Ob das mit der Entschädigung stimmt, muss sich erst noch zeigen. Samuel hat das in seinem Video anders dargestellt. Wir werden sehen. Trotzdem ein großer Erfolg!
Update vom Ravensburger Baumhausklimacamp
Pressemitteilung vom 11.11.2024
Nach Zurückweisung durch das Bundesverfassungsgericht: Augsburger Gericht gibt klein bei
Klimaaktivist*innen können sich auf Entschädigung in vierstelliger Höhe freuen
Die mehr als zwei Jahre andauernde Augsburger „Klimajustizblamage“ hat ein Ende: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit (und auch der Presse) stellte heute das Augsburger Amtsgericht das Strafverfahren gegen Klimaaktivist Samuel Bosch (21) ohne Auflagen und auf Staatskosten ein.
Im Frühjahr hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren ein früheres Augsburger Hafturteil gegen Bosch aufgehoben, da es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar war, und eine komplette Neuauflage des Verfahrens angeordnet. Über diese Bundesverfassungsgerichtsentscheidung berichtete später sogar ein juristisches Fachblatt [L].Fassadenklettern gegen Lohwaldrodung
Bosch hatte im Oktober 2022 zusammen mit Charlie Kiehne und Ingo Blechschmidt (36) vom Augsburger Klimacamp im Rahmen einer Kletteraktion ein Banner mit der Aufschrift „Lohwald-Rodung trotz laufender Gerichtsverfahren? Frech!“ an der Fassade der Regierung von Schwaben angebracht. Grund für die Meinungskundgabe war, dass die Regierung von Schwaben den umstrittenen Lech-Stahlwerken im angrenzenden Meitingen eine Ausnahmegenehmigung für eine vorgezogene Rodung eines geschützten Bannwalds erteilte – und das trotz laufender Normenkontrollklage der Gemeinde Biberbach.
Solche Meinungskundgabe ist vom Grundgesetz gedeckt: Bei Äußerungen wie der Kritik an der Regierung von Schwaben sei zu beachten, so das Bundesverfassungsgericht, wenn diese „nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung“ getätigt werden, sondern „zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen“ (RdNr. 14 der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht [E]). Explizit erinnert das Bundesverfassungsgericht, dass der „Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen [ist]“ (RdNr. 12).
„Die [Augsburger] Gerichte gehen mit einer verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht genügenden Begründung vom Vorliegen einer Tatsachenbehauptung aus und verkürzen damit den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit. […] Insbesondere erfolgt jeweils keinerlei Einordnung in den Kontext“ (RdNr. 18).
Verhandlungsodyssee mit erneuter Einzelhaft
„Wieso nicht gleich?“, fragt Bosch. Die heutige Verhandlung war der dritte Prozesstag, seit das Bundesverfassungsgericht das frühere rechtswidrige Urteil aufhob und eine Neuverhandlung anordnete. Zum ersten Termin am 24.10.2024 hatte das Gericht alle Zeug*innen geladen und den Sitzungssaal für den gesamten Tag reserviert, allerdings nach kurzer Zeit ohne Zeugenvernehmung die Sitzung unterbrochen. Das restliche Verfahren wollte Amtsgerichts-Mitarbeiterin Schmid in zahlreichen zweistündigen Mini-Sitzungen abwickeln – obwohl jedes Mal Bosch und sein Anwalt aus Ravensburg und zwei weitere Verteidiger*innen mehrere Stunden aus Hessen anreisen mussten.
Zum zweiten Termin am 31.10.2024 war Bosch erkrankt; Amtsgerichts-Mitarbeiterin Schmid setzte sich jedoch über das fristgerecht eingereichte ärztliche Attest [welches wir auf Anfrage auch gerne vorlegen] hinweg und erließ einen fragwürdigen Haftbefehl. Die Beschwerde gegen diesen Haftbefehl wurde von Michael Rauh, Richter am Landgericht verworfen – ausgerechnet derjenige Augsburger Richter, der im Oktober 2023 das verfassungswidrige Hafturteil aussprach. Als Bosch am heutigen Montag aus Ravensburg zum Verfahren anreisen wollte, wurde er mit einem Aufgebot aus mehreren Streifenwagen noch am Bahnhof abgefangen, verhaftet und von der Polizei in einer Kellerzelle des Augsburger Amtsgerichts „verwahrt“.
Boschs Verteidigungsstrategie umfasste eine Vielzahl von Anträgen, an deren Erstellung auch derjenige juristische Laie aus Hessen mitwirkte, der die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde verfasste. „Das Amtsgericht fürchtete sich wohl vor einer solchen Strategie und wusste nicht weiter“, vermutet Bosch; in der Tat hat Richterin Schmid auch heute wieder nicht über den Antrag zur Zulassung der Verteidigung durch einen juristischen Laien aus Hessen, der die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde verfasste, entschieden. Auch wurden bei den Verfahren unaufschiebbare Anträge der Verteidigung, die am Beginn der Verhandlung gestellt werden müssen um ihre Gültigkeit zu behalten, unterbrochen, nicht zugelassen oder gar nicht angehört.
Klimaaktivist*innen können sich auf mehrere tausend Euro Erstattung aus der Staatskasse freuen
Die Aussicht auf weitere Wochen Haft zwischen den folgenden Sitzungsterminen war es auch, die Bosch dazu veranlasste, auf den Versuch des Amtsgerichts zur Gesichtswahrung einzugehen und auf weitere rechtliche Schritte zu verzichten. Bosch und sein Verteidigungsteam können sich nun auf die Erstattung von mehreren tausend Euro für die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde freuen.
„Jetzt können wir weiter für Klimagerechtigkeit kämpfen, ohne von den Augsburger Gerichten genervt zu werden“, so Bosch.
Aus dem KlimaCamp-Kanal:
Bahnhof RV heute morgen.
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