Samstag, 11. März 2023

Internationale Recherche:Die weltweiten Geschäfte der Holz-Mafia

Süddeutsche Zeitung hier  1. März 2023, Von Christoph Cadenbach, Kristiana Ludwig, Lena Maurer, Mauritius Much und Ralf Wiegand

Interpol zufolge werden mit illegal geschlagenen Bäumen jährlich mindestens 50 Milliarden Euro verdient. Und die Nachfrage steigt. Das gefährdet Wälder auf der ganzen Welt - und mit ihnen Lebensräume für Tiere und Menschen.

Jeder zweite Baum in Rumäniens Wäldern, schätzen Experten, wird illegal geschlagen. Wertvolles Edelholz - Teak für teure Yachten - aus Myanmar gelangt trotz Sanktionen in die Europäische Union. Und Prüfunternehmen bescheinigen Forstunternehmen per Qualitätssiegel Nachhaltigkeit und Legalität, obwohl diese ihr Holz in Schutzgebieten schlagen oder falsche Genehmigungen verwenden. Bisweilen verschwinden auf diese Weise ganze Urwälder, indigene Menschen werden vertrieben.

Angesichts der Klimakatastrophe und des nahenden Endes des Zeitalters von Öl und Gas boomt weltweit das Geschäft mit dem Holz - auch das illegale. Eine internationale Recherche unter der Federführung des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) hat untersucht, wie die wertvolle Ressource Holz durch illegalen Holzeinschlag, weltweit steigende Nachfrage und fragwürdige Zertifizierungen gefährdet wird.

Schon heute, schätzt die Umweltschutzorganisation WWF, liegt der weltweite Holzverbrauch gut 50 Prozent über der Menge, die auf nachhaltige Weise wieder aufgeforstet werden kann. Also so, dass sich Wälder regenerieren und ihre Funktion als Ökosystem aufrechterhalten können.

40 Medien aus 27 Ländern - in Deutschland gehören neben der Süddeutschen Zeitung auch NDR, WDR und der Spiegel dazu - werden ihre Recherchen in den kommenden Tagen unter dem Titel "Deforestation Inc." veröffentlichen. Deforestation heißt übersetzt Entwaldung.

In einer Liga mit Drogen- oder Waffenhandel

Das illegale Holzgeschäft gehört längst zu den einträglichsten Zweigen der organisierten Kriminalität und spielt in derselben Liga wie Drogen- oder Waffenhandel. Schätzte die Weltbank 2012 den Umsatz der globalen Holz-Mafia noch auf jährlich bis zu 15 Milliarden Dollar, geht Interpol heute von mindestens 50 Milliarden Dollar aus. Experten nehmen an, dass weltweit auf diese Art alle zwei Sekunden Wald von der Fläche eines Fußballfeldes verschwindet.

Gleichzeitig nimmt auch der legale Handel mit Holz zu. In Europa gilt das Verbrennen des Rohstoffs als grüne Energie, wird sowohl im privaten als auch industriellen Bereich subventioniert. Das kurbelt den Verbrauch etwa von Pellets an. Das sind aus Sägespänen gepresste Holzstäbchen, kaum größer als ein Zigarettenfilter. In Großbritannien, den Niederlanden und Dänemark sind Kohlekraftwerke bereits auf die Verbrennung von Pellets umgerüstet worden, der Bedarf kann dort nicht mehr aus heimischer Holzproduktion gedeckt worden. Die Recherche hat ergeben, dass auch für Deutschland zumindest Absichtserklärungen für größere Einfuhrmengen Pellets aus den USA geschlossen wurden. Durch die Verbrennung von Biomasse - darunter zu mehr als der Hälfte Holz - wird in Deutschland mehr erneuerbare Energie erzeugt als durch Wind und Sonne.

Für die Pellet-Produktion werden den internationalen Recherchen zufolge aber nicht nur, wie eigentlich vorgesehen, lediglich Holzabfälle oder Restholz verwendet, sondern auch ganze Stämme aus natürlichen Wäldern. SZ und WDR haben deshalb in den Wäldern von North Carolina an der Ostküste der USA recherchiert, wie europäische Umweltpolitik mit dem Verschwinden amerikanischer Laubwälder zusammenhängt. Umweltschützer in den USA kritisieren die Biomasse-Industrie für ihren rabiaten Umgang mit dem Wald und die Belastung der Umwelt durch die industrielle Pellet-Produktion. In North Carolina sei der "Ground Zero" dieser Branche, sagt eine Umweltschützerin.

