Sonntag, 24. November 2024

"Wir glauben nicht, dass dies ein Zufall ist, und es könnte ein Vorbote dessen sein, was noch kommen wird."

Standard aus Österreich  hier  Klaus Taschwer  20. November 2024

Süßwasservorräte der Erde sind 2014 rapide geschrumpft – bis heute

Besorgniserregend: Satellitendaten zeigen, dass die Menge des an Land gespeicherten Süßwassers um rund 1200 Kubikkilometer zurückging. Das ist das 24-fache Volumen des Bodensees

Bei der Trinkwasserversorgung steht Österreich im internationalen Vergleich sehr gut da. Wie es mit der mittelfristigen Versorgungssicherheit aussieht, ist aber nicht ganz so klar. Denn in den vergangenen Jahren gab es auch hierzulande eine kleine Krise: Die trockene Witterung 2021 und 2022 hat zu sehr niedrigen Grundwasserständen geführt, die aber mittlerweile wieder überwunden sind.

In globaler Hinsicht wartet die Wissenschaft nun mit einer Hiobsbotschaft auf: Der Vorrat an Süßwasser ist vor zehn Jahren abrupt abgesunken. Und wie deutsche und US-amerikanische Satellitendaten zeigen, hat er sich seit 2014 nicht erholt. Wie Forschende um Matthew Rodell in der Zeitschrift Surveys in Geophysics berichten, könnte diese Krise darauf hindeuten, dass Landmassen der Erde in eine anhaltend trockene Phase eingetreten sind.

Von 2015 bis 2023 zeigten Satellitenmessungen, dass die durchschnittliche Menge des an Land gespeicherten Süßwassers – dazu gehört flüssiges Oberflächenwasser wie Seen und Flüsse sowie Wasser in unterirdischen Grundwasserleitern – um 1200 Kubikkilometer geringer war als die durchschnittlichen Werte von 2002 bis 2014. Zum Vergleich: Der Bodensee fasst rund 50 Kubikkilometer, das sind nur vier Prozent dieser doch recht ansehnlichen Menge, die seit 2014 fehlen.

Es begann mit El Niño
Der in der neuen Studie beschriebene Rückgang des globalen Süßwassers begann mit einer massiven Dürre in Nord- und Zentralbrasilien und wurde kurz darauf von einer Reihe größerer Dürren in Australasien, Südamerika, Nordamerika, Europa und Afrika abgelöst. Wärmere Ozeantemperaturen im tropischen Pazifik von Ende 2014 bis 2016, die in einem der bedeutendsten El-Niño-Ereignisse seit 1950 gipfelten, führten zu Verschiebungen der atmosphärischen Jetstreams, die Wetter- und Niederschlagsmuster auf der ganzen Welt veränderten. Doch auch nach dem Abklingen von El Niño erholte sich das globale Süßwasser nicht. Rodell und sein Team berichten, dass 13 der 30 intensivsten Dürreperioden, die Grace-Satelliten weltweit beobachtet haben, seit Jänner 2015 aufgetreten sind.

Das internationale Team identifizierte diesen abrupten, globalen Rückgang des Süßwassers anhand von Beobachtungen der Grace-Satelliten (Gravity Recovery and Climate Experiment), die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dem Deutschen Geoforschungszentrum und der Nasa betrieben werden. Die Grace-Satelliten messen Schwankungen der Erdanziehungskraft auf monatlicher Basis, die Veränderungen der Wassermassen auf und unter dem Boden aufzeigen. Die ursprünglichen Grace-Satelliten flogen von März 2002 bis Oktober 2017. Die Nachfolgesatelliten Grace-Follow On starteten im Mai 2018.

Erderwärmung als Ursache?
Was aber sind die Gründe für diese Dürreperioden und den Süßwasserverlust? Eigentlich hält der Kreislauf von Verdunstung und Niederschlag den Wasserkreislauf im Lot. Die Forschenden vermuten, dass die globale Erwärmung zu der anhaltenden Süßwasserknappheit beitragen dürfte. Die globale Erwärmung führt dazu, dass die Atmosphäre mehr Wasserdampf speichert, was zu extremeren Niederschlägen führt, sagte der Nasa-Goddard-Meteorologe Michael Bosilovich in einer Presseaussendung.

Die jährlichen Regen- und Schneemengen ändern sich zwar nicht dramatisch, aber lange Zeiträume zwischen intensiven Niederschlagsereignissen lassen den Boden austrocknen und verdichten ihn. Dadurch verringert sich die Wassermenge, die der Boden bei Regen aufnehmen kann. Auch die Versiegelung der Böden trägt eher nicht zur Entspannung der Lage bei.

"Das Problem bei extremen Niederschlägen", so Bosilovich, besteht darin, dass das Wasser abfließt, anstatt in die Grundwasserspeicher einzudringen und diese wieder aufzufüllen. Weltweit sind die Süßwasserspiegel seit dem El Niño 2014 bis 2016 konstant niedrig geblieben, während mehr Wasser in der Atmosphäre als Wasserdampf eingeschlossen bleibt. "Die Erwärmung der Temperaturen erhöht sowohl die Verdunstung von Wasser von der Oberfläche in die Atmosphäre als auch die Wasserspeicherkapazität der Atmosphäre, wodurch die Häufigkeit und Intensität von Dürreperioden zunimmt", sagt der Forscher.

Dürre Karte
Diese Karte zeigt die Jahre, in denen die terrestrische Wasserspeicherung in der jeweiligen Region in den vergangenen 22 Jahren das Minimum erreichte. 

Für einen beträchtlichen Teil der globalen Landoberfläche war das in den neun Jahren seit 2015, die auch die neun wärmsten Jahre in der modernen Temperaturaufzeichnung sind.
Nasa Earth Observatory/Wanmei Liang mit Daten von Mary Michael O'Neill


Obwohl es gute Gründe dafür gibt, dass der abrupte Rückgang des Süßwassers weitgehend auf die globale Erwärmung zurückzuführen ist, ist es nicht ganz einfach, einen eindeutigen Zusammenhang herzustellen, sagte Susanna Werth, Hydrologin und Fernerkundungswissenschafterin an der Virginia Tech, die nicht an der Studie beteiligt war. "Klimavorhersagen sind mit Unsicherheiten behaftet", so Werth. "Messungen und Modelle sind immer mit Fehlern behaftet."

Es bleibt abzuwarten, ob das globale Süßwasser wieder auf die Werte von vor 2015 ansteigt, sich stabilisiert oder weiter zurückgeht. In Anbetracht der Tatsache, dass die neun wärmsten Jahre in der modernen Temperaturaufzeichnung mit dem abrupten Rückgang des Süßwassers zusammenfielen, hat Rodell gewisse Zweifel: "Wir glauben nicht, dass dies ein Zufall ist, und es könnte ein Vorbote dessen sein, was noch kommen wird." 

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