Deutschlandfunk hier 14.11.2024
Umweltschutz - Europäischer Gerichtshof: Deutschland muss artenreiche Wiesen besser schützen
Der Europäische Gerichtshof hat Deutschland verpflichtet, bestimmte artenreiche Wiesen besser zu schützen.
Das Gericht erklärte in Luxemburg, die Bundesrepublik habe keine geeigneten Maßnahmen getroffen, um den Verlust von sogenannten mageren Flachlandmähwiesen und Bergmähwiesen zu verhindern. Deren Zahl gehe signifikant zurück, weil Deutschland keine verbindlichen Schutzmaßnahmen gegen Überdüngung und zu frühe Mahd ergriffen habe. Geklagt hatte die EU-Kommission.
Die Wiesen zählen zum europäischen Natura-2000-Netzwerk aus Schutzgebieten, das dem Erhalt der biologischen Vielfalt dienen soll.
Der Naturschutzbund Deutschland erklärte, wieder sei Deutschland vom EuGH verurteilt worden, weil es seine Schutzgebiete dramatisch vernachlässige. Die Entscheidung sei ein alarmierender Weckruf, der weit über den konkreten Fall hinausgehe.
ARD hier 14.11.24 Von Dominik Bartoschek, SWR
Zu wenig Schutz für Blumenwiesen
Wiesen sind Lebensräume für Pflanzen, Vögel und Insekten. Hierzulande wird an bestimmten Standorten jedoch zu früh gemäht und zu viel gedüngt, meint der EuGH. Aus Sicht der Richter verstößt Deutschland damit gegen EU-Recht.
So würde eine Wiese wohl im Bilderbuch aussehen: Bunte Blumen wie Wiesensalbei oder Wiesenknopf blühen um die Wette, Schmetterlinge wie der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling flattern im Wind, und über allem ist der Gesang des seltenen Wiesenpiepers zu hören.
Solche wertvollen Lebensräume gibt es an verschiedenen Standorten, um zwei davon ging es nun in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) - die "Magere Flachland-Mähwiese" und die "Berg-Mähwiese". Deren Hauptkennzeichen: magerer Boden und gemäht wird nur selten.
Zustand von Mähwiesen wird laut NABU schlechter
Doch das Bilderbuch-Idyll bröckle vielerorts, der Zustand von Mähwiesen werde schlechter, sagt Cäcilia von Hagenow, Referentin für Agrarpolitik und ländliche Räume beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). Landwirte bräuchten energiereiches Futter für eine hohe Milchleistung ihrer Kühe. "
Und genau das führt dazu, dass Grünland sehr intensiv bewirtschaftet wird, dass häufig gemäht wird und häufig gedüngt wird. Und das ist für die artenreichen Wiesen ein Problem."Die Wiesen würden nämlich verarmen und statt vieler seltener dominierten nur noch wenige Allerwelts-Futtergras-Arten. Oder Wiesen würden gleich ganz umgepflügt, um zum Beispiel Maisäcker daraus zu machen.
Darüber hatte sich der NABU bereits 2014 bei der EU-Kommission beschwert.
Die Kommission sah diesen mangelnden Wiesenschutz ebenfalls und verklagte Deutschland daraufhin vor dem EuGH.
Die Kommission sah diesen mangelnden Wiesenschutz ebenfalls und verklagte Deutschland daraufhin vor dem EuGH.
EuGH stellt Verstoß gegen Richtlinie fest
Heute dann das eindeutige Urteil aus Luxemburg: Deutschland verstößt gegen EU-Recht, genauer gegen die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Diese verlangt, dass die EU-Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass sich der Zustand wertvoller Lebensräume in sogenannten Natura-2000-Gebieten nicht verschlechtert.
Gegen diese Pflicht aber verstößt Deutschland im Fall der "Mageren Flachland-Mähwiese" und der "Berg-Mähwiese". Es gebe für sie keine Schutzmaßnahmen, stattdessen sorgten Überdüngung und zu frühes Mähen dafür, dass immer mehr dieser Lebensräume verschwinden, so die Richterinnen und Richter.
"Alarmierender Weckruf für besseren Naturschutz"
Der NABU nennt das Urteil einen "alarmierenden Weckruf für besseren Naturschutz". Cäcilia von Hagenow fordert jetzt effektive Maßnahmen zum Schutz von Wiesen, wie zum Beispiel: "Geringere Mähhäufigkeit und eine geringere Düngung. Aber dafür braucht es auch vor allem Fachpersonal in den Behörden, die mit den Landwirten das gemeinsam umsetzen und eine gewissen Aufklärungsarbeit leisten."
