Die Ideen von Jens Spahn sind realitätsfern und würden den Steuerzahler über Gebühr belasten - und das wo bis heute keine Lösung für den alten Müll gefunden ist. Das scheint in der großen Politik nicht zu interessieren.
Richtiggehend schockierend ist die Aussage im neuen Bericht des BUND mit seinen Partnern: "dass die Bundesregierung keine Gesamtschau über radioaktive Abfälle habe und auch die tatsächlichen Mängel, Komplikationen oder Pläne an den Standorten nicht erfasst seien. "
Ja wer weiß denn dann Bescheid? Jens Spahn vermutlich auch nicht.
hier FAZ Artikel von Hanna Decker 4.11.24
So realistisch sind die AKW-Pläne der Union
Anderthalb Jahre nach dem Abschalten der letzten drei deutschen Kernkraftwerke liebäugelt die Union weiter mit einer Rückkehr zur Atomkraft. Das geht aus einem Papier mit dem Titel „Neue Energie-Agenda für Deutschland“ hervor, das die CDU/CSU-Fraktion am Dienstagabend in Berlin vorstellen wollte.
Darin wird unter anderem gefordert, schnellstmöglich zu klären, „ob angesichts des jeweiligen Rückbaustadiums eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist“. Und das, obwohl Parteichef Friedrich Merz das Thema im Juni vor Branchenvertretern noch als „entschieden“ abmoderierte. „Wenn wir Industriestandort bleiben und KI-Standort werden wollen, müssen wir alle Kraftwerkskapazitäten nutzen“, sagte der stellvertretende Fraktionschef Jens Spahn der F.A.Z.
Seit dem von Union und FDP beschlossenen endgültigen Ausstieg 2011 hatte der Anteil der Atomkraft an der deutschen Stromversorgung deutlich abgenommen. 2022 hatten die verbliebenen drei Blöcke in Lingen, Neckarwestheim 2 und Isar 2 noch sechs Prozent des deutschen Stroms produziert. Inzwischen sind ihre Betreiber, RWE, EnBW und Preußen Elektra, mit dem Rückbau beschäftigt.
Doch ob ein Kernkraftrevival tatsächlich machbar wäre, ist unklar. Kritiker weisen auf die sehr hohen Investitionskosten hin, die mit einer Wiederinbetriebnahme in Deutschland verbunden wären. Die Betreiber, deren Betriebsgenehmigungen erloschen sind, haben das Thema selbst vielfach als „politisch tot“ abgetan. Auch Forscher sind skeptisch. „Ich halte diese Punkte für eine Mischung aus Illusion und Nebelkerzen-Werferei“, kritisiert Felix Matthes, Forschungskoordinator am Öko-Institut, im Gespräch mit der F.A.Z. Der von deutschen Braunkohle- und Atomkraftwerken erzeugte Strom mit seinen niedrigen Grenzkosten sei zuletzt vor allem ins Ausland exportiert worden. Das sei grundsätzlich nicht schlimm, aber in einem Stromsystem, das auf der schwankenden Erzeugung aus Wind und Sonne basiere, sei vor allem flexibel einsetzbare Kapazität gefragt: „Das eigentliche Problem sind die fehlenden Gaskraftwerke.“
Auch Antonio Hurtado, Professor für Wasserstoff- und Kernenergietechnik an der TU Dresden, hält es für schwierig, die Reaktoren zu reaktivieren, aus technischen, personellen und gesellschaftlichen Gründen sowie aus Sicherheitsüberlegungen. „Es wäre das falsche Signal für eine Technik, von der wir uns in jeder Hinsicht verabschiedet haben“, sagt er.
Sinnvoller findet Hurtado hingegen, dass sich die Unionsfraktion für Forschung und Entwicklung von Kernkraftwerken der vierten und fünften Generation (SMRs) ausspricht. Diese sollen leichter, schneller und günstiger zu bauen sein als konventionelle Reaktoren, so die Hoffnung, weil ihre Module der Idee nach in Fabriken gefertigt werden sollen statt aufwendig vor Ort. Bislang gibt es allerdings nur einige Forschungsreaktoren. Das Start-up NuScale war im vergangenen Jahr mit dem viel beachteten Bau eines Mini-Atomkraftwerks im US-amerikanischen Bundesstaat Idaho gescheitert, weil die Kosten aus dem Ruder gelaufen waren. Subventionszusagen von bis zu 1,4 Milliarden Dollar konnten das Projekt nicht retten. Google hingegen hat vor wenigen Wochen verkündet, ab 2030 Atomstrom des Unternehmens Kairos Power zu kaufen. Dieses will ein halbes Dutzend Reaktoren bauen, die mit geschmolzenen Flourid-Salzen statt mit Wasser gekühlt werden. Ähnliche Pilotprojekte sind in Ruanda und Rumänien geplant.
