Mittwoch, 27. November 2024

Urgewald berichtet im Rahmen der COP 29 über Entwicklungen im Öl- und Gasgeschäft

 hier  Urgewald  Berlin/Baku ,  12.11.2024

Global Oil & Gas Exit List 2024: Milliardenschwere Bürde für die Klimaverhandlungen

Heute hat urgewald gemeinsam mit 34 Partnerorganisationen die diesjährige Global Oil & Gas Exit List (GOGEL) veröffentlicht. GOGEL ist die umfangreichste öffentliche Datenbank, die die Aktivitäten der globalen Öl- und Gasindustrie offenbart. 



Sie umfasst 1.769 Unternehmen, die Öl und Gas fördern oder neue fossile Infrastruktur entwickeln: Terminals für Flüssigerdgas (LNG), Pipelines oder Öl- und Gaskraftwerke. Die in GOGEL aufgeführten Förderunternehmen sind verantwortlich für 95% der weltweiten Öl- und Gasproduktion.

Zum Download von GOGEL 2024: gogel.org

 Die Daten zeigen: 2023 erreichte die Öl- und Gasproduktion einen historischen Höchststand. Im heißesten Jahr seit Messbeginn förderten Unternehmen auf GOGEL 55,5 Milliarden Barrel Öläquivalent (bboe). Die globale Öl- und Gasproduktion überschritt damit erstmals Höchstwerte, die zuletzt vor der COVID-Pandemie beobachtet wurden. 

„Dieser Negativrekord ist alarmierend. Wenn wir die fossile Expansion nicht aufhalten und keinen kontrollierten Produktionsrückgang einleiten, wird das 1,5-Grad-Limit unerreichbar. Hier müssen wir bei den Klimaverhandlungen in Baku vorankommen“, sagt Nils Bartsch, Leiter der Öl- und Gasrecherche bei urgewald.

Vor einem Jahr verkündete der UN-Exekutivsekretär für Klimafragen auf der COP28 den „Anfang vom Ende“ des fossilen Zeitalters. Die GOGEL-Daten erzählen eine andere Geschichte: Öl- und Gasfirmen arbeiten mit Milliardeninvestitionen gegen dieses Ziel an. 

Mehr Geld für Öl- und Gasexploration heißt mehr „Loss and Damage“ 

Auf der diesjährigen COP29 richten sich alle Augen auf die Verhandlungen über den „Loss and Damage Fonds“. „Die Menschen in afrikanischen Ländern zahlen einen schrecklichen Preis für die Folgen des Klimawandels, obwohl der Kontinent kaum für Treibhausgasemissionen verantwortlich ist“, sagt Bobby Peek, Leiter der südafrikanischen NGO groundWork. „Nach den Flutkatastrophen in Niger, Mali und Nigeria blicken wir auf verwüstete Landstriche, und durch die extreme Dürre am Horn von 
Afrika sind Millionen Menschen von Hunger bedroht. Für solche klimabedingten Verluste und Schäden aufzukommen hat nichts mit Wohltätigkeit zu tun, es ist eine Frage von Gerechtigkeit.“   

Bei den Klimaverhandlungen im vergangenen Jahr haben die Mitgliedsstaaten 702 Millionen US-Dollar für den Loss and Damage Fonds versprochen – weit weniger als erwartet. GOGEL 2024 zeigt: Abseits des Rampenlichts investieren Unternehmen – jedes Jahr – fast das Neunzigfache dieses Betrags in die Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen. Gemeinsam geben die Unternehmen auf GOGEL jährlich im Durchschnitt 61,1 Milliarden US-Dollar für Exploration aus. 

„Es ist pervers, dass Unternehmen jedes Jahr Milliarden von Dollar für die Suche nach neuen Öl- und Gasreserven ausgeben, die in der Zukunft noch mehr Klimaschäden verursachen werden. Die läppische Summe, die die Staaten dieser Welt dem ‚Loss and Damage Fonds‘ zugesagt haben, sind ein Bruchteil dessen, was Big Oil aufwendet, um alles zu verschlimmern. Regierungen müssen dafür sorgen, dass die fossilen Firmen für die Schäden aufkommen und diese Gelder für eine gerechte Transformation nutzen“, sagt Tinaye Mabara von der Agape Earth Coalition.

