Statt Solar und Windkraft: Für die Energiewende will die CDU die Reaktivierung abgeschalteter Atomkraftwerke prüfen und gleichzeitig mit Frankreich neue Kleinkraftwerke bauen. Experten fällen aber teils vernichtende Urteile über die Pläne.
Windräder sind „hässlich“, sagt der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Als „Übergangstechnologie“ bezeichnet er sie zudem. Viel lieber würde der designierte Kanzlerkandidat Atomkraftwerke in Deutschland sehen. Langfristig sollen das Fusionsreaktoren sein, doch bis die fertig sind, bringt er die Reaktivierung der eigentlich schon abgeschalteten Atomkraftwerke und den Bau neuer modularer Atomkraftwerke, so genannter SMRs, ins Gespräch. Schon im Energiepapier, dass die Union vor wenigen Wochen veröffentlicht hatte, wurde der Atomausstieg 2023 als „ideologisch motivierte Fehlentscheidung“ tituliert. Doch sind das wirklich „Perspektiven“, wie Merz behauptet?
Der Klassiker: Fünf Atomkraftwerke ließen sich reaktivieren
17 Atomkraftwerke gab es noch 2011 in Deutschland, bis sie nach dem Nuklearunfall von Fukushima nach und nach abgeschaltet wurden. Acht gingen noch im selben Jahr vom Netz, dann folgten je ein Akw 2015, 2017 und 2019, drei weitere 2021 und die letzten drei im vergangenen Jahr. Seitdem werden sie zurückgebaut. Das ist ein jahrzehntelanger Prozess.
Nächstes Jahr soll etwa der Rückbau des Akw Obrigheim in Baden-Württemberg abgeschlossen werden – das Akw ging 2005 vom Netz. Für die im Zuge des Atomausstiegs abgeschalteten Meiler sind ähnliche Zeitspannen kalkuliert. Der Rückbau der Meiler Gundremmingen B und Isar 2 in Bayern soll als letztes 2040 abgeschlossen sein.
Bei vier Atomkraftwerken hat der Rückbau bisher noch nicht begonnen, sie sind bisher nur außer Betrieb gestellt. Rein technisch könnten sogar fünf wieder ans Netz genommen werden, sagte der Physiker Ulrich Waas dem ZDF im September. Er war früher Mitglied der Reaktorsicherheitskommission.
Vorlauf von ein bis zwei Jahren
Allerdings würde das einen Vorlauf von ein bis zwei Jahren benötigen. Neben technischen Änderungen müsste auch erst wieder Personal gefunden und eingestellt werden, zudem braucht es neue Brennstäbe. Allein deren Herstellung würde nach Angabe des US-Produzenten Westinghouse rund sechs Monate dauern. Hinzu kämen obligatorische Sicherheitsüberprüfungen. Bauteile, die bereits verkauft oder verschrottet wurden, müssten zudem wieder eingekauft und eingebaut werden. Gerade bei den zuletzt abgeschalteten Meilern von 2021 und 2023 betrifft dies aber meist noch nicht die Kernkomponenten.
Das alles würde Geld kosten. Für die Aktivierung allein rechnen Experten mit einer niedrigen einstelligen Milliardensumme für die fünf in Frage kommenden Kraftwerke. Diese Investition müssten die Betreiber tragen. Das würden sie aber nur, wenn sie vom Staat eine Garantie bekommen, dass der Ausstieg vom Ausstieg nicht sofort wieder rückgängig gemacht wird.
Betriebsgarantie erforderlich
Eine Betriebsgarantie von mindestens 10 Jahren wäre wohl erforderlich. Das wäre auch wichtig, um Personal zurückzugewinnen. Rund 400 Fachkräfte sind pro Akw erforderlich, die aber auch einen Job wollen, bei dem sie nicht jedes Jahr aufs Neue bangen müssen, ob ihr Kraftwerk weiterbetrieben wird. Garantieren könnte die CDU das aber nicht. Nach jeder Bundestagswahl könnte eine neue Regierung die Akws wieder abschalten. Das macht die Planungen schwierig.
Die fünf in Frage kommenden Meiler hätten eine Gesamtleistung von 6,8 Gigawatt. Das entspricht etwa der Leistung von rund 750 Windrädern, verteilt auf Land und See. So viel plant die Bundesregierung derzeit pro Jahr hinzuzubauen. Einen nennenswerten Effekt auf die Energieversorgung hätte eine Reaktivierung alter Kraftwerke wohl nicht.