Hurtado sagt, SMRs seien, sobald sie zur Verfügung stünden, „inhärent sicher“. Außerdem werde an SMR-Typen geforscht, die sogar hoch radioaktiven Abfall nutzen könnten. Er erinnerte daran, dass Microsoft für seinen enormen Strombedarf einen SMR ausgerechnet auf dem Gelände des Kernkraftwerks Three Miles Island in Harrisburg (Pennsylvania) zu nutzen plane. Dort hatte sich 1979 eine partielle Kernschmelze ereignet. Der zweite, damals unbeschädigte Reaktor wurde 2019 stillgelegt. „Entscheidend ist, dass Deutschland seine Expertise für Kernkraft nicht aufgibt, sondern im Schulterschluss mit anderen Partnern weiter an dieser kohlendoxidarmen und effizienten Technik forscht“, sagt Hurtado. „Kernkraft ist eine unverzichtbare Ergänzung zu regenerativen Energien, die nicht immer zu Verfügung stehen.(genau das ist nicht wahr, da Kernkraft im Dauerbetrieb laufen muss und nicht einfach mal bei Bedarf schnell hochgefahren werden kann) Ein möglichst breites Angebot senkt die Stromkosten.“
Matthes hingegen glaubt nicht, dass die Kosten für den Bau von Atomkraftwerken durch Verkleinerung der Anlagen fallen werden. Die Idee gebe es schon sehr lange. Mit ihnen sei es „ein bisschen wie beim Wasserstoff: Es gibt unendlich viele Absichtserklärungen, aber so richtig Geld hat noch keiner in die Hand genommen.“ Und weiter: „Ich würde dem Steuerzahler nicht empfehlen, sich an diesem Realexperiment zu beteiligen.“
Noch größere Unsicherheiten sind mit einer dritten, im Unionspapier erwähnten Technik verbunden, der Kernfusion. Im Entwurf heißt es: „Der erste an das Netz angeschlossene Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen. Deswegen sprechen wir uns für die Beauftragung von zwei Fusionsreaktoren mit konkurrierender Technik durch den Bund aus.“ In Deutschland forschen an der Technik einige Start-ups, darunter Focused Energy aus Darmstadt und Marvel Fusion aus München.
Grundsätzlich möchte die Union – anders als FDP-Vorsitzender Christian Lindner – am Ziel der Klimaneutralität 2045 festhalten. Auch darüber hinaus sind von ihr wenige politische Kehrtwenden zu erwarten. Die Kosten will die Union unter anderem senken, indem lange Stromleitungen über- statt unterirdisch gebaut werden. Den Vorrang für die teuren Erdkabel hatte die Große Koalition 2015 unter dem Druck des damaligen bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) beschlossen. Zu den Ideen der Union gehört auch, das Wasserstoff-Kernnetz jenseits der bislang genehmigten gut 9000 Kilometer Leitungen zu erweitern.
hier Frankfurter Rundschau Stand:06.11.2024,Von: Joachim Wille
Brisanter Bericht: Atommüll-Lagerung in Deutschland ist chaotisch und gefährlich
Ein neuer Bericht über Atommüll in Deutschland enthüllt alarmierende Details. Die Autorinnen und Autoren sehen die Regierung in der Pflicht.
Beim Thema Atommüll wird hierzulande vor allem über Castor und Co. debattiert, also die Behälter mit stark strahlendem Abfall, der ursprünglich aus den Kernkraftwerken stammt. Es existiert jedoch noch viel mehr radioaktives Material aus Kernkraft-Nutzung, Medizin und Forschung, das beseitigt werden muss.
Erstmals Überblick über Atommüll in Deutschland: Bisher nicht erfasste Mängel sind ein Anlass
Der Bericht „Atommüll – Eine Bestandsaufnahme für die Bundesrepublik Deutschland“ erhebt den Anspruch, erstmals einen lückenlosen Überblick über die Atommüll-Lagerung in Deutschland zu geben. Dokumentiert wird darin, wo Nuklearabfall produziert wurde und wird, wo er lagert, wohin er transportiert wurde und welche Sicherheitsprobleme nach Ansicht der Autor:innen bestehen.
