Samstag, 9. November 2024

Darum soll der Textilmüll nun vermieden, mehr recycelt werden

 hier  Frankfurter Rundschau  Artikel von Hanna Gersmann 8.11.24

Die Tonne ist künftig tabu – was die neuen EU-Vorgaben für alte Textilien bedeuten

Ab 2025 dürfen alte Textilien nicht mehr einfach so in den Müll. Damit werden EU-Vorgaben umgesetzt. Die FR erklärt, was sich genau ändert.

Die alte Klamotte, löchrig und ausgeleiert. Ach, ab in die graue Mülltonne! Stopp. Das ist ab Januar nicht mehr erlaubt. Die Europäische Union hat neue Vorgaben für alte Textilien gestrickt. Denn Durchschnitts-Europäer:innen kaufen jedes Jahr fast 26 Kilogramm Textilien und werfen etwa elf Kilogramm davon weg. Die werden derzeit zu knapp 90 Prozent deponiert oder verbrannt. Dabei steckt in der Kleidung viel Aufwand. Die Europäische Umweltagentur schätzt zum Beispiel, dass allein die Herstellung eines Baumwoll-T-Shirts etwa 2700 Liter Wasser braucht.

Darum soll der Textilmüll nun vermieden, mehr recycelt werden. Was heißt das genau für Konsument:innen hierzulande? Die Frankfurter Rundschau beantwortet entscheidende Fragen.

Wohin mit der kaputten Socke?

„Alle Kleider, die kaputt sind, können Sie bisher in die graue Restmülltonne werfen. Das ändert sich ab dem kommenden Jahr“, sagt Philip Heldt, Experte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Dann gehörten alle Textilien in den Altkleidercontainer, selbst wenn sie nicht mehr tragbar sind, weil etwa Motten Löcher reingefressen haben.

Was ändert sich ab 2025 genau?

Europaweit müssen dann Alttextilien gesammelt werden. Dazu gehören neben ausrangierten Kleidungstücken auch Bettwäsche, Handtücher, Vorhänge, andere Gebrauchstextilien. Sie sollen nicht einfach auf den Müll und dann verbrannt, sondern weiter genutzt oder recycelt werden. „Denn die Bekleidungsindustrie“, erklärt Heldt, „gilt als einer der größten Umwelt- und Klimasünder. Sie verursacht mehr Treibhausgase als alle internationalen Flüge und Schiffe zusammen.“ Deutschland allerdings habe bereits ein gutes Sammelsystem. Heldt: „Jeder findet heute schon in seiner Nähe einen Altkleidercontainer. Und sie sind auch in Zukunft ausreichend.“

Muss eine Strafe fürchten, wer die alte Kleidung in die graue Tonne zu Hause stopft?

In Deutschland besteht schon heute formell eine Pflicht zur Trennung von Abfällen. „Landet in der Bio-Tonne zum Beispiel Plastikmüll, kann es sein, dass die Müllabfuhr die Tonne stehen lässt. Mehr droht bisher nicht. Das wird bei alten Klamotten genauso werden“, sagt der Verbraucherschützer. Zumal sich im Hinterhof eines mehrgeschossigen Wohnhauses auch gar nicht rausfinden lasse, wer da geschludert hat.

Wo landen die alten Textilien?

In Deutschland kommen heute viel mehr ausrangierte T-Shirts, Hosen, Pullis zusammen als früher. Die guten Stücke werden nach wie vor aussortiert, dann an soziale Einrichtungen weitergegeben, aber vor allem an Profi-Verwerter verkauft. Nur: Mittlerweile sei das Gros gar nicht mehr tragbar, sagt Heldt. „Die Qualität ist zu schlecht, ja, billig.“ Die Nähte rissen schnell, die Stoffe seien fuddelig. Denn im Trend lägen Klamotten, die für wenige Euro gekauft auch nur wenige Male, womöglich nicht mal eine Saison lang getragen würden. Eigentlich gehörten sie ins Recycling, um aus alten neue Kleider zu machen. Aber das klappe bisher nur selten.

Wieso hakt das Recycling?

„Die Technik ist da“, erklärt Heldt, „Textilabfälle werden nach Farbe und Material sortiert, dann zerrissen und zermahlen, dieses mechanische Recycling funktioniert auch im industriellen Maßstab.“ Das Problem: Mit der schnellen Billig-Mode, der sogenannten Fast-Fashion, nimmt auch der Polyesteranteil in der Kleidung zu. Polyester basiert auf Erdöl. Das ist vergleichsweise günstig. Also wird zum Beispiel die teurere Baumwolle oft ersetzt. Die Gemische aus Natur- und Chemiefasern lassen sich aber nicht trennen, sind darum kaum zu recyceln und werden zumeist verbrannt.

Wann werden aus alten Kleidern neue?

Derzeit würden neue Recyclingverfahren entwickelt, sagt Heldt. Darüber hinaus müssten Designer auch durch rechtliche Vorgaben dazu gebracht werden, T-Shirts und Hosen zu schaffen, die recyclingfähig seien. Das heiße zum Beispiel, die Naht von einer Hose aus Baumwolle nicht mehr wie heute oft mit einem Polyester-Garn sondern auch aus einem Baumwollfaden zu machen.

Was tun beim Kleiderkauf?

„Jedes fünfte Kleidungsstück im Schrank wird so gut nie getragen“, sagt Verbraucherschützer Heldt. „Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich die Deutschen 20 Prozent ihres Einkaufs in Kleidungsgeschäften sparen könnten.“ Werden Kleidungsstücke öfter und länger getragen, auch mal repariert, müsse gar nicht so viel produziert, gesammelt und recycelt werden.


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