verletzt, spielt es keine Rolle, ob man es gut gemeint hat. Ein Gesetzesverstoß bleibt ein Gesetzesverstoß.“....

Auf Bäume zu klettern oder Transparente über einer viel befahrenen Straße und auch schon mal an der Weingartener Basilika aufzuspannen, ist dabei das eine. Einen Schritt weiter gehen Aktivisten einer Gruppe, die sich „Die letzte Generation“ nennt. Sie klebten sich in den vergangenen Monaten mehrfach auf Straßen fest, etwa in Berlin oder auf einer Zufahrt zum Frachtbereich des Münchner Flughafens.....

Und wenn auch Hungerstreiks nicht reichen, weil die Politik selbst bei gutem Willen gar nicht so schnell umsteuern kann, wie es die Aktivisten als zwingend notwendig erachten? Tadzio Müller, Mitbegründer der Anti-Braunkohle-Bewegung „Ende Gelände“ aus dem Hambacher Forst und bis vor Kurzem bei der Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigt, hat im Interview mit dem „Spiegel“ schon das Entstehen einer „grünen RAF“ an die Wand gemalt.

„Das ist historisch falsch, die Analogie ist bedenklich und auch nicht realistisch“, sagt Sebastian Haunss, Protestforscher an der Uni Bremen. Zwar könnten Aktivisten, die die existenzielle Bedrohung des Klimawandels sehr stark in den Vordergrund rücken, geneigt sein, die Wahl ihrer Mittel daran auszurichten. „Aber da geht es in der Diskussion um so etwas wie Verkehrsblockaden unter Inkaufnahme von Selbstverletzung. Nicht darum, Repräsentanten eines ,Klimaregimes' zu erschießen.“ .

.....Hochschulprofessor Ertel jedenfalls verspürt keine Lust mehr, noch einmal auf einen Baum zu steigen. „Irgendwann hat sich eine Aktionsform auch mal ausgelaufen.“ Stattdessen will er künftig mit Studenten eine App umsetzen, mit der man örtliche Mitfahrgelegenheiten organisieren kann. Wenn weniger Autos durchs Schussental führen, sagt Ertel, dann wäre das doch ein toller Erfolg.

Der Klimawandel und die Folgen für die Region auf www.schwaebische.de/unserklima

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