Der Report umfasst 468 Seiten, herausgegeben wurde er unter anderem vom Umweltverband BUND, der Organisation „ausgestrahlt“ und dem privaten Umweltinstitut München. Anlass für die Erstellung des Reports war nach Angaben der Organisationen, dass die Bundesregierung keine Gesamtschau über radioaktive Abfälle habe und auch die tatsächlichen Mängel, Komplikationen oder Pläne an den Standorten nicht erfasst seien. (wie bitte?) Es existiere bisher nur ein offizielles Abfallverzeichnis, mit dem grob abschätzen werden kann, welche Mengen wo liegen.
Atommüll-Bericht sieht Standorten mit erheblichen Sicherheitsdefiziten
Der Bericht verzeichnet bundesweit über 216 Atomanlagen an 71 Standorten, nämlich 84 aktuell in Betrieb befindliche, 56 stillgelegte und 76 bereits komplett beseitigte Anlagen. Viele dieser Standorte wiesen nach teils jahrzehntelanger Nutzung erhebliche Sicherheitsdefizite auf, heißt es darin.
Laut dem Report gibt es über 50 Standorte für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, genannt Zwischenlager, Pufferlager, Bereitstellungshalle oder Landessammelstelle. Besonders hier gebe es großen Probleme und Mängel, ebenso wie in den geplanten oder gescheiterten „Endlagerprojekten“ Schacht Konrad, Asse oder Morsleben. Die Situation sei unübersichtlich und in einigen Fällen regelrecht chaotisch, sagte die Hauptautorin des Bericht, die Politologin Ursula Schönberger.
Zustand von Atommüllfässern in Leese unklar
Als Beispiel führt der Report die Sammelstelle im niedersächsischen Leese auf, deren Mietvertrag 2030 endet. Dort gebe es sogenannte Blähfässer - Atommüllfässer, die sich ausgebeult und verformt haben. Sie seien wegen der engen Einlagerung nur schwer zugänglich, daher sei auch unbekannt, was darin genau passiert. Wegen der Probleme mit dem Endlagerprojekt Schacht Konrad für schwach- und mittelaktive Stoffe nahe Salzgitter werde ein anderes Zwischenlager für die Leese-Fässer nötig, für das aber noch keine Pläne existierten.
Als weiteres Beispiel nennt der Report die radioaktiven Abfälle des Forschungszentrums in Karlsruhe, die in großen Zwischenlagerhallen auf dem Gelände der dortigen Universität, dem KIT Campus Nord, lagern. Ursprünglich hätten die in den 2030er Jahren abtransportiert werden sollen, so Schönberger. Dann sei aber festgestellt worden, dass die Abfälle deutlich stärker kontaminierter sind als ursprünglich gedacht. Deswegen und wegen der Schacht-Konrad-Verzögerung gehe man davon aus, dass der letzte Müll aus Karlsruhe erst anno 2072 abtransportiert wird.
Müll aus der Atomkraft wird quer durch das Land geschoben – so die Kritik
Weiterer Kritikpunkt in dem Report ist die Verschiebung von Atommüll quer durch das Land, wie etwa beim geplanten Transport von 152 Castoren vom Forschungszentrum Jülich in ein Zwischenlager nach Ahaus. Der Atomexperte Helge Bauer von ausgestrahlt sagte dazu: „Das Hin-und Herschieben des Atommülls mit Transporten quer durch Deutschland ist verantwortungloses Handeln nach dem Sankt-Florians-Prinzip.“ Die Regierung müsse ein Konzept zur Atommüll-Zwischenlagerung vorlegen, bei dem die Minimierung von Gefahren für die Bevölkerung die oberste Priorität hat.
Schönberger krisierte, der jüngst vorgelegte Entwurf der Bundesregierung für das „Nationale Entsorgungsprogramm“ benenne die Probleme leider nicht konkret. „Kein Wort über rostende Fässer, kein Wort über die erheblichen Probleme bei der Stilllegung des Endlagers Morsleben und der Räumung des Endlagers Asse II. Kein einziges Wort über die Freigabe radioaktiver Abfälle in den ganz normalen Wirtschaftskreislauf.“ Mit dem Report übernehme man eine Aufgabe, die Staat und die Industrie bisher versäumt haben.
Der Report ist per E-Mai an info@atommuellreport.de bestellbar, Unkostenbeitrag 30 Euro.
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