hier Handelsblatt Artikel von Firlus, Thorsten • 28.11.24
Immobilien: „Es braucht attraktive Alternativen zum Einfamilienhaus“Barbara Steiner, Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, spricht bei einem Interview. Dabei wurde die Vorhaben der Stiftung für 2023 erläutert.
Warum sind neue Wohngebiete eigentlich immer so hässlich? Barbara Steiner, Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, hat eine Erklärung – und Ideen für die Zukunft des Wohnungsbaus.
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Ist dieser Trend für Sie ein Problem?
Zunehmende Bodenversiegelung, wuchernde Einfamilienhausgebiete und wenig nachhaltig errichtete Gebäude sind das Problem. Diese Gebäude wirken zwar äußerlich hochwertig, viele Materialien sind jedoch von minderer Qualität und lassen sich kaum wiederverwenden. Die Häuser lassen sich auch schwer neuen Nutzungen anpassen. Unser moderner Lebensstil hat leider eine Vielzahl von Schattenseiten, die zunehmend zutage treten. Solche Siedlungen sind ökologisch einfach nicht sinnvoll. Sie bieten auch in sozialer Hinsicht keine Perspektive, wenn Infrastrukturen fehlen und Menschen allein in viel zu großen Häusern leben. Auch in sozialer Hinsicht gilt es, neue Wohnformen zu finden.
Was könnte man gegen diese Gleichförmigkeit tun?
Es braucht eine andere Qualität des Bauens. Die Gebäude müssen räumlich und funktional veränderbar sein. Wollen wir künftig mehr bauen im Bestand, braucht es eine andere Planung, ein Denken in Kreisläufen, langlebige Materialien, soziale Durchmischung und Gemeinschaftsräume. Damit würde auch die Einförmigkeit der Siedlungsgebiete verschwinden. Kommen Investoren ins Spiel, steht leider oft die Rendite im Vordergrund, doch es wäre eine Chance, lebendigere und ökologisch verträglichere Viertel zu schaffen, wenn man den Fokus auf soziales Miteinander und nachhaltiges Bauen legt.
Sie haben bereits das Thema Materialien angesprochen. Welche Rolle spielen diese, wenn es um die Qualität des Bauens geht?
Eine große Rolle. Eines der Probleme ist, dass die Langlebigkeit vieler moderner Materialien nicht gegeben ist. Früher konnte etwa Lehmmörtel vom Ziegel geklopft werden, heute haben wir es mit Verbundstoffen zu tun, die sich nicht mehr trennen lassen und entsprechend schwer wiederverwendbar beziehungsweis zu recyceln sind. Letzteres ist allerdings sehr energieintensiv, sollte also in einer Nachhaltigkeitskaskade ganz zum Schluss kommen. Ein weiterer Faktor ist, dass moderne Einfamilienhäuser oft zu groß geplant werden. Wir könnten mit weniger Quadratmetern pro Person auskommen und dafür hochwertigere Materialien verwenden. Meist werden ökonomische Argumente schlagend, warum sich das Bauen nicht verändern kann – es sei zu teuer. Rechnet man alle Faktoren hinein und denkt in langfristigen Zyklen, zeigt sich, dass dem nicht so ist.
Sie haben erwähnt, dass viele sich eher als Individualisten sehen, auch wenn sie ähnliche Häuser bauen. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?
Für den Einzelnen ist sein Haus durchaus individueller Ausdruck seiner Vorstellungen, egal wie einheitlich und monoton das Haus für Außenstehende im Siedlungskontext aussehen mag. Dies zeigt, wie sehr wir alle vom jeweiligen Zeitgeist geprägt sind. Mit einem gewissen zeitlichen Abstand kann man Siedlungen sehr gut zeitlich zu- und einordnen. Es ist wichtig, dass Architekten und Planer hier Alternativen bieten, um den berechtigten Wunsch nach Individualität und Zugehörigkeit zu erfüllen und gleichzeitig alternative Wege des Bauens und Wohnens aufzeigen.
Welchen Ratschlag würden Sie Menschen geben, die ein Haus bauen möchten?
Mein Rat wäre, sich nicht ausschließlich an momentanen Trends zu orientieren. Ein Haus ist eine langfristige Investition. Qualität in der Materialwahl ist wichtig, ebenso wie die Anpassbarkeit des Hauses an zukünftige Lebensumstände. Lieber eine kleinere Wohnfläche planen, die erweiterbar sowie verkleinerbar ist. Ein Haus zu bauen bedeutet nicht nur, sich die eigenen Bedürfnisse bewusst zu machen, sondern auch, seine Verantwortung gegenüber Umwelt, Gemeinschaft und nachfolgende Generationen zu bedenken.
Das Einfamilienhaus hat gesellschaftlich an Bedeutung gewonnen. Dass sich immer weniger eines leisten können, beeinflusst die Politik. Wie beurteilen Sie das?
Der Wunsch nach einem Leben im Einfamilienhaus ist stark verankert. Früher konnten sich auch nicht alle Menschen ein solches Haus leisten. Man sparte über viele Jahrzehnte, übte Verzicht, baute vieles selbst oder mit der Hilfe von Nachbarn. Der Wohnraum war auch knapper bemessen. Der soziale Wohnungsbau spielte darüber hinaus eine wichtige Rolle, bis dieser seit der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit 1990 zurückgedrängt wurde. Andere Wohn- und Eigentumsformen sind weniger populär, also genossenschaftliche oder soziokratische Organisationsformen. Dabei wäre auch hier genügend Raum für eigene Vorstellungen gegeben. Es wäre also sinnvoll, Alternativen zu suchen und die Attraktivität gemeinschaftlicher Wohnformen zu erhöhen.
Glauben Sie, dass sich der Trend zum Einfamilienhaus wieder zurückentwickeln könnte?
Das könnte geschehen, wenn sich ein gesellschaftlicher Bewusstseinswandel vollzieht. Wenn Menschen andere Wohnformen als erstrebenswerter betrachten, sind Änderungen in den Einstellungen möglich. Gerade wenn Menschen älter werden und feststellen, dass ein großer Garten und lange Wege zum Einkauf weniger praktisch sind, könnte die Attraktivität dieser Siedlungsgebiete sinken. Fest steht: Es braucht attraktive, gleichwertige Alternativen zum Einfamilienhaus, die die Bedürfnisse und Träume der Menschen ernst nehmen. Sie werden keine Entscheidungen gegen die Wünsche und Träume der Menschen treffen können, und dies wäre auch nicht ratsam.
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