hier RND - RedakationsNetzwerk Deutschland /Frank-Thomas Wenzel, Johanna Apel / 18.11.24
Batterie-Revolution: Was Strompreise drückt und Autofahrer zu Energiehändlern macht
Die Einlösung eines Versprechens rückt näher: Die Energiewende macht aus Kunden Prosumer – also Produzenten oder Zwischenhändler sowie Konsumenten von Ökostrom in einem.
Möglich wird das laut einer aktuellen Studie der renommierten Fraunhofer-Forschungsinstitute ISI und ISE im Auftrag der Denkfabrik Transport & Environment in dem Moment, in dem batterieelektrische Autos als Stromspeicher eingesetzt werden dürfen. Nicht nur Besitzer von Elektrofahrzeugen würden davon profitieren, sondern alle Stromkunden, denn die Speicher entlasten die Netze und drücken damit die Kosten.Bei neuen Photovoltaikanlagen auf Hausdächern sind Batterien bereits ein obligatorisches Accessoire, um den Eigenverbrauch der Bewohner zu erhöhen. Die installierte Kapazität liegt laut Sonnenstromverband BSW Solar aktuell bereits bei 10,4 Millionen Kilowattstunden (kWh). Damit können rund 2000 Durchschnittsfamilien ein Jahr lang versorgt werden. Tendenz stark steigend.
Solarstrom für geparkte Autos
Ganz bald kommt Vehicle-to-Grid (V2G) dazu: Die geparkten Autos sollen Strom am besten immer dann absaugen, wenn er in rauen Mengen anfällt. Und sie sollen ihn dann abgeben, wenn er rar ist. Die elektrische Energie kommt dabei entweder von der Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach oder, wenn die nicht vorhanden ist oder nicht ausreicht, über das Netz von einem Solarpark.
Autos als Stromlieferanten
V2G liegt nahe: Die Erzeugung von Sonnenstrom schwankt gewaltig. Die Gefahr einer Überlastung der Netze wächst. Dieses Problem wird weiter wachsen. Eine große E‑Auto-Flotte kann die Netzte zusätzlich beanspruchen, sie kann aber auch Teil der Lösung des Problems sein, glauben die Fraunhofer-Forscher. Laut ihren Hochrechnungen ergeben sich potenzielle Stromkostensenkungen für eine Durchschnittsfamilie von rund 720 Euro im Jahr – wohlgemerkt im Vergleich zu einem Haushalt, der „nur“ PV auf dem Dach hat und auf das bidirektionale Laden des E‑Mobils verzichtet.
Das deutsche Energiesystem könnte gleich um mehrere Milliarden Euro entlastet werden.
Die Technik ist ausgereift, steht aber noch am Anfang. Derzeit beherrschen erst 33 E‑Modelle das Laden in zwei Richtungen, aber ihre Zahl steigt. Auch der ADAC betont auf seiner Website: „Die Technik für das bidirektionale Laden ist bereits da.“
Damit sie auch reibungslos funktioniere, müssten viele Rädchen ineinandergreifen.
- So bedürfe es eines „intelligenten Energiemanagements“, das die flexiblen Strompreise nutzt, die vom neuen Jahr an jeder Versorger anbieten muss: Die Software entscheidet, wann das Auto bereitwillig Energie abgibt und wann sie in die Batterie gepumpt wird.
- Ferner habe der Gesetzgeber „noch einiges zu tun“, so der ADAC. Weil unter anderem derzeit für den Strom noch zweimal Steuern gezahlt werden müssen: wenn er ins Netz eingespeist und wenn er wieder entnommen wird.
Mit den Auto-Akkus technisch verwandt, aber mit mehr Kapazität ausgestattet sind Großspeicher: Batterien mit mindestens 1000 Kilowattstunden. Immer häufiger sind sie neben Solarparks zu sehen. Aber auch in Unternehmen werden sie eingesetzt. Der Solarverband BSW hat gerade eine Studie vorgelegt, wonach sich deren Kapazität rasant vervielfachen wird: Von aktuell 1,8 Millionen kWh auf bundesweit sieben Millionen kWh im Jahr 2026.
Geschäfte mit Preisdifferenzen
Bernhard Strohmayer vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) hält diese Schätzungen sogar für eine Untertreibung: „Bei Großspeichern und Gewerbespeichern beginnt jetzt gerade der Ausbau mit einer Geschwindigkeit, die eine höhere Dynamik haben wird als der ohnehin schon dynamische Photovoltaikausbau“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Das Akkumulieren ist lukrativ, weil einerseits die Batterien deutlich billiger geworden sind. Und andererseits wegen der „Spreads“: Immer mehr Erneuerbare mit immer stärker schwankendem Output ziehen die Preisdifferenzen am Strommarkt extrem weit auseinander. Unternehmen, die bereits flexible Strompreise haben, nutzen dies, um günstigen Strom zu bunkern und ihn dann einzusetzen, wenn die Energie teuer ist. Erzeuger von erneuerbaren Energien setzen die Akkus ein, um ihr Einspeiseverhalten zu optimieren. Das bringt den Betreibern Geld und stabilisiert das Netz.
Klare Regeln für Netzanschlüsse
Strohmayer geht davon aus, dass Speicher zu einem wichtigen Akteur auf dem Energiemarkt werden, was „die energiewirtschaftlichen Szenarien aber nicht abbilden“. Das bedeute, eine „förderfreie Kraftwerkstechnologie“ zu ignorieren. Dabei seien massive Auswirkungen des Speicher-Booms auf den geplanten Ausbau von Gaskraftwerken die Folge: „Wir werden weniger davon brauchen, als derzeit diskutiert wird.“ Und damit könnten milliardenschwere Investitionen überflüssig werden, die letztlich von den Stromkunden finanziert werden.
Allerdings müssen dafür auch die örtlichen Netzbetreiber mitspielen. Immer wieder gibt es Probleme bei der Frage, wie der Netzanschluss konfiguriert sein muss. Das kann ein Speicherprojekt erheblich verteuern, etwa wenn ein Netzbetreiber deftige Baukostenzuschüsse fürs Legen der Leitung verlangt. „Hier muss die Bundesnetzagentur klare Regeln vorgeben“, fordert Strohmayer.
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