Die Recherchen des "Deforestion Inc."-Projekts werfen daher generell die Frage auf, ob die Verbrennung von Holz die richtige Antwort auf die Energiewende sein kann. Wissenschaftler zweifeln stark an, dass Holzverbrennung in der Gesamtbilanz tatsächlich CO₂-neutral ist. Wälder weltweit stehen ohnehin selbst durch den Klimawandel unter Druck. In vielen Teilen der Welt verschärft der illegale Holzeinschlag zudem die Situation. In Rumänien etwa gehen Experten davon aus, dass die Hälfte der dort geernteten Menge aus illegalen Fällungen stammt. Solches Holz landet auch, zu Spanplatten verarbeitet, in deutschen Baumärkten.

Kein Land in Europa verfügt über einen solchen Urwald-Schatz wie Rumänien, nirgendwo sonst aber wird der Wald ähnlich schamlos ausgebeutet wie dort. Reporterinnen und Reporter des "Deforestation Inc."-Projekts haben sich auf Spurensuche in die rumänischen Wälder begeben und dokumentieren einen mutmaßlich illegalen Holzeinschlag. Dort, im Nordosten des Landes, verschwand binnen weniger Jahre eine Waldfläche von der Größe der Stadt Köln.

Offiziellen Zahlen zufolge gehen in Rumänien jährlich mehr als 20 Millionen Kubikmeter Wald verloren - oft unter den Augen der staatlichen Forstämter, die nach Ansicht von Regierungskritikern häufig Teil des Problems sind. Ohne ihre Genehmigung ist kein legaler Holzschlag möglich, ohne ihr Wegsehen kein illegaler. EU-Politiker befürchten, dass die illegale Abholzung in Rumänien kurzfristig weiter zunehmen könnte, weil dem Land 2024 insgesamt vier Wahlen bevorstehen. "Dieses ganze System wäre ohne politische Rückendeckung nicht möglich", sagt der rumänische Politiker Nicolae Ștefănuță, der für die Liberalen im Europaparlament sitzt. "Wir müssen davon ausgehen, dass illegales Geld aus der Forstwirtschaft auch in den Wahlkampfkassen landen könnte."

Kritiker sprechen von einer zu großen Nähe zwischen Prüffirmen und Forstunternehmen

Angesichts des unschätzbaren Werts des Ökosystems Wald, der nicht nur CO₂-Speicher, sondern auch Lebensraum für viele bedrohte Tierarten ist, wäre es umso wichtiger für Verbraucher, verlässliche Informationen über Herkunft, Qualität und Nachhaltigkeit von Holz zu erhalten. Zertifikate wie das Forest Stewardship Council (FSC), wie sie Unternehmen wie der TÜV verleihen, sollen garantieren, dass Holz unter menschenwürdigen Bedingungen geerntet wurde, aus nachhaltiger Produktion stammt und vor allem legal geschlagen wurde.

Allerdings identifizierte die Deforestation-Recherche 48 Prüffirmen, die das Geschäft von Forstunternehmen für nachhaltig erklärt hatten, obwohl diese im Verdacht standen, für Vergehen wie Abholzung von Schutzgebieten, Verwendung falscher Genehmigungen, Holzeinschlag auf indigenen Gebieten oder Einfuhr illegalen Holzes verantwortlich zu sein. Etwa 50 dieser Unternehmen besaßen ein Nachhaltigkeitssiegel sogar noch, während sie für eines oder mehrere dieser Vergehen verurteilt wurden. Angefragte Zertifizierungsunternehmen und das FSC erklärten, man gehe aktiv gegen betrügerische Firmen vor und arbeite mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Kritiker bemängeln in diesem Zusammenhang eine zu große Nähe zwischen den Prüffirmen und den zu prüfenden Forstunternehmen - die suchen sich ihre Zertifizierer selbst aus, bezahlen sie und bauen so oft jahrelange Beziehungen auf.