Von der Deutschen Umwelthilfe heißt es in einer ersten Reaktion, ein besserer Wiesenschutz diene auch als Schlüssel für Klimaanpassung und natürlichen Wasserrückhalt.
Die Konsequenz aus dem Luxemburger Urteil: Um seinen Verpflichtungen nachzukommen, muss Deutschland jetzt glaubhaft darlegen, wie es die betroffenen Wiesen künftig besser schützen will. Passiert das nicht, drohen in einem zweiten Schritt Geldstrafen.
TAZ hier 14.11.2024 Von Jost Maurin
Naturschutz für Wiesen: Sieg für Schmetterlinge vor Europäischem Gerichtshof
Naturschutz für Wiesen: Sieg für Schmetterlinge vor Europäischem Gerichtshof
Deutschland habe Wiesen mit vielen Tier- und Pflanzenarten ungenügend geschützt, so der EuGH. Naturschutzregeln für Bauern müssten verbindlich sein.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Deutschland verurteilt, weil es zu wenig zum Erhalt artenreicher Mähwiesen in Schutzgebieten getan habe. Die klagende EU-Kommission habe signifikante Flächenverluste bei den Mähwiesen im Flachland und in den Bergen „in einer erheblichen Anzahl“ von Gebieten des Natura-2000-Netzes nachgewiesen, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung.
Die Bundesrepublik verstieß demnach gegen die Habitatrichtlinie der EU, indem „sie keine rechtlich verbindlichen Schutzmaßnahmen gegen Überdüngung und zu frühe Mahd“ auf diesen Wiesen erließ. Sollte Deutschland das nun nicht ändern, drohen Geldstrafen.
Insgesamt geht es laut dem Urteil um 97.000 Hektar, das entspricht rund 2 Prozent des derzeit landwirtschaftlich genutzten Grünlands in der Bundesrepublik. Bauern erzeugen dort vor allem Raufutter wie Gras für Rinder, um Milch und Fleisch zu produzieren. Dort leben aber auch besonders viele Kräuter, blühende Pflanzen und bedrohte Tierarten, etwa die Schmetterlinge Großer Feuerfalter und Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Außerdem speichert Grünland deutlich mehr Kohlenstoff als Ackerland und trägt so zum Klimaschutz bei.
Doch allein von den beiden vom Urteil betroffenen Wiesentypen in Deutschland ging laut EU-Kommission seit 2006 rund die Hälfte der Fläche verloren. Diese Schätzung hält die Bundesregierung zwar für zu hoch, aber selbst die von ihr genannten niedrigeren Werte wären nach Meinung des EuGH zu schlecht. Unstrittig war in dem Verfahren die Ursache der Verluste: Die Wiesen werden zu viel gedüngt und zu früh gemäht.
Um das zu verhindern, seien keine speziellen Verbote notwendig, argumentierte Deutschland. Vereinbarungen mit den Bauern, Empfehlungen und unverbindliche Managementpläne würden reichen. Doch die Regierung habe nicht nachgewiesen, dass diese auch eingehalten werden, so das Gericht.
Die Kommission hatte Deutschland zudem auch vorgeworfen, keine aktualisierten Daten zu diesen Gebieten übermittelt zu haben. Dazu seien die Mitgliedsstaaten jedoch nicht verpflichtet, entschied der EuGH. Die deutschen Behörden hätten die Wiesen allerdings auch nicht genügend überwacht.
Der Naturschutzbund (Nabu), der das Verfahren durch eine Beschwerde bei der EU-Kommission ins Rollen gebracht hatte, fordert jetzt „einen durch den Bund koordinierten Aktionsplan Schutzgebiete mit verbindlichen und spezifischen Zielen und Maßnahmen für alle Natura 2000-Gebiete“. Das dafür nötige Geld müssten Bund und Länder bereitstellen. Die EU-Agrarsubventionen sollten genutzt werden, um Landwirte attraktiv dafür zu honorieren, das sie die Wiesen schützen.
Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger bezeichnete das Urteil als „Weckruf für den Naturschutz hierzulande, der weit über den konkreten Fall hinausgeht“. Denn laut Nabu könne die Gerichtsentscheidung auf andere Lebensraumtypen übertragen werden. Krüger wies darauf hin, dass der EuGH Deutschland bereits im September 2023 wegen Verstößen gegen EU-Recht in Schutzgebieten verurteilt hatte.
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