BR hier 28.3.23
Mit ein paar Regenschauern ist es nicht getan: Aus dem Niedrigwasser-Lagebericht des Bayerischen Landesamts für Umwelt geht hervor, dass die Grundwasserstände sich noch nicht erholt haben. "57 Prozent der oberflächennahen Grundwassermessstellen und Quellen weisen niedrige und sehr niedrige Grundwasserstände auf. In den tieferen Grundwasser-Stockwerken zeigen 67 Prozent der Messstellen eine Niedrigwassersituation", heißt es darin.
Das Bild bayerischer Städte und Kommunen wird und muss sich ändern, sagen Stadtplaner und Politiker. Das könnte die Aufenthaltsqualität steigern, aber auch vor Hitze und Hochwasser schützen. Viele Städte sind stark versiegelt. Regnet es in einer Stadt, fließt das Wasser über Dächer und asphaltierte Flächen normalerweise schnell in den Gulli. Über das Kanalsystem wird es in Betonrohren unterirdisch aus der Stadt herausgeleitet.
Das bedeutet weniger Feuchtigkeit in der Stadt, das Grundwasser wird nicht angereichert. Dabei wäre das wichtig. Schließlich macht Grundwasser rund 90 Prozent unserer Trinkwasserversorgung aus. Grundwasserneubildung findet zwar vor allem in der Landschaft außerhalb von Städten und Siedlungen statt. Dennoch wäre es wichtig, dass Regenwasser in den Boden eindringt, statt schnell abzufließen.
"Schwammstadt" soll Grundwasser anreichern
Das ist das Ziel verschiedener Landschaftsplaner, Baureferenten und Politiker. Und zwar mit dem Konzept der Schwammstadt: Hier werden Flächen geschaffen, die als "Schwämme" funktionieren. Regenwasser kann dort an Ort und Stelle versickern. Was vom Oberboden nicht mehr aufgenommen werden kann, gelangt weiter nach unten ins Grundwasser.
Die Vorteile: Grundwasser wird angereichert, Wasser ist für Pflanzen verfügbar. Grünflächen oder Parks dienen bei Starkregen als Überflutungsflächen, aber den Rest des Jahres auch als Erholungsorte für die Stadtbewohner.
Eine Stadt kann sich mit dem Konzept der Schwammstadt gegen die beiden gegensätzlichen Seiten des Klimawandels wappnen - zum einen gegen Trockenheit und Hitze. Zum anderen gegen Starkregen, der immer häufiger auftritt und gefährliche Sturzfluten hervorrufen kann.
Konkrete Maßnahmen wurden bereits getroffen
Es gibt verschiedene, konkrete "Schwammstadt-Maßnahmen". Freising zum Beispiel hat in der Innenstadt dunkle Pflastersteine gegen helle ausgetauscht. In den Fugen kann Regen versickern. Mehr Bäume soll es geben und die Moosach, ein kleiner Seitenarm der Isar, wurde in der Stadt freigelegt, für mehr Feuchtigkeit durch Verdunstung und frische Luft. Auch Augsburg, Erlangen, Hamburg oder Berlin arbeiten daran, sich an den Klimawandel anzupassen.
In Nürnberg wurden an kleineren Stadtplätzen Flächen aufgegraben. Statt Asphalt gibt es dort jetzt Erde und Bäume. Um die Bäume herum kann Regenwasser in den Boden einsickern. Auch der Nürnberger Obstmarkt soll so gestaltet werden, um die Folgen der Erderwärmung besser abzupuffern. Mehr Bäume sollen in Zukunft Schatten spenden und für Abkühlung sorgen - aber so, dass nach wie vor Märkte stattfinden können, Lieferverkehr problemlos fahren und rangieren kann.
Mehr Grün bedeutet Verschiebung von Parkplätzen
Dennoch wird es nicht mehr für alle möglich sein, direkt vor einem Laden zu parken und schnell reinzuspringen. Ladenbesitzer, aber auch Anwohner, sind deshalb nicht überall vom Schwammstadt-Konzept überzeugt. Es setzt voraus, dass sich Gewohnheiten ändern: Parken werde an manchen Stellen nicht mehr möglich sein, weil dort Bäume stünden, erklärt Daniel Ulrich, Planungs- und Baureferent der Stadt Nürnberg.
Schwammstadt braucht Mobilitätswende
Damit Städte "wassersensibler" werden können, brauche es eine Mobilitätswende, fordert Patrick Friedl, Landtagsabgeordneter der Grünen: "Das Auto selbst braucht einfach viel Fläche und man kann Parkfläche bündeln, zum Beispiel in Parkhäusern." Großflächige Parkplätze könnten entsiegelt werden. Friedl schlägt vor, in Städten den öffentlichen Nahverkehr sowie Rad- und Fußwege auszubauen, sodass die Menschen weniger aufs Auto angewiesen sind.
Was bei der Gestaltung von Neubaugebieten bereits von Anfang an mitgedacht werde, sei in einer bestehenden Stadt sehr aufwendig zu realisieren, erklärt Planungs- und Baureferent Ulrich. Denn Städte in Deutschland seien bisher technisch so ausgelegt, dass das Wasser schnell abgeleitet werde und nicht vor Ort versickere - was dem Gegenteil des Schwammkonzepts entspricht.
Planung aufwendig, aber Städte bekommen Förderung
Für klimaangepassten Städteumbau können die Kommunen jedoch Fördergelder beantragen, die einen Großteil der Investitionen decken. Seit 2020 sind Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sogar Fördervoraussetzungen bei den Bund-Länder-Städtebauförderungsprogrammen, erklärt das Bayerische Bauministerium. ...
In Zukunft sollte bereits in Baugenehmigungsverfahren standardmäßig geprüft werden, ob das Niederschlagswasser ortsnah versickere oder auf andere Art ordnungsgemäß beseitigt werden könne, fordert Juliane Thimet vom Bayerischen Gemeindetag. Die wassersensible Planung müsse in die Abläufe integriert werden und Vorschrift sein, sonst liege es im Ermessen oder Engagement des einzelnen Bauherren, sie umzusetzen oder es sein zu lassen.
Schwammstadt trägt auch zur Sicherheit der Menschen bei
Eine Stadt wassersensibel umzugestalten erfordert eine aufwendige Planung. Die Investition in die Umgestaltung lohne sich aber für die Menschen in jedem Fall, sagt Aude Zingraff-Hamed, Landschaftsplanerin an der TU München: "Wenn eine Stadt ihren Beitrag nicht leistet, kann es im schlimmsten Fall extreme Hochwasser geben, die dann Leben von Menschen kosten."
Eine andere, meistens nicht bekannte, sehr negative Nebenwirkung sei: "Der Boden ist wie ein Schwamm. Was passiert mit einem Schwamm, der austrocknet? Er schrumpelt." Gebäude könnten Risse bekommen und instabiler werden, warnt die Landschaftsplanerin.
Setzen Städte dagegen das Schwammstadt-Konzept um, entstehe nicht nur mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, sondern "gratis" gäbe es noch mehr Lebensqualität und Kühlung dazu.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen