Dienstag, 19. November 2024

Geht doch – Klimaschutz kann auch funktionieren.

 Zeit hier  Von Elena Erdmann, Baku  17. November 2024,

Klimawandel: Diese Länder sind Klimavorbilder


Das heißeste Jahr aller Zeiten – und Argentinien und die USA verlassen das Pariser Abkommen. Keine Hoffnung mehr fürs Klima? Doch! Fünf Orte, an denen vieles gut läuft

Wirtschaftskrisen, Kriege, Nationalismus – der Klimaschutz scheint in der internationalen Politik zunehmend unwichtig. Treten nun noch die USA als größte Volkswirtschaft mit den historisch höchsten Emissionen unter Donald Trump aus dem Pariser Abkommen aus, bliebe eine große Lücke. Wer könnte sie füllen? Auch wenn kein einziges Land beim Klimaschutz alles richtig macht, gibt es doch viele Länder, bei denen zumindest so manches echt gut läuft. Fünf Beispiele

Großbritannien: Das geht in Richtung 1,5 Grad
Alle fünf Jahre sollen die Staaten ein neues Klimaziel einreichen – so sieht es der zentrale Mechanismus des Pariser Klimaabkommens vor. Ende Februar ist es wieder so weit. Einige Staaten sind schon jetzt mit gutem Beispiel vorangegangen, darunter auch das Vereinigte Königreich. Bis 2035 wollen sie ihre Emissionen um 81 Prozent gegenüber 1990 senken.  

Das ist nicht nur deshalb ein starkes Signal für die neue Runde der Klimaziele, weil es so früh kommt. Sondern auch, weil es tatsächlich ein ziemlich ehrgeiziges Ziel ist. "Damit haben sie das Mindestmaß erreicht, ab dem wir es als 1,5-Grad kompatibel bewerten könnten", sagt Niklas Höhne vom NewClimate Institute, der mit dem Climate Action Tracker die Klimaziele verschiedener Länder analysiert. "Allerdings nur, wenn sie dazu auch genug Geld für die Klimafinanzierung bereitstellen." Dabei hapert es in den Verhandlungen jedoch. Und bisher haben sie nur eine Zahl genannt, offiziell eingereicht und komplett ausbuchstabiert ist dieser sogenannte NDC noch nicht. 

Dass solche Einsparungen bis 2035 überhaupt möglich scheinen, liegt laut Höhne daran, dass das UK bei der Energiewende einen langen Atem bewiesen hat – ähnlich wie viele skandinavische Länder oder auch die Niederlande. Im September wurde in Ratcliffe-on-Soar das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet. Öl und Gas werden im Vereinigten Königreich allerdings immer noch gefördert.  

Das zu beenden, ist nun die Aufgabe des neuen Premierministers Keir Starmer, der seit Juli im Amt ist. "Die neue Regierung kam mit der Botschaft, dass sie wieder eine führende Rolle beim Klimaschutz spielen wollen", sagt Chiara Liguori von Oxfam Großbritannien. Eine ihrer ersten Amtshandlungen sei es gewesen, den vorher geltenden Bann auf Onshore-Windkraftanlagen zu beenden. Das und der neue NDC seien gute Zeichen, sagt Liguori. "Ob und wie sie das dann konkret umsetzen, werden wir aber noch sehen." 

Kolumbien: Ausstieg aus der fossilen Energie, auch wenn es wehtut
Kolumbien hat genau das beschlossen, was überall auf der Welt nötig wäre, um den Klimawandel zu bremsen: den Ausstieg aus der fossilen Energie. Ende 2022 verkündete die neue Regierung unter Präsident Gustavo Petro, keine neuen Verträge für Öl- und Gasförderung mehr abzuschließen. Das ist nicht nur deshalb bemerkenswert, weil Kolumbien anders als etwa Deutschland nicht zu den reichsten Ländern gehört. Sondern auch deshalb, weil Kolumbiens Wirtschaft genau von diesen fossilen Energiequellen abhängt. 

