Sonntag, 12. März 2023

Verkehrswende: „Das Verbrenner-Aus war für die EU-Diplomaten eine Formsache“

Capital hier  11.03.2023  von Clara Suchy

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sorgt in Brüssel für reichlich Unmut, indem er das Verbrenner-Aus blockiert

Volker Wissing ist der Mann für die Verkehrswende, dazu gehört früher oder später auch das Verbrenner-Aus. In Brüssel galt das Aus längst als beschlossene Sache. Der FDP-Politiker sieht das anders. Warum eigentlich? 

Der Verkehrsminister hat ein Problem. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages wirft Volker Wissing vor, angesichts der zu hohen Treibhausgas-Emissionen durch den Verkehr rechtswidrig zu handeln. Denn die Bundesregierung ist gesetzlich verpflichtet, die Treibhausgase in allen Sektoren zu senken. Der Verkehrsbereich als Sorgenkind der Klimapolitik hat seine Ziele deutlich verfehlt und muss nun aufholen. Doch statt umsetzbare und wirksame Vorschläge zu liefern, bietet der FDP-Politiker eine Scheinlösung an. 

Eigentlich war die Sache geklärt. Die Abstimmung über das Verbrenner-Aus auf EU-Ebene, die am vergangenen Dienstag in Brüssel hätte stattfinden sollen, war eine Formsache. Doch dann entschied sich die FDP um. Ohne einen Zusatz für Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen stimmt sie nicht zu, heißt es. Diplomaten auf EU-Ebene sind entsetzt und ziehen sogar Vergleiche mit Viktor Orban.

Mit dieser Blockade ignoriert die FDP Argumente aus der Wissenschaft und auch aus der Wirtschaft. Denn E-Fuels sind zu ineffizient, zu teuer, zu knapp. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gehen auch nicht davon aus, dass sich daran in Zukunft viel ändern wird. Auf eine Zukunft zu hoffen, in der E-Fuels billig und in großen Mengen zur Verfügung stehen, ist naiv. 

Selbst die Autoindustrie lehnt den Einsatz von E-Fuels nach 2035 für neu zugelassene Autos ab. Sie müssen jetzt schon den chinesischen Autoherstellern hinterherlaufen, die schnellere, effizientere und billigere E-Autos bauen können. Gleichzeitig am Ausbau von Verbrennungsmotoren zu arbeiten, die „ausschließlich“ synthetische Kraftstoffe tanken können, wie Wissing es sich wünscht, wäre einfach nicht wirtschaftlich.

E-Fuels werden eine wichtige Rolle spielen 

Dabei muss die Produktion von E-Fuels tatsächlich ausgeweitet werden. Schließlich werden synthetische Kraftstoffe in einer klimaneutralen Welt eine wichtige Rolle für den Schiffsverkehr und Langstreckenflüge spielen. Selbst für Verbrenner, die kurz vor 2035 angeschafft werden, könnten möglicherweise E-Fuels übergangsweise dann noch zum Einsatz kommen. 

Aber nur weil die Produktionskapazitäten für E-Fuel hochgefahren werden, heißt das nicht, dass ein Festhalten am Verbrennungsmotor realistisch ist. Denn selbst wenn es gelänge, genügend synthetische Kraftstoffe zu produzieren, um die Schifffahrt und Langstreckenflüge zu betreiben und noch etwas übrigzulassen, müsste ein neues Tankstellennetz und eine neue Infrastruktur aufgebaut werden – und dies neben dem Ausbau der Ladeinfrastruktur. Woher sollen das Geld und die Fachkräfte dafür kommen? 

Auf die nächste Legislaturperiode verschieben 

Eigentlich hätte Wissing schon im Juli letzten Jahres einen Plan präsentieren müssen, wie er die drei Millionen Tonnen CO2, die 2021 durch den Verkehr zu viel ausgestoßen wurden, bis 2030 wieder einsparen will. Darüber hinaus muss der Verkehrsminister auch Maßnahmen ausarbeiten, um 271 Mio. weitere Tonnen CO2 bis 2030 einzusparen. Mit dem E-Fuels-Vorschlag verschiebt er das Problem einfach in die nächste Legislaturperiode.

Ein neues Gesetz auf EU-Ebene auszuarbeiten, nur um eine Scheinlösung für Wissing und sein Emissionsproblem im Verkehrsbereich einzuführen, würde wertvolle Zeit vergeuden. Autohersteller, Zulieferer, Privatverbraucher – sie alle brauchen Klarheit und Planbarkeit. Wenn die EU es mit der Klimaneutralität bis 2050 ernst meint, darf die Entscheidung über den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor nicht wieder verschoben werden. 

Wenn Wissing wirklich etwas für den Klimawandel tun wollte, gäbe es genügend Maßnahmen, die mit wenig Aufwand viel bewirken würden – und von unabhängigen Experten überprüft worden sind. Ein Tempolimit zum Beispiel. Statt sich über mangelnde „Technologieoffenheit“ zu beklagen, sollte er sich lieber auf echte Lösungen konzentrieren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen