Hier Handelsblatt 19.11.2024
Gipfel: G20-Staaten einigen sich in Rio auf Abschlusserklärung
Schon am ersten Gipfeltag verabschiedet die Gruppe eine gemeinsame Erklärung. Sie will den Hunger und die Klimakrise bekämpfen und die internationalen Institutionen reformieren.
Rio de Janeiro. Die G20-Staaten haben sich am ersten Tag ihres Gipfeltreffens in Rio de Janeiro überraschend auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt. Dabei gelang es dem Gastgeber Brasilien, die wichtigsten Punkte seiner G20-Präsidentschaft in dem Dokument unterzubringen: den Kampf gegen Hunger und Klimaerwärmung sowie eine Reform der internationalen Organisationen. Zwischenzeitlich war davon ausgegangen worden, dass Argentiniens ultraliberaler Präsident Javier Milei einzelnen Punkten nicht zustimmt.
Die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer
wollen sich künftig für eine wirksame Besteuerung der Superreichen einsetzen.
Außerdem bekräftigten sie das international vereinbarte Ziel,
die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Die G20-Staaten erklärten in der Abschlusserklärung zudem, auf eine Reform des UN-Sicherheitsrates hinarbeiten zu wollen. Das wichtigste Organ der Vereinten Nationen soll demnach repräsentativer, inklusiver, effizienter und demokratischer werden.
Die Vertreter der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt haben sich in Rio de Janeiro bereits am ersten Gipfeltag auf eine Abschlusserklärung geeinigt. Diese beinhaltet unter anderem ein neues Programm zur Bekämpfung der globalen Armut.
Wie bereits beim Gipfel im Vorjahr in Indien wurde der russische Angriffskrieg nicht mehr explizit verurteilt. Beim Treffen auf Bali vor zwei Jahren hatte dies noch eine Mehrheit der Länder getan.
In Rio wurde auch die Globale Allianz gegen Hunger und Armut ins Leben gerufen. Es fehle weder an Wissen noch an Ressourcen, sondern an politischem Willen, um den Menschen Zugang zu Nahrungsmitteln zu verschaffen, hieß es in der Abschlusserklärung.
Hier Zeit 18. November 2024 Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, dpa, Reuters, jj
G20 in Rio de Janeiro: Lula da Silva will "Allianz gegen Armut" auf den Weg bringen
In Rio de Janeiro ringen die G20-Staaten zwei Tage lang um die Bekämpfung von Hunger und der Klimakrise. Auch die Kriege in Nahost und der Ukraine werden Thema sein.
In der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro beginnt heute der zweitägige G20-Gipfel. Am ersten Tag des jährlichen Treffens der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer geht es um den Kampf gegen Armut und die Reform internationaler Institutionen. Zum Auftakt will Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva die Globale Allianz gegen Hunger und Armut auf den Weg bringen.
Für Gastgeber Lula ist außerdem das Thema Klimaschutz wichtig. Eine der drei Arbeitssitzungen ist der nachhaltigen Entwicklung und Energiewende gewidmet. Von den G20 könnte ein Signal ausgehen für die weiteren Verhandlungen bei der aktuell parallel laufenden Weltklimakonferenz COP29 im aserbaidschanischen Baku, bei der die Verhandlungen bislang zäh laufen.
"Mit gutem Beispiel vorangehen"
Mit US-Präsident Joe Biden hat Lula einen gewichtigen Mitstreiter bei dem Thema. Dessen Nachfolger Donald Trump jedoch will verstärkt Öl fördern und hatte sich in seiner ersten Amtszeit vom Pariser Klimaabkommen abgewendet. Auch Argentinien ist in Rio vertreten, es wird befürchtet, dass das Land aus dem Pariser Abkommen aussteigen könnte. Vom COP28 in Baku war die argentinische Delegation vor drei Tagen abgereist. Argentiniens Präsident Javier Milei ist vom menschengemachten Klimawandel nicht überzeugt.
UN-Generalsekretär António Guterres hatte die G20-Staaten aufgerufen, eine Führungsrolle bei der COP29 einzunehmen. Ein erfolgreiches Ergebnis sei noch in Reichweite, aber es werde "Führungsstärke und Kompromisse erfordern, insbesondere von den G20-Ländern", sagte Guterres in Rio de Janeiro. Er äußerte sich besorgt über den Stand der Verhandlungen in Baku. "Scheitern ist keine Option", sagte er, es komme daher besonders auf die G20-Staaten an. "Sie sind für 80 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich", sagte der UN-Generalsekretär und forderte die G20-Gruppe auf, "mit gutem Beispiel voranzugehen".
