Donnerstag, 16. März 2023

Subventionen für den Verkehr: Das klimaschädliche Ausgabenproblem des Finanzministers

WiWo  hier  von Cordula Tutt  16. März 2023

Bewegt sich da was? Der Verkehr reißt in Deutschland die Klimaziele, zugleich fließen umweltschädliche Milliardensubventionen in Autos und den Flugverkehr. Zwei Minister sprechen über deren Streichung im nächsten Haushalt. Ökonomen drängen schon länger.

Es ist zu wenig Geld da im Bundesetat für die Pläne der Bundesregierung, für wichtige Reformen. Zugleich fließen Milliarden aus dem Haushalt in den Verkehrssektor, Euros, die oft zum Beispiel emissionsstarke Autos fördern oder den ebenfalls abgasintensiven Flugverkehr. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte dazu im Interview mit der WirtschaftsWoche, er spreche mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) über den Abbau umweltschädlicher Subventionen. „Wir befinden uns da noch in einem politischen Abstimmungsprozess.“ Es seien aber gute Gespräche.

Lindner sagte im Bundestag, dass diese Subventionen zurzeit genauer beleuchtet würden. Nicht die Einnahmen seien das Problem für den Etat, sondern die Ausgaben, sagte er zuletzt auch. Auf SPD-Seite in der Ampelkoalition ist ebenfalls zu vernehmen, dass noch mancher „Unsinn im Etat“ zu finden sei – Zahlungen, die sich zu Milliarden addierten. Diese Posten, vor allem auch klimaschädliche Zahlungen, müsse die Regierung nun durchgehen.

Experten sehe hier schon länger einen Ansatz, Geld für wichtige Projekte im Etat freizumachen und zugleich den Klimaschutz nicht zu behindern. Die Chefin des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Ökonomin Monika Schnitzer, sagt dazu im „Welt“-Interview: „Klimaschädliche Subventionen belasten den Staatshaushalt zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. und verzögern die Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft.“

Mögliche Ansätze sind aus Sicht der Wirtschaftsweisen die Abschaffung der Steuervergünstigungen für Kerosin und für internationale Flüge, an die Steuervergünstigung für Diesel und die steuerliche Begünstigung privat genutzter Dienstwagen gegenüber Privatwagen. Auch die Entfernungspauschale, die Pendlerpauschale, werde vom Sachverständigenrat unter Klimaaspekten kritisch gesehen, so dessen Vorsitzende.

Der Präsident des Umweltbundesamt, Dirk Messner, sieht die umweltschädlichen Subventionen, die etwa für Autos und Flugverkehr gezahlt werden, als großen Hebel, wie er bei der Vorstellung der vorläufigen Bilanz klimaschädlicher Emissionen für 2022 diese Woche sagte. Bei der Vorstellung der Bilanz in Berlin zeigte sich der Chef der obersten Umweltbehörde ungeduldig: „Ich kann nicht mehr nachvollziehen, warum wir in einer Situation, wo uns Finanzmittel fehlen und wir unsere Klimaziele verfehlen, Subventionen für Diesel oder den Flugverkehr zahlen.“

Das Umweltbundesamt (UBA) selbst hatte im Jahr 2021 eine detaillierte Aufstellung vorgelegt, in der die vom Staat gezahlten Subventionen mit klimaschädlicher Wirkung etwa im Verkehr aufgelistet sind. Auch in der Energiebranche werden Subventionen gezahlt etwa zur Entlastung der Industrie bei Strompreisen.

Auf gut 30 Milliarden Euro im Jahr summieren sich diese Zahlungen im Verkehrssektor. Den größten Anteil daran haben mit jeweils mehr als acht Milliarden Euro die Steuervergünstigung für Dieseltreibstoff und die Steuerbefreiung für den Flugzeugtreibstoff Kerosin. Mit rund 6 Milliarden schlägt die Pendlerpauschale zu Buche, die gerade auch längere Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsort vergünstigt. Das Dienstwagenprivileg, die steuerlichen Vorteile für beruflich genutzte Autos, wird in der Liste mit mindestens 3,1 Milliarden Euro angegeben. Die Liste beruht auf Werten des Bundeshaushalts von 2018.

Recht schnell lässt sich nach den Worten des UBA-Chefs die Steuerbefreiung auf Treibstoff im inländischen Luftverkehr abbauen. Auch die Subventionierung von Diesel ist danach nicht mehr zu begründen und bei Entschlossenheit der Beteiligten schnell zu beenden.

