Deutschlandfunk hier Felix Ekardt im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 08.08.2019
Auf der Internetseite kann man das Interview auch anhören
Bericht des Weltklimarates
Um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern, müssen laut Weltklimarat alle radikal umsteuern – vom Verbraucher bis hin zur Politik. Angesichts der Verhaltensforschung sei es aber fraglich, ob das gelingt, sagte Felix Ekardt, Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik im Dlf.
Sina Fröhndrich:
Wir verschwenden zu viele Nahrungsmittel, wir essen zu viel Fleisch und
wir sind zu dick. Der Weltklimarat fordert deswegen: Wir sollten uns
anders ernähren, Land anders nutzen.
Denn: Die Landwirtschaft, die
Forstwirtschaft und andere Landnutzung waren von 2007 bis 2016 für 23
Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgase verantwortlich.
Wir
müssen also umsteuern – doch wie gerecht kann das sein? Das besprechen
wir mit Felix Ekardt, Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und
Klimapolitik.
Herr Ekardt, wir sollen weniger Fleisch essen, das passt
zur Diskussion in Deutschland, dass Fleisch teurer werden soll – aber
ist das fair? Was halten Sie von dem Argument, dass sich dann der
Hartz-IV-Empfänger nicht mehr das Schnitzel leisten kann?
Felix Ekardt:
Es gibt höchst unterschiedliche Vorstellungen davon, was
verteilungspolitisch gerecht ist. Die einen sind für Kommunismus, die
anderen finden auch große Einkommensunterschiede vertretbar, deswegen
entscheidet man das im demokratischen Diskurs.
Und
witzigerweise wird diese Verteilungsfrage immer bei Umweltproblemen
aufgemacht, ansonsten wird sie ziemlich selten gestellt. Auch bisher
kann sich nicht jeder alles leisten und es wird wenig darüber geredet,
dass wir massive Schäden in anderen Teilen der Welt und bei künftigen
Generationen anrichten mit dem, wie wir leben. Auch ALG-II-Empfänger
sind im Weltmaßstab kaufkraftbereinigt vergleichsweise wohlhabend, sie
gehören zu den 15 Prozent der einkommensstärksten Gruppen weltweit.
Fröhndrich:
Wenn Sie jetzt das weltweite Fass sozusagen schon aufmachen, das macht
ja auch der Weltklimarat, der eben sagt, wir sollten halt alle einfach
weniger Fleisch essen. Ist es denn fair, dass wir, die jahrelang einfach
Fleisch konsumiert haben, wie wir das wollten und konnten, jetzt
anderen Ländern, die sich gerade entwickeln und dahinkommen, dass eben
Fleisch erschwinglich wird – vielleicht auch für jeden Tag –, dass wir
denen vorschreiben, für euch gilt das nicht mehr so?
Ekardt:
Der Klimawandel ist heute schon tödlich für viele Menschen weltweit und
der wird noch viel tödlicher werden. Er droht, Kriege auszulösen,
riesige Migrationsbewegungen, drastische ökonomische Folgen.
Und der Einsatz fossiler Brennstoffe, der stark hinter dem Klimawandel steht, ist auch so unheimlich kostenintensiv und tödlich heute schon, beispielsweise über Luftschadstoffe.
Und der Einsatz fossiler Brennstoffe, der stark hinter dem Klimawandel steht, ist auch so unheimlich kostenintensiv und tödlich heute schon, beispielsweise über Luftschadstoffe.
Wir
sollten deswegen aufhören mit diesen Schwarze-Peter-Spielen, wo
irgendwie die Oberschichten in den Schwellenländern und wir in den
westlichen Ländern, die beide jeweils beitragen zum Klimawandel, sich
den Schwarzen Peter wechselseitig zuschieben. Wir müssen weltweit zu
Null-Emissionen kommen, dazu haben wir uns völkerrechtlich verpflichtet
im Pariser Klimaabkommen – und zwar in rund zwei Jahrzehnten, sonst ist
die 1,5-Grad-Grenze nicht einzuhalten.
Fröhndrich: Aber ist es denn fair, dass Länder auch Kraftanstrengungen zum Klimaschutz machen müssen, die zugleich auch schon darunter leiden durch Dürren, durch Überschwemmungen?
Ekardt:
Es müssen alle Länder zu null Emissionen kommen. Die Frage ist, welche
Länder welche anderen Länder finanziell wie unterstützen müssen dabei.
Und natürlich sind die Länder unterschiedlich leistungsfähig und sie
haben unterschiedlich beigetragen in der Vergangenheit zum Klimawandel.
Genau
bei dieser Kostenlast muss man das berücksichtigen, aber rauskommen
müssen am Ende alle trotzdem bei null Emissionen.
Das heißt, die
Hoffnung, dass jetzt alle mal so besinnungslos durch die Gegend fliegen
können, wie das irgendjemand mal in der Vergangenheit gemacht hat,
können wir der Welt nicht geben.
Fröhndrich:
Das heißt also, wir können und müssen jetzt dann auch einigen Ländern
oder Bewohnern einiger Länder, in denen viele noch nicht einmal ein
Flugzeug von innen gesehen haben, sagen, das wird auch so bleiben, die
Chance bekommt ihr nicht.
