Donnerstag, 28. November 2024

Das Verschmutzer-zahlen-Prinzip muss kommen

Standard hier  Benedikt Narodoslawsky  26. November 2024,


Fossile Konzerne sollen für Klimaschäden zahlen, fordert Greenpeace

Allein sieben große Öl- und Gasunternehmen verdienten im Vorjahr 148 Milliarden US-Dollar. Mit einer "Klimaschädensteuer" könnte man Unwetteropfer entschädigen

Nach einer schweren Geburt kam auf der Klimakonferenz in Baku (COP 29) eine Zahl auf die Welt: "300 Milliarden US-Dollar" (285,6 Milliarden Euro) – mindestens so viel soll jährlich in arme Länder fließen, damit sich diese gegen die Klimakrise wappnen und Klimaschutz vorantreiben können. Woher das Geld genau kommen soll, steht noch nicht fest. Der Beschlusstext von Baku bleibt vage. Darin heißt es lediglich, die Summe komme "aus einer Vielzahl öffentlicher und privater Quellen". Die Industriestaaten – die historisch größten Klimasünder – sollen dabei die wichtigste Rolle spielen, damit das Geld zusammenkommt.

Dabei gebe es laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace eine einfache Lösung, wie man einen erheblichen Brocken stemmen kann. Jene sollen zahlen, die die Klimakrise hauptsächlich verursachen. Also fossile Konzerne. Auf der COP trugen Greenpeace-Mitarbeiter das T-Shirt "Lasst die Verschmutzer zahlen" wie eine Uniform.

Zwar lässt sich keine einzelne Hitzewelle, kein einzelnes Hochwasser und kein Sturm direkt der Klimakrise zuordnen. Wissenschaftliche Studien belegen allerdings, dass die Erderwärmung solche Extremwetterereignisse häufiger, brutaler und teurer macht. Das zeigte sich auch in diesem Jahr, das aller Voraussicht nach das historisch heißeste seit Beginn der globalen Temperaturmessungen wird.

Mindestens 17,4 Milliarden US-Dollar (16,6 Milliarden Euro) kostete das Hochwasser in Brasilien im April und Mai, rechnet Greenpeace in seinem Bericht "Paying the price" vor. Mindestens 25 Milliarden die Hitzewelle in Indien im Mai und Juni. Mindestens 6,6 Milliarden der Hurrikan Beryl, der im Juni und Juli über die Staaten am Golf von Mexiko und die Karibik fegte. Mindestens 2,5 Milliarden der Taifun Gaemi, der im Juli Südostasien zerstörte. Mindestens 13 Milliarden Hurrikan Helene im September, der den Südosten der USA verwüstete.

Demgegenüber stellt Greenpeace die Gewinne, die die sieben Öl- und Gasriesen Exxon Mobil, Shell, Chevron, Total Energies, BP, Equinor und Eni im Vorjahr einfuhren: 148,2 Milliarden US-Dollar (141,1 Milliarden Euro). Die Argumentation hinter dem Lösungsvorschlag ist bestechend einfach. Würde jede Tonne CO2 besteuert, die fossile Unternehmen durch ihre Öl- und Gasproduktion verursachen, könnten allein schon aus den Steuereinnahmen der sieben großen Öl- und Gaskonzernen riesige Beträge in die internationale Klimafinanzierung fließen. Bei fünf US-Dollar pro CO2-Tonne wären es rund 15 Milliarden. Bei 15,30 Dollar pro Tonne schon 37,2 Milliarden.

Tatsächlich landete das "Verschmutzer zahlen"-Prinzip in einem Entwurfstext. Doch im finalen Beschluss flog die Passage wieder hinaus. Aufgrund des politischen Einflusses der Öl- und Gaskonzerne verwundert das kaum. Laut einem Bericht der Initiative "Kick big polluters out" tummelten sich mindestens 1773 Lobbyisten aus der fossilen Branche auf der Klimakonferenz in Baku.