Lawrow vertritt erneut Putin
Es wird bei den zweitägigen Beratungen aber auch um die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten und die weltwirtschaftliche Lage gehen. Die G20-Treffen zählen zu den wenigen Gesprächsformaten, in denen Russland und die westlichen Verbündeten noch an einem Tisch sitzen. ....
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DW hier Nik Martin 17.11.2024
G20:
Lulas Kampf um Klima, Armut und Vermögenssteuer
Auf dem G20-Gipfel in Brasilien soll es nach dem Wunsch der Gastgeber um die Besteuerung der Superreichen gehen, um Klimaschutz und Armutsbekämpfung zu finanzieren. Geopolitische Fragen dürften aber den Vorrang haben.
Der brasilianische Präsident und G20-Gastgeber Luiz Inacio Lula da Silva will an das Geld der reichsten Milliardäre und vermögendsten Steuervermeider der Welt. Vorarbeit leisteten die G20-Finanzminister bei einem Treffen im Juli in Rio. Dort einigten sich die reichsten Länder der Welt immerhin darauf, einen "Dialog über eine faire und progressive Besteuerung, auch von sehr vermögenden Personen" zu beginnen, trotz des heftigen Widerstands der Vereinigten Staaten und der inzwischen gescheiterten deutschen Regierungskoalition.
Doch dürften die wachsenden geopolitischen Probleme der Welt - die Konflikte in der Ukraine und im Gazastreifen, die Aussicht auf eine zweite Amtszeit von Donald Trump und der Handel mit China - den zweitägigen Gipfel dominieren. Lula hofft aber, den Plan für die Vermögenssteuer voranzubringen, da das von den Milliardären eingenommene Geld dazu beitragen könne, andere dringende globale Probleme zu lösen.
Besteuerung der Superreichen würde Milliarden bringen
Der von dem französischen Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman entwickelte Plan sieht die Einführung einer jährlichen Steuer von zwei Prozent auf das gesamte Nettovermögen der Superreichen vor. Also nicht nur auf ihr Jahreseinkommen, sondern auch auf Immobilienvermögen, Unternehmensbeteiligungen und andere Investitionen. Zucman schätzt, dass die obersten 0,01 Prozent der Bevölkerung derzeit einen effektiven Steuersatz von nur 0,3 Prozent ihres Vermögens zahlen.
Eine zweiprozentige Abgabe könnte seiner Ansicht nach bis zu 250 Milliarden Dollar (237 Milliarden Euro) pro Jahr von den fast 2800 Milliardären weltweit einbringen. Die eingenommenen Mittel könnten laut dem Plan zur Bekämpfung der zunehmenden globalen Ungleichheit verwendet werden, insbesondere in den hochverschuldeten Ländern mit niedrigem Einkommen, darunter viele in Afrika.
"Die Besteuerung von vermögenden Privatpersonen ist sehr wichtig, da sie die Bekämpfung von Hunger und Armut und des Klimawandels finanzieren könnte", sagt auch Tomas Marques, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger GIGA Institut für Lateinamerika-Studien, der DW.
Die Entwicklungsländer, die nach Ansicht vieler Wissenschaftler unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen sind, fordern seit Jahren Finanzmittel, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels auszugleichen. Zu den Erfolgsgeschichten gehören die Unterstützung der Weltbank und des Grünen Klimafonds für Indiens Versuch, die Solarenergiekapazitäten zu erhöhen. Aber auch Brasiliens Amazonas-Fonds, der auf die Reduzierung der Entwaldung abzielt und teilweise von Norwegen und Deutschland finanziert wird.
Skepsis gegenüber G20-Ausgabenplänen
Auch wenn es eine breite öffentliche Unterstützung für neue Steuern auf die Superreichen geben mag, führt der steigende nationale Populismus in vielen G20-Ländern in eine andere Richtung: nämlich öffentliche Gelder besser im eigenen Land einzusetzen statt für internationale Hilfe oder Entwicklungshilfe.
"Den meisten G20-Ländern fällt es schwer, ihre Haushalte auszugleichen", sagt Maria Antonieta Del Tedesco Lins, Wirtschaftswissenschaftlerin und außerordentliche Professorin an der Universität von Sao Paulo. Da sei es schwierig, "den nationalen Druck mit neuen internationalen oder multilateralen Verpflichtungen in Einklang zu bringen".
