Ökonomen Michael Hüther und Thilo Schaefer
Ist in Zeiten wie diesen für den Klimaschutz noch Geld da? Das ist die falsche Frage, argumentieren die Ökonomen Michael Hüther und Thilo Schaefer. Denn eine einfache Rechnung zeigt, warum jeder Euro fürs Klima gut investiert sind. Und: Wer schnell investiert, für den lohnt es sich sogar noch mehr.
Die Nachrichtenlage vor der 29. Klimakonferenz in Baku war nicht gerade klimafreundlich: Donald Trump wird wieder ins Weiße Haus einziehen, der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist unvermindert im Gange und in Nahost schlagen täglich Raketen ein. Die Auflösung der Ampel bedeutet, dass Deutschland erst einmal ohne entscheidungsfähige Regierung dasteht.
Zugleich war das Jahr 2024 von zahlreichen Extremwetterereignissen geprägt mit neuerlichen Hitzerekorden, Bränden, Starkregen, Überschwemmungen und Dürren, die viele Menschenleben gekostet haben. Darüber hinaus entstehen hohe finanzielle Schäden, die sogenannten Klimafolgekosten. Diese umfassen auch die mittelbaren Auswirkungen der zunehmend auftretenden Extremwetterereignisse wie Ernteausfälle oder unpassierbare Verkehrswege.
Hundert Milliarden reichen nicht
In Klimaschutzmaßnahmen investiertes Geld trägt dazu bei, dass der Anstieg der Treibhausgasemissionen und damit auch der wachsende Umfang der Klimaschäden abgebremst werden kann. In Baku soll es nun darum gehen, woher das Geld für die Klimafinanzierung, also sowohl zur Vermeidung von Emissionen als auch zur Bewältigung der Klimafolgen in Zukunft kommen soll.
Zwar haben die Industriestaaten, deren historisches Wachstum wesentlich auf der Nutzung klimaschädlicher fossiler Energieträger beruht, in den letzten beiden Jahren die zugesagten 100 Milliarden Euro pro Jahr aufgebracht, doch ab 2026 braucht es einen neuen Finanzierungsmechanismus. Aus EU-Perspektive sollen dazu in größerem Maße als bisher die größten heutigen Emittenten, allen voran China, und die Produzenten fossiler Energien beitragen. Sollte in Folge der Wahl Donald Trumps die USA jedoch als wichtiger Geldgeber perspektivisch ausfallen, wird es aller Voraussicht nach schwieriger, andere Staaten zu einem größeren Engagement zu bewegen.
Ein sinnvolles Investment
Dabei ist jeder zusätzliche Euro für den Klimaschutz sinnvoll investiert, wenn dadurch so viele Emissionen effizient vermieden werden, dass mindestens ein Euro an zusätzlichen Folgekosten eingespart werden kann. Wenn dies auch bei Klimaschutzinvestitionen in der Praxis nicht ohne Weiteres bemessen werden kann, verdeutlicht dieser Ansatz jedoch den Zusammenhang zwischen Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen und den Folgekosten.
Gerade die USA haben in diesem Jahr beispielsweise in Form von Hurrikans die Auswirkungen der gestiegenen Meerestemperaturen zu spüren bekommen. Doch der zukünftige US-Präsident leugnet den Zusammenhang zwischen dem Ausstoß von Treibhausgasen und der durch die Erderwärmung verursachten Schäden. Selbst wenn es eine gewisse Unsicherheit über das Ausmaß dieses Zusammenhangs gibt, ist der Einfluss der Verbrennung fossiler Brennstoffe auf das Weltklima wissenschaftlicher Konsens.
Der Ort ist egal
CO2 und andere Treibhausgase wirken auf das globale Klima, unabhängig vom Ort der Emission. Demnach sind die in Deutschland ausgestoßenen Treibhausgase für weltweite Klimaschäden mitverantwortlich. Mit seiner starken energieintensiven Industrie gehört Deutschland zu den historisch größten Verursachern weltweit und trägt damit die Verantwortung, zur Senkung der Treibhausgasemissionen beizutragen.
Das kann nicht nur durch Klimaschutzmaßnahmen und Investitionen in klimafreundliche Technologien vor Ort erfolgen, sondern auch durch die Finanzierung von Maßnahmen an anderen Orten. Der Mechanismus, diese Art des Klimaschutzes unabhängig vom Ort anrechnen zu lassen, ist prinzipiell in Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens angelegt.
Er kann dazu führen, dass das investierte Geld sogar eine größere Klimaschutzwirkung entfaltet. Denn wie stark der Klimawandel und dementsprechend seine Folgen ausfallen, hängt davon ab, wie effektiv Maßnahmen zu dessen Bekämpfung umgesetzt werden, wie gut es also gelingt, die Emissionen von Treibhausgasen zu vermeiden. Auch die Ausgestaltung des Artikels 6 steht auf der Agenda in Baku.