Dazu kommt: Aserbaidschan, das als Gastgeber die Präsidentschaft der Klimakonferenz übernahm und die Verhandlungen leitete, hängt selbst am Tropf der Fossilen. Der staatliche Öl- und Gaskonzern Socar ist eine der Säulen der aserbaidschanischen Wirtschaft, der COP-Präsident Mukhtar Babayev arbeitete einst als Topmanager für Socar. Saudi-Arabiens staatlicher Öl- und Gaskonzern Saudi Aramco zählt wiederum zu den wertvollsten Unternehmen auf der ganzen Welt. Saudi-Arabien ist folglich der größte Blockierer der internationalen Klimadiplomatie. Denn solange das Öl sprudelt, sprudeln dort auch die Staatseinnahmen......



Frankfurter Rundschau hier  21.11.2024, Anna-Katharina Hornidge / Kolumne „Gastwirtschaft“.

Ran an die Fossilen: Die Energiebranche muss endlich für den Klimawandel zahlen

Zur Klimafinanzierung bedarf es eines großen Wurfs. Die Besteuerung exzessiver Gewinne der fossilen Energiebranche wäre ein solcher. 

Diese Woche geht die 29. Klimakonferenz zu Ende. Im Zentrum der Verhandlungen stand die globale Klimafinanzierung. Erklärtes Ziel: ein neues kollektives Finanzziel jenseits der aktuellen 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Es geht um den Ausgleich zwischen Niedrig-, Mittel- und Hocheinkommensländern, zwischen Verursachern und Betroffenen des Klimawandels.

Verhandlungen zur Klimakonferenz in Baku: Es geht nur schleppend voran
Doch die Verhandlungen in Baku gehen nur inkrementell voran. Während die Folgen des Klimawandels für Menschen aller Kontinente zur Alltagsrealität werden, sind die Schäden in zahlreichen Niedrigeinkommensländern besonders lebensbedrohlich. Die jüngsten Überschwemmungen in Pakistan, Bangladesch oder Westafrika, die Millionen Menschen ihre Häuser und Einkommensmöglichkeiten genommen haben, sind beispielhaft. Elend, Armut und die Destabilisierung unserer internationalen Ordnung sind die Folge.

G20-Treffen in Rio de Janeiro 2024
Treffen der G20 in Brasilien: Due Staats- und Regierungschefs bekräftigen den Willen, eine G20 eine globale Minimumsteuer für Superreiche einzuführen.
 
Die Klimawissenschaft ist eindeutig: Diese Extremwetterereignisse werden an Ausmaß und Häufigkeit zunehmen. Die Entwicklungs- und Anpassungsforschung zeigt: Sozial benachteiligte gesellschaftliche Gruppen sind weltweit stärker betroffen und können sich weniger schützen. Die Schere zwischen arm und reich wird größer. Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Stabilität und Frieden sind in Gefahr.

Öl- und Gaskonzerne erwirtschaften Milliarden – und sollten mehr Steuern zahlen
Statt inkrementeller Schritte, bedarf es des großen Wurfs. Die Besteuerung exzessiver Gewinne der fossilen Energiebranche wäre ein solcher. 2022 erwirtschafteten die 93 größten Öl- und Gaskonzerne weltweit 490 Milliarden US-Dollar mehr, als Anfang des Jahres prognostiziert. Dies entspricht fast dem Fünffachen der global vereinbarten Klimafinanzierung.

Einige europäische Länder hatten 2022 eine zeitlich begrenzte Besteuerung der Exzessgewinne im Energiebereich eingeführt. Auch bekräftigen die G20 eine globale Minimumsteuer von Superreichen, befürwortet etwa von Brasilien, Frankreich, dem Internationalen Währungsfond und Bundesministerin Schulze. Beides ist notwendig. Fossile Energie muss weniger profitabel werden. Exzessgewinne der fossilen Energie-, wie auch anderer Branchen, müssen für die Energiewende eingesetzt werden.

Deutschland und die EU sollten sich geeint für eine klare Definition und Besteuerung von Exzessgewinnen und Subventionsabbau bei Fossilen einsetzen – im Klimaregime der Vereinten Nationen, wie auch im Rahmen der G20 und G7.

Die Autorin ist Direktorin des German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und Professorin der Universität Bonn. German Institute of Development and Sustainability.



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