Was haben die Verbraucher von Akws?
Zuletzt stellt sich die Frage, ob eine Reaktivierung der Akws für Verbraucher so vorteilhaft wäre. In Frankreich mussten die Strompreise für Atomstrom dieses Jahr von 42 auf 70 Euro pro Megawattstunde erhöht werden. Das ergäbe einen Preis von 7 Cent pro Kilowattstunde. Für Deutschland rechnete das Fraunhofer-Institut in seiner letzten Studie vor dem Atomausstieg mit rund 13 Cent pro Kilowattstunde. Damit wäre Kernkraft günstiger als Kohle-, Gas- oder Biomassestrom, der bei bis zu 30 Cent liegt, aber teurer als Solar und Windkraft, die auf Preise von 3 bis 12 Cent kommen. Ausnahmen sind kleine Photovoltaikanlagen auf Hausdächern, bei denen die Preise laut Institut auch auf bis zu 20 Cent steigen können.
Nicht eingerechnet sind aber die Ewigkeitskosten, also etwa für den Rückbau der Kraftwerke nach Betriebsdauer und die Folgen der entstehenden Abfälle. Sie liegen für Atomkraft so hoch, dass das Fraunhofer-Institut nicht einmal Zahlen nennen will – schließlich gibt es bis heute kein Endlager für Atommüll.
Aus den genannten Gründen ist selbst die CDU skeptisch, ob sich Atomkraftwerke wieder aktivieren lassen. „Wir streben schnellstmöglich eine fachliche Bestandsaufnahme an, ob angesichts des jeweiligen Rückbau-Stadiums eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist“, heißt es im Energiepapier. Aber auch deren Autoren und CDU-Chef Merz geben offen zu: „Je mehr Zeit vergeht, desto unwahrscheinlicher wird ein Neuanlauf der vom Netz genommenen Kernkraftwerke.“
Die Betreiber haben zum jetzigen Zeitpunkt auch keinen Anreiz, den Rückbau zu stoppen.
Die Alternative: Small Modular Reactors (SMR)
Während also die Aktivierung alter Kernkraftwerke unwahrscheinlich ist und der Neubau von Kernkraftwerken viel zu lange dauern würde und zu teuer wäre, hat die CDU Gefallen an dem Gedanken von Small Modular Reactors, kurz SMRs, gewonnen. „Wir prüfen zum Beispiel, ob wir nicht diese kleinen Modularen Kraftwerke eventuell auch mit Frankreich zusammen bauen“, sagte Merz in der Talkshow von Maybrit Illner im ZDF vor zwei Wochen.
Dazu müssen Sie erst einmal wissen, von was für Kraftwerken Merz da redet. SMRs beschreiben keine konkreten Anlagen, sondern eine Klasse von Atomkraftwerken. Sie sind quasi Mini-Atomkraftwerke mit einer Leistung von maximal 700 Megawatt. Zum Vergleich: Die in Deutschland bisher betriebenen Atomkraftwerke haben rund doppelt so viel Leistung. Das hat zwei Vorteile: Erstens lassen sie sich schneller und kostengünstiger bauen, zweitens brauchen sie weniger radioaktives Material. Selbst im schlimmsten Fall eines Unfalls ist das Risiko also geringer. Das wiederum würde allerdings dadurch ausgeglichen, dass auf Grund der geringeren Leistung eines SMR auch wesentlich mehr Anlagen notwendig wären, um dieselbe Leistung zu erbringen.
Es gibt bisher keine SMRs im kommerziellen Betrieb
Das Wichtigste aber: Es gibt bisher keine SMRs im kommerziellen Betrieb für die Stromerzeugung, sondern nur Konzepte, die bereits seit den 1950er Jahren entwickelt werden. Lediglich einige Prototypen sind in Russland, China und Argentinien im Betrieb oder im Bau. In den USA gibt es zwar auch Pläne zum Bau von SMRs durch private Unternehmen, doch bisher hat sich hier noch kein wirtschaftlicher Fall durchgesetzt. Die USA, Kanada und Großbritannien fördern die Entwicklung von SMRs zudem mit öffentlichen Geldern.