Das weltweite Geschäft mit dem Holz  hier Von Mauritius Much und Lea Struckmeier  1. März 2023

Wie rabiate Holzbetriebe zu ihren Zertifikaten kommen

Holz verkauft sich besser, wenn es zertifiziert ist: als legal geschlagen, nachhaltig angebaut und ohne Verletzung von Menschenrechten verarbeitet. Doch wie kommen Firmen zu den Siegeln, obwohl ihnen Verstöße gegen all diese Regeln bereits nachgewiesen wurden? Über eine Branche, in der eine Hand die andere wäscht.

Indra Pelani hatte sein Motorrad genommen für den Weg zum Erntedankfest. Er war 21 Jahre alt. Am Checkpoint einer großen Holzfirma, der hier, in der Provinz Jambi auf der indonesischen Insel Sumatra, fast das ganze bewaldete Land gehört, wurde er angehalten. Es kam zum Streit zwischen dem jungen Mann und den Wachleuten. Am nächsten Morgen wurde seine Leiche gefunden, man hatte Indra Pelani an Händen und Füßen zusammengebunden, zu Tode geprügelt und in einen See geworfen.

Acht Jahre ist das jetzt her. „Ich hätte nie gedacht, dass die WKS meinen Sohn so grausam behandeln könnte. Es ging doch nur um ein Stück Land“, sagt seine Mutter. „Ich kann das nicht so einfach hinnehmen.”

WKS, genauer: PT Wirakarya Sakti, heißt die Firma, die das Dorf Lubuk Mandarsah und dessen Bewohner schon neun Jahre vor dem Tod von Indra Pelani zu drangsalieren begonnen hatte, mit solchen Checkpoints zum Beispiel. Damals begann die Landnahme durch das Unternehmen, dem heute mehr als 280 000 Hektar Land in der Gegend gehören, das einmal Regenwald war. Das Holz aus dem Gebiet liefert WKS an eine Papierfabrik, die zum selben Konzern gehört.

In Lubuk Mandarsah leben die Menschen seit Jahrhunderten vom Ackerbau. Viele Bauern gaben ihr Land von Generation zu Generation weiter, ohne dass darüber Verträge gemacht wurden. WKS nutzte das, nahm Bauern das Land einfach weg, manche von ihnen vertrieb sie sogar. Deshalb, sagen sie, hätten sie von der Firma auch keine Entschädigung bekommen. Indra Pelani begann sich offiziell bei der Mutterfirma der WKS zu beschweren. Doch dadurch schaukelte sich der Konflikt hoch. Die Bauern wurden eingeschüchtert oder verhaftet. Und am 27. Februar 2015, als er mit dem Motorrad zum Erntedankfest fahren wollte, starb Indra Pelani.

Auf Anfrage nahm der Mutterkonzern der WKS dazu nicht Stellung.

Vom Tod des jungen Mannes und den Vorgängen in seinem Dorf wusste auch der TÜV Rheinland. Das deutsche Prüfunternehmen bestätigt das auf Anfrage. Der TÜV hatte der PT Wirakarya Sakti schon 2014 ein Zertifikat ausgestellt, welches die Legalität des Holzes bestätigt. Der TÜV Rheinland setzte nach dem Tod Pelanis sogar einen Ausschuss ein, der überprüfen sollte, ob der WKS dieses Gütesiegel entzogen werden sollte. Wurde es letztlich aber nicht.

„Diese Zertifikate sind nur ein Weg, um die Verbrechen dieser Unternehmen und deren Verkäufe auf dem Markt zu legitimieren“, sagt Frandody Taruna Negara. Er war ein enger Freund von Indra Pelani und leitet heute eine örtliche Bauernvereinigung. „Sie sind ein Mittel, um Landraub in Indonesien zu rechtfertigen und die Umwelt zu zerstören.“::::

Unternehmen, die ein solches Siegel anstreben, suchen sich ihren Zertifizierer selbst aus - und bezahlen ihn dafür

Insgesamt ergaben die Recherchen des „Deforestation Inc.“-Projekts, an denen 40 Medien beteiligt waren – darunter in Deutschland SZ, NDR, WDR und Spiegel dass 48 Prüfunternehmen Praktiken von Forstfirmen für nachhaltig erklärten, obwohl diese wegen der Abholzung in indigenen Waldgebieten und geschützten Reservaten, der Verwendung falscher Genehmigungen oder der Einfuhr von illegal geschlagenem Holz angeklagt worden waren. Dadurch können Holzunternehmen die Ergebnisse fehlerhafter Prüfungen dazu nutzen, um Holzprodukte als konform mit Umweltstandards oder Menschenrechten anzupreisen.