Doch so gut und richtig die Entscheidung vor der Bedrohung des Klimawandels auch sein mag: Für Kolumbien selbst hatte sie ernsthafte Konsequenzen. Im Kreditrating wurde Kolumbien herabgestuft. Jetzt müssten eigentlich überall im Land die Erneuerbaren ausgebaut werden – aber das ist nun noch mal teuer geworden.  

Das Beispiel zeigt, wie schwer es ist, konsequenten Klimaschutz tatsächlich umzusetzen, gerade für ärmere Länder. "Man kann sich von einer Regierung nicht mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz wünschen", sagt Gustavo de Vivero vom NewClimate Institute. "Aber das ist wahrscheinlich der Fluch der Länder im Globalen Süden: Ehrgeiz alleine reicht lange nicht aus." 

Trotzdem hat die Regierung unter Petro nicht aufgegeben, sich auch international für Klimaschutz einzusetzen. Bei den Klimakonferenzen ist Kolumbien ein wichtiger Fürsprecher für die Minderung von Emissionen. Und es setzt sich dafür ein, das globale Finanzsystem zu überdenken, damit Länder im Globalen Süden nicht mehr durch hohe Zinssätze zusätzlich belastet werden. Bei der COP in Baku ist Präsident Petro allerdings verhindert – wegen verheerenden Überschwemmungen an Kolumbiens Pazifikküste. 

China: Erwartungen klein halten und dann überraschen
Die meisten Länder machen große Versprechungen – und halten sich am Ende doch nicht dran. China macht es andersherum. Frei nach dem Motto: Bloß nicht zu viel versprechen und dann abliefern – und zwar mehr, als irgend jemand erwartet. Klar, bei den Klimazielen, die China sich gesetzt hat, ist noch viel Luft nach oben. Aber das Land hat es in kürzester Zeit geschafft, zum Weltmarktführer für erneuerbare Energien zu werden. Zwei Drittel aller Wind- und Solarkraftanlagen weltweit kommen heute aus China. Und auch bei Elektroautos ist China mittlerweile führend. "Dass die Erneuerbaren heute so günstig sind und deshalb so schnell ausgebaut werden, ist größtenteils China zuzuschreiben", sagt David Ryfisch von Germanwatch. 

Gerade deshalb ist aber auch Chinas Rolle auf der Klimakonferenz besonders interessant. Denn das Land hat sich in der Vergangenheit oft stark eingebracht – aber dabei auch regelmäßig Klimaschutz blockiert. Und meistens stand China in direkter Konkurrenz mit den USA. "Jetzt ist die große Frage: Was macht China?", sagt Ryfisch. Zwei Möglichkeiten gäbe es: Entweder, China fülle die Lücke, die die USA hinterlassen, und werde nun zu einer treibenden Kraft. Oder aber, sie würden jetzt, wo der Druck durch die USA fehlt, selbst weniger machen. 

Zumindest auf einem Gebiet hat sich China in diesem Jahr schon bewegt: bei der Klimafinanzierung. Eine der wichtigsten Positionen der deutschen und europäischen Verhandler ist es, dass dabei auch andere Länder als die klassischen Industriestaaten einzahlen. Gerade auch China, das Land, das mittlerweile die höchsten jährlichen Emissionen verursacht. Bei der Klimafinanzierung hat es bislang immer geschwiegen, auch wenn China im Hintergrund durchaus im Ausland investiert. 

Nun nannte die Delegation das erste Mal eine Zahl – 24,5 Milliarden Dollar habe es seit 2016 bereits für Klimaschutz im Globalen Süden bezahlt. Ein erster Schritt in Richtung Transparenz – und damit auch ein Hinweis, dass China durchaus bereit sein könnte, ein Stück weit Verantwortung zu übernehmen.

Kenia: "Alle reden vom Ausstieg aus den Fossilen, wir haben das schon geschafft"
Bei der Energiewende denkt wohl kaum jemand zuerst an Kenia. Dabei stammen dort rund 90 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien. "Alle reden davon, aus den Fossilen auszusteigen", sagt Vivienne Kigondu von der Friedrich-Ebert-Stiftung Kenia. "Wir haben das schon längst geschafft." 