Kurzfristige Expansionspläne könnten die 2-Grad-Grenze sprengen

Die Exploration von heute ist die Öl- und Gasproduktion von morgen. Schon jetzt erschließen Öl- und Gasfirmen neue Felder, deren Ausbeutung sogar zu einem Temperaturanstieg von mehr als 2 Grad führen könnte.[1]GOGEL listet 578 Förderunternehmen auf, die aktuell daran arbeiten insgesamt 239,3 bboe aus bisher unerschlossenen Öl- und Gasfeldern in Produktion zu bringen.[2] 

Einige der Felder, die derzeit erschlossen werden, wie das Willow-Projekt von ConocoPhillips in Alaska mit einem Volumen von 600 Millionen Barrel, könnten noch über das Jahr 2100 hinaus Öl produzieren.[3] Auch beim Projekt Neptun Deep von OMV, OMV Petrom und Romgaz in Rumänien droht eine langfristige, massive CO2-Belastung ohne Achtung des 1,5-Grad-Limits: Das Feld könnte bis zum Jahr 2064 Gas produzieren.[4]Neptun Deep ist derzeit EU-weit eines der größten Gasförderprojekte.[5]

Die sieben Unternehmen mit den größten kurzfristigen Expansionsplänen auf GOGEL sind Saudi Aramco (19,6 bboe), QatarEnergy (17,8 bboe), ADNOC (9,5 bboe), ExxonMobil und Gazprom (beide 9,4 bboe), TotalEnergies und Petrobras (beide 8,0 bboe).

GOGEL zeigt: Fast zwei Drittel dieser kurzfristigen Expansionspläne überschreiten den Fahrplan der Internationalen Energieagentur (IEA) für Netto-Null-Emissionen bis 2050.[6] Der saudische Staatskonzern Saudi Aramco hat mit 11,6 bboe den größten Anteil kurzfristiger Expansionspläne, die über die von der IEA aufgezeigte Grenze hinausgehen. Es folgen die Unternehmen ADNOC (8,4 bboe), QatarEnergy (7,8 bboe), ExxonMobil (6,6 bboe), NIOC (5,2 bboe), Petrobras (4,7 bboe), TotalEnergies (4,5 bboe) und Shell (4,4 bboe). Wie wenig den Konzernverantwortlichen das Überschreiten dieser Klimagrenze ausmacht, offenbarte Saudi Aramcos CEO Amin Nasser erst kürzlich, als er auf einer Energiekonferenz in Houston sagte: „Wir sollten die Fantasie eines Ausstiegs aus Öl und Gas aufgeben.“[7]

Wertlose Netto-Null-Zusagen

Die Öl- und Gasindustrie transformiert sich nicht. Ganz im Gegenteil: 95 Prozent der Förderunternehmen auf GOGEL sind auf der Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern oder erschließen diese bereits. So auch die Öl- und Gasproduzenten TotalEnergies, Shell, BP, Eni, Equinor, OXY, OMV und Ecopetrol. Sie alle behaupten bis 2050 Netto-Null-Emissionen anzustreben.[8] GOGEL-Daten zeigen jedoch: Die kurzfristigen Expansionspläne jeder dieser acht Firmen überschreiten das Netto-Null-Szenario der IEA um mehr als 50 Prozent. Als wäre dies nicht genug, geben sie gemeinsam im Schnitt jährlich 8,4 Milliarden US-Dollar für die Suche nach neuem Öl und Gas aus.[9]

„Die Klimaziele dieser Unternehmen basieren auf völlig unrealistischen Prognosen für den Einsatz von CCS, der Nutzung erneuerbarer Energien für den Betrieb ihrer Öl- und Gasanlagen und auf einer Steigerung ihrer Gasproduktion. Keines davon plant, seine Produktion im ausreichenden Maß zu senken, geschweige denn seine Produktion früh genug komplett zu beenden. Es können noch so viele Erneuerbare zugebaut werden, die Welt wird die Erderwärmung nicht auf 1,5 Grad begrenzen können ohne einen schrittweisen Ausstieg aus Öl und Gas“, sagt Regine Richter, Energie- und Finanz-Campaignerin bei urgewald. 

Europa: LNG-Ausbau ohne Nachfrage

GOGEL 2024 erfasst alle Unternehmen, die aktuell neue Flüssigerdgas-Terminals (LNG-Terminals) entwickeln, und liefert Daten zu deren Ausbau von LNG-Export- und Importkapazitäten. Allein in Europa planen Unternehmen einen Ausbau von LNG-Importterminals, der die bestehenden Kapazitäten um 68 Prozent steigern würde – aktuell liegen diese in Europa bei 209 Millionen Tonnen pro Jahr (Mtpa).[10][11] 

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