Bei der Eröffnungszeremonie am Montag in Rio wird die Globale Allianz gegen Hunger und Armut ins Leben gerufen, eine Initiative im Rahmen der brasilianischen G20-Präsidentschaft, die darauf abzielt, die Anstrengungen im Kampf gegen Armut und Nahrungsmittelmangel bis 2030 zu beschleunigen.
Die brasilianische Regierung ist neben Frankreich, Spanien und Südafrika auch der Hauptbefürworter der vorgeschlagenen Steuer für Superreiche. Aber schon im eigenen Land gibt es Widerstand: Das Unterhaus des brasilianischen Parlaments, die Abgeordnetenkammer, lehnte im vergangenen Monat Pläne für eine zusätzliche inländische Steuer für Großverdiener ab.
"Es ist eine Schande, denn Brasilien könnte [von dieser Steuer] sehr profitieren, weil wir ein sehr ungleiches Land sind. Wenn es einen internationalen Konsens [über die Besteuerung der Superreichen] gäbe, könnte dies die Verhandlungen im brasilianischen Kongress erleichtern", sagte Lins.
In Brasilien, wie auch im Rest der Welt, schirmen die Reichen ihr Vermögen oft vor den Steuerbehörden ab, indem sie Briefkastenfirmen in Ländern mit niedrigen oder gar keinen Steuern gründen, das Bankgeheimnis ausnutzen oder Treuhandgesellschaften und wohltätige Stiftungen gründen, die großzügige Steuervergünstigungen bieten.
USA lehnen Vorschlag zur Vermögenssteuer ab
Während die Positionen Chinas und Indiens zu der neuen Steuer unklar sind, ist Washington nach wie vor strikt dagegen. US-Finanzministerin Janet Yellen erklärte im Mai gegenüber dem Wall Street Journal, die Maßnahme sei "etwas, dem wir nicht zustimmen können".
Der designierte Präsident Donald Trump hat sich noch nicht zu dem Vorschlag geäußert, es ist jedoch unwahrscheinlich, dass er eine Steuererhöhung für Superreiche unterstützen wird. Seine erste Amtszeit war von umfangreichen Steuersenkungen geprägt, von denen vor allem wohlhabende Privatpersonen und Unternehmen profitierten. Als Präsidentschaftskandidat im Jahr 2000 (er wurde damals nicht wieder gewählt) versprach er jedoch, die Staatsverschuldung zu senken - durch die Erhebung einer einmaligen Steuer von 14,25 Prozent für Wohlhabende.
Lulas Aussichten sind nicht gut, während des zweitägigen Gipfels bei diesem Thema nennenswerte Fortschritte zu erzielen, zumal viele kritische geopolitische Fragen sowie Brasiliens Vorschlag zur Verbesserung der Weltordnungspolitik die Gespräche ebenfalls beherrschen werden.
"Lula ist ein guter Verhandlungsführer", sagte Marques. "Er sieht sich selbst als Brückenbauer zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden. Aber ich weiß nicht, wie er bei diesem sehr sensiblen Thema einen Konsens erreichen kann."
Vermögenssteuer - ein Segen für Afrika
Eine bessere Vertretung Afrikas auf dem G20-Gipfel ist jetzt von entscheidender Bedeutung, da der Kontinent bei der Armuts- und Klimabekämpfung von jedem neuen Steuerplan profitieren könnte. Die Afrikanische Union, der regionale Zusammenschluss von 55 afrikanischen Ländern, wird zum ersten Mal am Gipfeltreffen in Rio teilnehmen, nachdem sie im August als Vollmitglied der G20 aufgenommen wurde.
Nächstes Jahr wird Südafrika den rotierenden G20-Vorsitz übernehmen und damit nach Indonesien, Indien und Brasilien zum vierten Mal in Folge die Führung des Blocks aus dem globalen Süden übernehmen. Diese Rolle wird dem Land und Afrika insgesamt weitere Möglichkeiten bieten, die globale Politik zu gestalten und sich für die Interessen des Kontinents einzusetzen.
"Die afrikanischen Länder waren in der G20 unterrepräsentiert, obwohl der Kontinent weltweit von großer Bedeutung ist", sagt Marques der DW. "Aber die Dinge ändern sich, und die Afrikanische Union beginnt nun, einen gewissen Einfluss auf die Politikgestaltung zu nehmen."
Eine Adaption aus dem Englischen von Sabine Faber
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