Für Deutschland hat das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) vor drei Jahren 136 historische und aktuelle Konzepte für SMRs analysiert, darunter 31 besonders vielversprechende im Detail. Das Ergebnis: Um allein die heutigen Kernkraftwerke durch SMRs zu ersetzen, müssten weltweit bis zu Zehntausend Anlagen gebaut werden. Erst ab 3000 SMRs würde es sich zudem wirtschaftlich lohnen, diese für die Stromproduktion zu nutzen. Das liegt daran, dass die Baukosten für SMRs im Verhältnis zur erzeugten Leistung höher sind als bei klassischen großen Kernkraftwerken. Auch Zwischen- und Endlager für den Atommüll werden bei SMRs weiterhin benötigt – und existieren bisher nicht.
Im Endergebnis urteilte das BASE,
dass derzeit kein Konzept für SMRs in absehbarer Zeit marktreif sei
und die kleinen Reaktoren immer noch
mit denselben falschen Werbeversprechen angepriesen würden wie vor 80 Jahren
Strom aus SMRs nicht günstiger als aus großen Kernkraftwerken
Ähnlich hart urteilen auch andere Studien. Die University of Pennsylvania kam 2022 zu dem Schluss, dass SMRs bis zu 30-mal mehr radioaktiven Müll bei gleicher Leistung produzieren wie ein herkömmliches Akw. Der Müll aus SMRs sei zudem noch stärker radioaktiv als aus anderen Kraftwerken.
Strom aus SMRs wäre zudem nicht günstiger als aus großen Kernkraftwerken. Die auf den Energiemarkt spezialisierte Analysefirma WoodMackenzie schätzte die Stromgestehungskosten im vergangenen Jahr auf 120 Euro pro Megawattstunden, also 12 Cent pro Kilowattstunde, und damit etwa auf dasselbe Niveau wie herkömmlichen Atomstrom.
Hinzu kämen die hohen, aber immer noch unspezifizierten Kosten für die Aufbereitung und Lagerung des Atommülls, die auf Grund der höheren Radioaktivität des SMR-Abfalls noch höher wären als bei herkömmlichen Akws.
Der US-Energieversorger NuScale plante in Idaho vergangenes Jahr ein SMR-Projekt, welches Strom für 10,2 Cent pro Kilowattstunde liefern sollte. Zu dem Preis fand er aber nicht genügend Abnehmer, weswegen der Bau gar nicht erst begonnen und das Projekt eingestellt wurde. Auch Frankreichs Energiekonzern EDF stoppte in diesem Jahr die Entwicklung von SMRs, weil er keine Gestehungskosten von weniger als 10 Cent garantieren konnte.
Fazit: Die Ideen der CDU sind wenig praktikabel
So bleibt am Ende festzuhalten, dass beide Ideen der CDU – alte Akws zu reaktivieren und neue SMRs zu bauen – auf absehbare Zeit nicht realistisch sind. Der einzige Vorteil der Kraftwerke wäre, dass sie unabhängig vom Wetter konstant Strom liefern könnten und damit grundlastfähig sind.
Diese Grundlast ließe sich aber über Wasserstoff ebenfalls klimaschonend mit erneuerbaren Energien erreichen. Insofern würden Akws und SMRs mit Solar- und Windkraftanlagen konkurrieren müssen und dort preislich schlicht das Nachsehen haben.
Dass Atomstrom in Frankreich weit unter den Gestehungskosten angeboten wird, liegt auch daran, dass der Staat den staatlichen Energieversorger dazu zwingt. EDF hat dort Schulden in Höhe von mehr als 60 Milliarden Euro. Bevor also Deutschland einen der beiden Atom-Pläne der CDU umsetzt, müsste die Partei zeigen, wie das wirtschaftlich gelingen soll und vor allem eine Lösung für den Atommüll finden. Ein geeigneter Platz für ein Endlager in Deutschland ist auch nach Jahrzehnten nicht gefunden.