Ekardt:
Zunächst mal müssen wir aufhören, selber ständig ein Flugzeug von innen
zu sehen, sonst wird auch unsere Predigt völlig folgenlos bleiben und
als lächerlich empfunden werden – zu Recht. Wir müssen aufhören damit
und müssen andere finanziell kompensieren auch teilweise dafür, dass sie
bestimmte Möglichkeiten nicht haben werden.
Nur
auch an der Stelle ist es so, wenn wir jetzt einfach sagen, wir machen
weiter wie bisher und obendrauf fliegt jetzt auch noch die Mittelschicht
in China, Indien und so weiter in unserem Maßstab, dann vermehren wir
die ohnehin schon vorhandenen Opfer des Klimawandels immer weiter.
Das heißt, es geht nicht darum, dass andere bestimmte schädliche Dinge genauso oft wie wir machen, sondern es geht darum, dass wir bestimmte Dinge seltener machen.
Das heißt, es geht nicht darum, dass andere bestimmte schädliche Dinge genauso oft wie wir machen, sondern es geht darum, dass wir bestimmte Dinge seltener machen.
Natürlich
wird man immer versuchen, zunächst mal eine technische Lösung zu
finden, das ist attraktiver, das ist leichter umzusetzen, aber das ist
wahnsinnig schwierig. Die technischen Lösungen haben, gerade beim
Fliegen, gerade beim Konsum tierischer Nahrungsmittel häufig einen
Pferdefuß.
Insoweit
müssen wir tatsächlich an der Stelle klar darüber reden, was wir an
Schäden an der Stelle verursachen und ob das weiter tragbar ist. Und wir
sollten uns auch mal fragen, was passiert, wenn wir die Sache weiter
ignorieren, wenn wir beispielsweise den Klimawandel weiterlaufen lassen,
dann sagen eben vielleicht fünf oder zehn Prozent aller Afrikaner
zutreffend, wir können hier nicht mehr leben in Afrika, es ist zu warm,
wir müssen nach Europa.
Und
dann haben wir nicht, was in Europa bereits Panik ausgelöst hat, eine
Million Afrikaner, die nach Europa wollen, sondern vielleicht 100
Millionen Afrikaner. Und darüber muss man dann halt auch reden.
Fröhndrich:
Und wenn wir jetzt mal auf das Beispiel Landnutzung noch mal schauen,
die soll nachhaltiger sein, fordert der Weltklimarat. Nehmen wir das
Beispiel Brasilien, die Abholzung des Regenwaldes, das passiert auch, um
dann irgendwann mit diesem fruchtbaren Land zu spekulieren. Da geht es
um wirtschaftliche Interessen. Müssen wir nicht auch Brasilien
zugestehen, sich wirtschaftlich weiterzuentwickeln, wäre das nicht fair?
Ekardt:
Vor allem wäre es weiterhin sehr unfair gegenüber den Opfern des
Klimawandels gerade in den ärmeren Gegenden der Welt und auch unter
künftigen Generationen. Die Schwellenländer und ihre begüterten
Oberschichten, Brasilien ist da ein schönes Beispiel, und die
Industrieländer können sich nicht wechselseitig den Schwarzen Peter
zuschieben. Wir müssen in Europa zu null Emissionen kommen, und die
Brasilianer müssen es auch.
Fröhndrich:
Sie haben das schon angedeutet, das ist am Ende alles sehr komplex,
braucht auch komplexe Antworten. Wenn man sich jetzt den Bericht des
Weltklimarates anschaut, dann klingt das so ein bisschen nach radikal
umsteuern, alle zusammen sollen die Welt retten. Ist das nicht eine
Utopie?
Ekardt:
Wenn wir in die Verhaltensforschung gucken, wissen wir, dass wir als
Menschen ziemlich irrational sind, wir folgen unseren Gefühlen häufig,
Bequemlichkeit, Gewohnheit, Verdrängung, wir neigen zu Ausreden, wir
suchen andere Sündenböcke. Wir wollen selber unser Leben nicht ändern,
und das gilt für uns alle, das gilt aber auch für Politiker und für
Unternehmer – und all diese Leute hängen wechselseitig voneinander ab.
Politik
und Bürger zeigen wechselseitig aufeinander, Unternehmen und
Konsumenten zeigen wechselseitig aufeinander, jeweils der andere ist
schuld, Länder zeigen aufeinander und die Debatte Lebensstil ändern oder
Politik ändern ist auch so ein Weg, sich gegenseitig verantwortlich zu
machen. Gesellschaftlicher Wandel geschieht im Wechselspiel
verschiedener Akteure, da bin ich ein Teil davon, ich als Bürger bin
immer auch Konsumbürger und politischer Bürger. Das ist nicht nur alle
paar Jahre wählen gehen, ich kann rein in die Parteien, rein in die
Verbände gehen, hin zu Demonstrationen, kann mich im Internet
engagieren.
Die
Wahrscheinlichkeit, dass das Ganze rechtzeitig in Gang kommt beim
Klimaschutz, ist tatsächlich sehr begrenzt. Es kann sehr gut sein, dass
wir gegen den Baum fahren, das wird allerdings für die Menschheit dann
ein existenzielles Problem sein. Wenn es allerdings passiert, dann war
es nicht der liebe Gott, dann haben wir es nicht besser hingekriegt.
Äußerungen
unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der
Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in
Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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