Wie unabhängig ist also dieses Verfahren? Unternehmen, die ein solches Siegel anstreben, suchen sich ihren Zertifizierer selbst aus - und bezahlen ihn dafür.:::: „Da gibt es selbstverständlich Interessenskonflikte“, sagt Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Denn letztlich wären die Zertifizierer von den zu zertifizierenden Unternehmen abhängig.....

1993 wurde das FSC gegründet – mit dabei waren oder sind heute noch mehrere Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace oder der World Wildlife Fund (WWF), aber auch Holzunternehmen, das schwedische Möbelhaus Ikea oder die US-Baumarktkette Home Depot. Das FSC wollte, als eine Art Konsortium für Nachhaltigkeit, sicherstellen, dass 100 Prozent des verwendeten Holzes für Möbel oder Papier wirklich aus nachhaltigen Methoden stammen. Dabei wurde auch die allgemeine Umweltbilanz einer Firma sowie der Umgang mit indigenen Völkern bewertet.

Doch offenbar wurde das Siegel mit den strengen Kriterien in der Anfangszeit nicht häufig vergeben. Nach Informationen des Wall Street Journal wurde es 1993 nur dreimal verliehen, in den Folgejahren nicht häufiger. Das änderte sich anscheinend erst, als FSC das sogenannte Mix-Label eingeführt hat, demzufolge nur 50 Prozent des verwendeten Holzmaterials den strengen Kriterien entsprechen mussten, um das Siegel anbringen zu dürfen. Bei der anderen Hälfte musste das Holzunternehmen lediglich nachweisen, dass es einen legalen Ursprung hat. Heute, so sagt das FSC auf Anfrage, müssten 70 Prozent den strengen Richtlinien entsprechen.

Manchmal wird eine Firma jahrzehntelang von demselben Auditor überprüft

...Heute hat das FSC 1217 Mitglieder in 89 Ländern. Knapp 200 Millionen Hektar Wald hat die Organisation zertifiziert und dabei knapp 55 000 Zertifikate vergeben. Eine Untersuchung des „Deforestation Inc.“-Projekts ergab nun, dass seit 2004 mehr als 140 Unternehmen in 45 Ländern vorgeworfen wurde, Verstöße gegen die Umwelt wie etwa illegale Abholzung begangen und dabei sogar unwahre Behauptungen aufgestellt zu haben, obwohl sie ein FSC-Zertifikat besaßen. Gegen 48 Firmen wurden Ermittlungen eingeleitet, in sieben Fällen gab es Anklagen oder Geldstrafen. Auf Anfrage erklärte das FSC allgemein, dass man allein in den vergangenen Jahren 88 Firmen wegen betrügerischen Verhaltens gesperrt habe. Die Aussetzung und der Entzug von Zertifikaten sei ein fortdauernder Prozess.....

„Viele Siegel bedeuten eigentlich Greenwashing“

...„Viele Siegel bedeuten eigentlich Greenwashing“, sagt Nachhaltigkeitsexperte Pierre Ibisch. „Das ist ein Problem, weil wir ja große Eile haben, Wälder besser zu schützen und Entwaldung aufzuhalten.“ Und Bob Bancroft, Biologe und Forstwirtschaftsprüfer in der kanadischen Provinz Nova Scotia, fügt hinzu, dass die Leute erleichtert seien, wenn sie ein grünes Etikett auf ihrem Produkt sehen. „Sie haben ein gutes Gewissen, wenn sie es kaufen. Genau das ist es, was hier falsch läuft.“

.... „Die Holzzertifizierung ist ein hilfreiches, aber unzureichendes Instrument im Kampf um den Erhalt unserer Wälder.“

Mitarbeit: Scilla Alecci, Petra Blum, Fabian Grieger

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