Frankfurter Rundschau hier 22.11.2024 Von: Mark Simon Wolf
Rückkehr zur Atomkraft? Experten demontieren CDU-Vorschläge: „Politisch
motivierte Gespensterdebatte“Tüftelt die CDU an einer Strategie zur Atomkraft? Söder frohlockt, Merz bleibt zurückhaltend. Eine Expertin wird deutlich: „Atomenergie ist energiewirtschaftlicher Wahnsinn.“
Es ist kein Geheimnis, dass Markus Söder gerne gegen den politischen Mainstream argumentiert. Dies hat der bayerische Ministerpräsident erneut mit seiner Forderung nach einer Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks Isar 2 (KKI2) bei Landshut demonstriert. Die Betreiberfirma von KKI2 reagierte dagegen klar: „Für uns gibt es kein Zurück mehr: Das Thema Wiederinbetriebnahme ist für uns damit definitiv vom Tisch“, teilte die Tochtergesellschaft des Energiegiganten E.ON mit und fasste damit die Meinung aller Marktteilnehmer zusammen. Georg Stamatelopoulos, Vorstandsmitglied von EnBW, hatte kürzlich ähnlich argumentiert: „Ein Atomkraftwerk ist keine Märklin-Eisenbahn, die man an- und ausschaltet und die dann immer funktioniert.“
Doch wie beurteilen Experten eine mögliche Rückkehr zur Atomkraft, eineinhalb Jahre nach dem deutschen Atomausstieg?
Merz bleibt zurückhaltend, doch Söder geht in die Offensive: Deutsche Rücknahme nur „logisch“
Auf internationaler Ebene wird der Alleingang Deutschlands kritisch gesehen. Rafael Grossi, Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), äußerte auf der Weltklimakonferenz in Baku, dass eine deutsche Rückkehr zur Atomkraft nur „logisch und rational“ wäre. Er ist der Meinung, dass eine Welt ohne Atomkraft für den Planeten „eine sehr schlechte Idee“ wäre. Auch Fatih Birol, Leiter der Internationalen Energieagentur (IEA), sieht die Abschaltung der Kernkraftwerke als „strategischen Fehler“ und spricht sich für eine Wiederinbetriebnahme aus. Die Union hatte bereits Anfang November eine Wiederinbetriebnahme der am 13. April 2023 stillgelegten Atomkraftwerke Emsland (betrieben von RWE), Neckarwestheim 2 (EnBW) und Isar 2 (E.ON) gefordert.
Jens Spahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU, sprach von einem „Rückbau-Moratorium“. Auf der anderen Seite hatte der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz einen solchen Schritt zuletzt mit einem „großen Fragezeichen“ versehen.
Experte kritisiert: Forderung zur Rückkehr der alten Atomkraft schade der Glaubwürdigkeit
Antonio Hurtado, Professor für Wasserstoff- und Kernenergietechnik an der TU Dresden, bezeichnet Forderungen wie die von Söder als „Flickschusterei“: Die Aussagen seien „nicht geeignet, mittel- und langfristiges Vertrauen sowie Glaubwürdigkeit herzustellen“. Gegenüber IPPEN.MEDIA fordert der Experte stattdessen, dass die Bundesregierung neue Wege und Kooperationen für eine wettbewerbsfähige Defossilisierung der Energiewirtschaft einschlagen sollte – auch in Bezug auf die Kernkraft: „Im vergangenen Jahr wurde die Allianz zur Weiterentwicklung und Kommerzialisierung von Small Modular Reaktoren gegründet. Frankreich, Belgien, Schweden, Finnland, Ungarn gehören dazu. Hier muss Deutschland aktiv mitwirken“, warnt Hurtado.
Er hält zukünftige kernenergetische Systeme, die „modular, flexibel und noch sicherer“ sind als Isar 2, für denkbar. Hier sei Technologieoffenheit gefragt.
Kritik von Expertin: Söders Vorstoß zu Atomkraft sei „rein politisch motiviert, nicht energiewirtschaftlich“
Bruno Burger, Senior Scientist am Frauenhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE), ist ebenfalls gegen eine Rückkehr zu den alten Atomreaktoren. „Wir haben den Kernenergieausstieg über 20 Jahre lang geplant und bis Ende 2021 auch 34 von 37 Reaktoren abgeschaltet, inklusive den Forschungsreaktoren, ohne dass es einen Aufschrei gab“, erklärte der Energieexperte gegenüber IPPEN.MEDIA. Die Betreiber sehen das genauso. Unterstützung erhält er von Prof. Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), die Söders Vorstoß als „rein politisch motiviert, nicht energiewirtschaftlich“ einstuft.
