Freitag hier Ausgabe 13/2023 Kathrin Hartmann
siehe dazu auch hier
Industrie Seit Jahren wird es hierzulande immer trockener: Besonders in Bayern ist der Grundwasserpegel rapide gesunken. Doch die Regierung weigert sich, die Schuldigen zum Wassersparen zu zwingen
Erst ist da nur Weiß und Gelb, dann kommen orange Flächen und rote Punkte, schließlich färbt sich die Landkarte fast komplett rot. Der Dürremonitor des Helmholtz-Instituts zeigt die Entwicklung des vergangenen Jahres in Deutschland: Es ist immer trockener geworden. Im Juli war noch ein Drittel des Landes orange und rot, im August waren es mehr als drei Viertel. Im September erscheint fast ganz Deutschland rot, die Hälfte sogar dunkelrot. Es sieht aus wie eine stark blutende Wunde, die immer wieder aufbricht. Im März ist schon wieder ein Viertel des Landes orange, rot und dunkelrot.
Natürlich gibt es regionale Unterschiede. Im Nordosten gibt es seit jeher wenig Niederschläge. Im Süden, besonders im Schwarzwald und in den Alpen, regnet es deutlich mehr. Laut Umweltbundesamt gibt es in den Gebirgsregionen Süddeutschlands bis zu zwanzig Mal mehr Wasser als etwa in Brandenburg.
Doch mit der Klimakrise häufen sich extreme Wetterereignisse wie Dürren und Starkregen. Eine schlechte Kombination: Trockener Boden kann große Wassermengen nicht aufnehmen, es läuft in Flüsse ab. So kann sich das Grundwasser nicht mehr regenerieren und sinkt. In den vergangenen 20 Jahren gingen jedes Jahr 2,5 Milliarden Kubikmeter Wasser verloren. Deutschland gehört damit zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit. Das ist beunruhigend, denn mehr als 70 Prozent des Trinkwassers stammen aus dem Grundwasser.
Dennoch ließ sich die Bundesregierung Zeit, um zu reagieren. 2021 stellte die damalige Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) eine „Nationale Wasserstrategie“ vor – und scheiterte. Jetzt hat das Kabinett einem Entwurf von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zugestimmt: So sollen etwa Verbundnetze und Fernleitungen Wasser aus nassen in trockene Gebiete bringen; Kommunen und Länder sollen gesetzlich verpflichtet werden, Gefahren- und Risikokarten für Starkregen zu erstellen und bei Bebauungsplänen zu berücksichtigen; Städte sollen nach dem Prinzip der „Schwammstadt“ gestaltet werden: Mehr Grün, mehr Zisternen und weniger versiegelte Flächen sollen dafür sorgen, dass Regenwasser besser genutzt und der Boden Wasser besser aufnehmen und speichern kann.
Außerdem will Lemke mit einer EU-Regelung jene Wasserverschmutzer wie Pharma- und Kosmetikindustrie stärker an den Kosten der Gewässerreinigung beteiligen. Erste Maßnahmen sollen bis 2030 umgesetzt werden. Ende März nahm die Grüne ihre Pläne mit nach New York, wo der erste UN-Wassergipfel seit 50 Jahren stattfand. Dort wurden Projekte zur Bekämpfung der globalen Wasserkrise im Wert von rund 750 Milliarden Dollar beschlossen. Ein Erfolg!
Allerdings hat Lemkes nationale Wasserstrategie auch einen Haken: So soll es für Landwirtschaft und Industrie bloß „Anreize“ zum Sparen geben. Dabei schluckt die Industrie in Deutschland das meiste Wasser. Allen voran die Energiewirtschaft: Laut Umweltbundesamt verbrauchen Energieversorger 44,2 Prozent des Wassers, vor allem für das Kühlen der Atom-, Gas- und Kohlekraftwerke. Laut Correctiv nutzen Kohle-Tagebaue, Chemie- und die Nahrungsmittelindustrie fast viermal so viel Fluss- und Grundwasser wie alle Bürger*innen zusammen.
In Bayern ist es ganz schlimm
Die Wasserstrategie wird deshalb auch heftig kritisiert. Die Kampagnenorganisation Campact nennt sie ein „Armutszeugnis für eine grüne Ministerin“.
Lemke habe „zugelassen, dass sich durstige Konzerne darin Zugang zur immer knapper werdenden Ressource Wasser gesichert haben“. In der Beschlussfassung sei, anders als im ursprünglichen Konzept, keine Rede mehr davon, dass nur so viel Grundwasser entnommen werden darf, wie natürlich neu gebildet werden kann. Außerdem sei ursprünglich der Vorrang der Trinkwasserversorgung festgehalten gewesen. Im neuen Papier werden nun auch die Wasser-Interessen der Lebensmittelindustrie berücksichtigt. Dies sei dem Einfluss der „Limo-Lobby“ zu verdanken, so Campact.
Zwar betont Lemke, dass Trinkwasser Vorrang habe, wenn es „tatsächlich zu einer problematischen Situation kommt“. Doch, so kritisiert Campact, fehlten verbindliche und strenge Vorschriften, die dies auch sicherstellen. Dabei sagt Lemke sogar selbst, dass es „potenzielle Nutzungskonflikte“ gebe, bei denen der Vorrang der öffentlichen Trinkwasserversorgung durchgesetzt werden müsse.
Tatsächlich haben laut dem Recherchezentrum Correctiv die gerichtlichen Konflikte um Wasser in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland zugenommen. In Bayern haben sie sich fast verdoppelt. Dort wollen CSU und Freie Wähler die öffentlichen Trinkwasserversorger mit privaten Grundwassernutzern, etwa Getränke- und Lebensmittelfirmen, gleichstellen. Ginge es nach den Regierungsfraktionen, würde das Grundwasser in Zukunft nicht mehr „bevorzugt“ für die Trinkwasserversorgung verwendet werden, sondern nur noch „insbesondere“. Außerdem wollen sie Schutzvorschriften für Wasserschutzgebiete und Rohstoffabbau aufweichen oder abschaffen. Dabei verlangt Bayern nicht einmal Wasserentnahmeentgelt. Kein Wunder, dass dort der Grundwasserpegel in den vergangenen 30 Jahren deutschlandweit mit am stärksten gesunken ist.
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