Damit Energiewirtschaft, Industrie, Fahrzeuge und Heizungen weniger CO2 und andere Treibhausgase ausstoßen, sind in aller Regel zunächst Investitionen notwendig. Sei es in Erzeugungsanlagen für Wind- und Sonnenenergie und entsprechende Leitungen oder Elektrolyseure, Elektroautos und Wärmepumpen, die diese regenerative Energie nutzen können. Das gilt in großem Maßstab auch für viele Industrieanlagen, die für den Einsatz von klimafreundlicher Energie erst um- oder sogar neu gebaut werden müssen. Die dafür notwendigen Investitionen überschreiten in den meisten Fällen den Umfang üblicher Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen, zumal zum Teil auch nicht abgeschriebene Anlagen ersetzt werden müssen.
Warten kostet Geld - und Chancen
Das hat auch eine zeitliche Dimension. Denn je früher Treibhausgase gar nicht ausgestoßen werden, desto geringer fallen die Klimafolgekosten aus. Je mehr Emissionen heute und in den nächsten Jahren ausgestoßen werden, desto weniger sind im Hinblick auf die in Paris formulierten Ziele in den Folgejahren realistischerweise noch erreichbar.
Zudem: Viele klimafreundliche Technologien sind zunächst teuer, können aber bei zunehmender Marktdurchdringung Skaleneffekte realisieren und an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Ein Aufschieben von emissionssenkenden Investitionen verursacht also volkswirtschaftliche Mehrkosten, weil die technologischen Lernkurveneffekte in die Zukunft verschoben werden. Diese Kosten des Wartens steigen im Zeitverlauf immer weiter an.
Deshalb ist es im Sinne der Generationengerechtigkeit notwendig, die Transformation in Richtung Klimaneutralität so schnell wie möglich zu vollziehen. Das gilt umso mehr, als die Nachfrage nach den bisher erfolgreichen konventionellen Produkten zurückgeht. Deshalb müssen neue Wachstumsmärkte erschlossen werden, die nicht zuletzt in den klimafreundlichen Zukunftstechnologien liegen.
China und die USA treiben das längst voran. In Deutschland fehlt dazu bislang eine klare und ordnungspolitisch konsistente industriepolitische Agenda, durch die entsprechende Investitionen mobilisiert werden können. Ein Abwarten verschiebt nicht nur die Transformationskosten in die Zukunft, sondern verschärft gleichzeitig den hiesigen Wettbewerbsnachteil.
Alleine geht es nicht
Dennoch kann Klimaschutz nur weltweit gelingen und dazu braucht es internationale Koordination. Angesichts der globalen Wirkung der Treibhausgase ist das Herunterfahren CO2-intensiver Produktion an einem Ort, das dann durch Mehrproduktion an anderen Orten ausgeglichen wird, kein klimapolitisch sinnvoller Ansatz. Zudem nimmt es einer stark industriebasierten Volkswirtschaft wie der deutschen den Spielraum, die für die Transformation notwendigen Investitionen in Technologie und Infrastruktur zu stemmen.
Wenn es dagegen gelingt, klimafreundliche Technologie zu entwickeln und marktfähig zu machen, so dass diese weltweit eingesetzt werden kann, dient das dem globalen Klimaschutz. Positivbeispiele sind die beträchtlichen Skaleneffekte, die bei PV- und Windkraftanlagen realisiert werden konnten und sich in sinkenden Preisen bemerkbar machen. Lediglich die Finanzierung des Markthochlaufs – den im Falle der Photovoltaik größtenteils die deutschen Stromverbraucher großzügig übernommen haben – bleibt dann zu klären.
Die stärksten Konkurrenten der klimafreundlichen Energieerzeugung und Produktion sind deren konventionelle Pendants, die auf den immer noch günstigen fossilen Brennstoffen beruhen. Vor diesem Hintergrund könnte die Initiative des Gastgeberlands Aserbaidschan, das selbst Erdöl und Erdgas exportiert, eine neue Perspektive eröffnen. Mit anderen Staaten und Unternehmen, die fossile Brennstoffe produzieren, soll ein neuer Fonds gegründet werden, der Entwicklungsländern zugutekommt und sie bei ihren Klimakosten unterstützt.
Auf diese Weise könnte die Klimafinanzierung eine zweite Stütze bekommen und doch noch ein positives Signal von der diesjährigen Weltklimakonferenz ausgehen. Bei alldem gilt: wir haben keine Zeitreserven und – wie der Draghi-Bericht für Europa zeigt – keine Produktivitätsreserven. Wir müssen Klimaschutz mit Anstrengungen für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit verbinden, beides zusammendenken.
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