Dienstag, 14. März 2023

Sie verklagen den eigenen Staat

 01.03.2023  |  VON STEFAN HILSER STEFAN.HILSER@SUEDKURIER.DE  hier

Wenn fossile Brennstoffe weiterhin in so großer Menge verpulvert werden, dann ist das Treibhausbudget der Bundesrepublik bald aufgebraucht: Ab dem Jahr 2030 müsste dann zum Schutz des Klimas ein so radikaler Schwenk in der Stromproduktion vollzogen werden, dass für sie keine Energie mehr übrig ist, was ihre Freiheit und Lebensgrundlage gefährden würde.

Das ist, kurz gefasst, die Argumentation, mit der zwei junge Menschen aus Überlingen die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt haben.


Amrei Feger (17) und Hauke Engels (19) aus Überlingen sind – mit sieben weiteren – Beschwerdeführer vor dem europäischen Gericht. Anwaltschaftlich vertritt sie die Deutsche Umwelthilfe. In ihrer Gruppe waren sie vor zwei Jahren bereits vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich, wo die Bundesregierung dazu verpflichtet wurde, das Bundesklimaschutzgesetz nachzubessern. Amrei Feger sagt deshalb: „Wir möchten für unsere Generation eine lebenswerte Zukunft durchsetzen.“

Als Klimaaktivisten, die zum Beispiel Verkehrsblockaden planen, sehen sie sich nicht. Dennoch halten sie den Protest, so lange er ohne Gewalt auskommt, für legitim, weil nur so ausreichend auf das Thema aufmerksam gemacht werden könne. Hauke Engels: „Protestaktionen waren schon immer Aktionen, die aufrütteln. Nur so erhält man die Öffentlichkeit, beziehungsweise Medienpräsenz, die das Thema braucht.“

Wenn sich Krisen über längere Zeit hinziehen, so die Feststellung von Amrei Feger, „dann tendieren Menschen dazu, sie zu verdrängen – und dann ändert sich nichts“. An der Fastnacht wurden die sogenannten Klimakleber immer wieder thematisiert. Weil die Narren den Protest lächerlich finden? Dazu sagt die 17-Jährige: „Bei den Leuten besteht der Impuls, sich über etwas lustig zu machen, mit dem sie sich nicht ernsthaft beschäftigen möchten.“

Sind Klagen vor Gericht sinnvoller als Protestaktionen? „Ja und nein“, findet Feger. Gerade der Protest von Greta Thunberg und Luisa Neubauer (Fridays for Future) habe die nötige Aufmerksamkeit für den Klimaschutz geweckt. „Zugleich hat die Politik bewiesen, dass sie sehr gut darin ist, uns zu ignorieren.“ So bleibe nur der Rechtsweg.....

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