Das liegt daran, dass Kenia für Erneuerbare gute Voraussetzungen mitbringt. Ob Wasserkraft, Geothermie, Sonne oder Wind: Alles lässt sich dort gut verwerten. Dazu muss man allerdings auch sagen: Das Problem in Kenia ist nicht der Strom, sondern die Stromnetze. Gerade auf dem Land leben viele Menschen in Armut und ohne Zugang zu Strom. Und verwenden deshalb doch Energie aus klimaschädlichen Quellen: etwa in Form von Holz oder Kohle. Immer häufiger würde man dort jedoch auch kleine Solarmodule sehen, sagt Kigondu, etwa auf der Rückseite eines Handys. 

Trotzdem zeigt Kenia, dass es möglich ist, dass Länder im Globalen Süden das fossile Zeitalter größtenteils überspringen. Denn brauchen tut Kenia die Fossilen nicht. Trotzdem plant die Regierung nun, Kohle zu fördern. Zuerst ging es um ein Kohlekraftwerk: die Lamu Coal Power Plant. Als das Kraftwerk gebaut wurde, gab es Protest. Dann stoppte 2019 ein Gericht das Projekt: Weil die Erneuerbaren längst zur Versorgung reichen würden. Stattdessen plant die Regierung heute in Kitui, Kohle zu fördern. Auch dagegen wird demonstriert – doch dass die Proteste noch einmal erfolgreich sind, scheint unwahrscheinlich. 

Das zeigt aber auch: Kenia hat eine sehr aktive Zivilgesellschaft, die sich stark für Klimaschutz einsetzt. Nicht zuletzt deshalb, weil das Land selbst erheblich von den Folgen des Klimawandels betroffen ist, gerade durch Dürren und Überschwemmungen. "In jedem Raum hier auf der COP findet man jemanden aus Kenia", sagt Kigondo.  

Brasilien: Schluss mit den Klimakonferenzen in Ölstaaten
Erst Dubai, dann Baku: Zwei Jahre hintereinander fand die Klimakonferenz in autoritären Ölstaaten statt. Umso größer ist deswegen die Hoffnung auf den Gastgeber im nächsten Jahr: Brasilien. Schon seit über einem Jahr bereitet sich Brasilien auf den Gipfel in der Amazonasstadt Belém vor.  

Allerdings ist Brasilien beim Klimaschutz sehr ambivalent. Das Land ist einer der größten Erdölproduzenten der Welt und hat eine sehr aggressive Agrarindustrie, die etwa für den Anbau von Soja als Tierfutter große Flächen Regenwald abholzt. Unter Präsident Lula ist die Entwaldung zwar zurückgegangen – aber um zu verhindern, dass der Amazonas zur Steppe wird, müsste sie eigentlich längst bei null sein. Und Klimaschützer, die sich gegen die Abholzung einsetzen, leben in Brasilien noch immer gefährlich. 

Trotzdem: "Brasilien bringt einen positiven Spirit in die Verhandlungen und treibt sie sehr konstruktiv voran", sagt die Klimareferentin Anika Schroeder von Misereor, die schon jetzt die COP in Belém vorbereitet. Wie Großbritannien hat auch Brasilien bereits ein neues Klimaziel vorgelegt. Und die brasilianische Zivilgesellschaft, die unter dem ehemaligen Präsidenten Bolsonaro stark unterdrückt wurde, ist bei den aktuellen Verhandlungen sehr präsent.  

Damit stehen die Vorzeichen gut, dass es auf der nächsten Klimakonferenz in vielen Bereichen Fortschritte geben könnte. Etwa bei den Themen Entwaldung und Landwirtschaft. Die brasilianische Delegation plant, das Thema Hunger in den Vordergrund zu rücken, um so Klimaschutz voranzutreiben und gleichzeitig die Bevölkerung mitzunehmen. Und noch etwas setzt Brasilien auf die Agenda: eine globale Milliardärsteuer. 

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