Die Rückkehr zur Atomkraft ist mit erheblichen praktischen Hindernissen verbunden: „Atomenergie ist energiewirtschaftlicher Wahnsinn, wir sollten das Kapitel endlich abschließen“, erklärt Kemfert und verweist auf die Kosten für die Instandhaltung und den Neubau der Atommeiler. Burger fügt hinzu, dass die Fachkräfte bereits im Ruhestand oder in anderen Arbeitsverhältnissen seien, Genehmigungen für die drei Standorte fehlten und zudem das Atomgesetz geändert sowie die Rückbaugenehmigungen zurückgenommen werden müssten. „Beides würde Rechtsstreitigkeiten und langwierige Prozesse vor Gericht zur Folge haben.“
Erneuerbare Energien haben Vorrang: Atomkraft würde am Strommarkt „kannibalisiert“ werden
Ein weiterer Kritikpunkt: Neben den etwa zehnjährigen Sicherheitsprüfungen und den Generalüberholungen, um die Kraftwerke auf den neuesten Stand der Technik zu bekommen, würden die erneuerbaren Energien die Kernenergie buchstäblich „kannibalisieren“: Die Atomkraftwerke müssten ihre Leistung reduzieren, wenn genügend Leistung aus erneuerbaren Energien vorhanden wäre. In der Merit-Order der Strombörsen werden diese vor der Kernenergie priorisiert. Und selbst wenn eine zukünftige Bundesregierung unter CDU-Führung ab Frühjahr 2025 eine Wiederinbetriebnahme umsetzen wollte, würde der Prozess länger als eine Legislaturperiode dauern.
„Eine neue Bundesregierung könnte sie 2029 schon wieder stoppen, bevor das erste Kernkraftwerk zurück am Netz ist“, fasst Burger zusammen. Wie kontrovers die Atomkraft in der Wissenschaft von Experten diskutiert wird, zeigte bereits die Debatte im November 2022. Damals hatte die Ampel den endgültigen Ausstieg beschlossen und das Aus von Isar Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 besiegelt. Insbesondere im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine befürchteten verschiedene Experten Versorgungsengpässe und steigende Strompreise.
Deutschland hat Versorgung auch ohne Atomkraft hinbekommen: „Prognosen sind eingetreten“
Diese Befürchtung hat sich laut Kemfert jedoch nicht bestätigt: „All unsere Prognosen sind genauso eingetreten: weder ist der Strompreis gestiegen, noch gab es Versorgungsengpässe und auch die Emissionen sind nicht gestiegen“, sagte die Expertin IPPEN.MEDIA. Die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt des DIW ist stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen, der als Beratungsgremium für die Bundesregierung fungiert. Ein weiterer Aspekt, der damals intensiv diskutiert wurde, war die Sicherheit der alten Reaktoren: Heinz Smital von Greenpeace hatte im Zuge des damaligen Ausstiegsbeschlusses der Bundesregierung im November 2022 vor einem „Salami-Betrieb“ der Kernkraftwerke gewarnt: Diese Art einen Reaktor zu betreiben, sei die „gefährlichste“, da sie nicht mehr „substanziell investiert, sondern improvisiert“ werde.
Der Physiker Ulrich Waas, bis 2021 Mitglied der Reaktor-Sicherheitskommission, sah hingegen kein Problem in einem potenziellen Weiterbetrieb: Vielmehr seien die Reaktoren Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 auf dem aktuellen Stand der sicherheitstechnischen Anforderungen, sodass sie „ohne Abstriche“ weitergeführt werden könnten.
Atomkraft als Brückentechnologie? Expertin sieht im Vergleich zur Kohle das kleinere Übel
Atomkraft könne als Brückentechnologie für den Übergang dienen. In puncto Versorgungssicherheit warb auch Dr. Anna Veronika Wendland, die Technikhistorikerin am Herder-Institut ist und zur Thematik der Reaktorsicherheit in Ost- und Westeuropa forscht, für einen Weiterbetrieb. Im Vergleich zur Kohle sei die Atomkraft das kleinere Risiko für Gesundheit, Umwelt und Klima, erklärte sie damals.
Ihre Position scheint sich seitdem nicht geändert zu haben. Am Dienstag (19. November) teilte die Expertin auf ihrem X-Account den Vorstoß des US-Konzerns Westinghouse. Dieser hatte parallel zu den Forderungen Söders erklärt, dass man die drei Atomkraftwerke innerhalb weniger Monate betriebsbereit machen könne. Die Brennstäbe seien in wenigen Monaten verfügbar.
Kemfert hält die aktuelle Debatte jedoch für wenig sinnvoll und verweist auf den Kontext: „Die ganze Diskussion um die Atomenergie ist eine reine politisch motivierte Gespensterdebatte. Wir sind im Wahlkampf, daher wird die Atomenergie aus der Mottenkiste geholt.“
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