In den 1990er-Jahren war Dieselkraftstoff gegenüber Benzin steuerlich vergünstigt worden. Damit sollte die Beförderung von Gütern und Personen, etwa per Bus, verbilligt werden. Lkw und Busse fahren meist mit Diesel. Da Diesel aber einen höheren Energiegehalt als Benzin hat, müsste dieser Brennstoff aus heutiger Sicht aber eher höher besteuert werden als Benzin, zumal bei der Verbrennung mehr CO2 freigesetzt wird. Besonders schlecht sieht die Bilanz zudem bei Stickstoffoxiden aus.

Schwieriger dürfte in der Ampel die Debatte um Dienstwagen und deren steuerliche Begünstigung werden. Mitarbeiter verzichten auf einen Teil ihres Gehalts und bekommen einen Dienstwagen gestellt, der meist mehr wert ist und den sie auch privat nutzen dürfen. Wer einen Dienstwagen erhält, spart wie der Arbeitgeber Steuern – meist zunehmend mit der Autogröße.


Südkurier hier

15.03.2023  |  VON STEFAN LANGE WIRTSCHAFT@SUEDKURIER.DE

Deutschlands Finanzen geraten außer Kontrolle

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In über 70 Jahren Bundesrepublik habe der Bund Schulden von rund 1,3 Billionen Euro angehäuft, bilanzierte Scheller und ergänzte: „Dieser Schuldenberg wächst durch die Beschlüsse der letzten drei Jahre noch einmal um 60 Prozent auf mehr als 2,1 Billionen Euro massiv an.“ In Deutschland bestehe demnach eine „ernsthafte Gefährdung“ der Tragfähigkeit der Bundesfinanzen und damit auch der staatlichen Handlungsfähigkeit. Schellers Einschätzung ist deutlich. Wenn ein Land seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann, wie es 2010 beispielsweise in Griechenland der Fall war, könnte als nächste Stufe die Staatspleite drohen.

In seinem aktuellen Monatsbericht zeichnet auch das Bundesfinanzministerium ein Katastrophenszenario. Lindners Experten verweisen darauf, dass sich die steigenden Zinsen auf den Haushalt auswirken. „Die Zinsausgabenquote steigt im Jahr 2023 auf rund 8,4 Prozent und würde sich damit gegenüber dem Vorjahr (3,2 Prozent) mehr als verdoppeln“, warnen sie. Die steigende Zinsausgaben schränkten die zukünftigen Haushaltsspielräume deutlich ein, die Politik sei zur konsequenten Priorisierung gezwungen.

Der Chefvolkswirt der DZ-Bank, Michael Holstein, warnte vor diesem Hintergrund im Gespräch mit unserer Redaktion: „Wir haben die Schuldenbremse im Grundgesetz, sind aber weit davon entfernt, diese auch einhalten zu können, wenn wir keine Sondertöpfe anzapfen.“ Er sehe noch nicht, wie die diversen Ausgabenwünsche zumindest teilweise erfüllt werden sollen – ohne Steuererhöhungen. Die aber aktuell ein falsches Signal wären, wie Holstein betonte.

Die Lage ist nicht nur Ereignissen wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg geschuldet. „Sie sind vielmehr auf strukturelle Ursachen zurückzuführen“, erklären die Beamten im Finanzministerium. Allein die Alterung werde immer höhere Aufwendungen verursachen. Die Einhaltung der Klimaziele sowie die Digitalisierung der Wirtschaft seien weitere Herausforderungen. Bisher ging es vor allem dank milliardenschwerer, über Kredite finanzierte Hilfspakete noch irgendwie gut. Doch die kann sich Deutschland schlichtweg nicht mehr leisten. „Auf Dauer ist es unmöglich, gestiegene Energiepreise oder ausgefallene Wertschöpfung über staatliche Verschuldung abzufedern“, heißt es dazu im Finanzministerium.

Versteinerte Ausgaben

Ein Problem bei der Haushaltsaufstellung ist, dass viele Ausgaben kaum verändert werden können. Der Bundesrechnungshof kritisierte dies kürzlich als „Versteinerung“. Derzeit sind seinen Berechnungen zufolge nur etwa zehn Prozent des Haushalts „disponibel“. Der mit Abstand größte Einzelposten im Bundeshaushalt ist seit Langem der Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung von zuletzt mehr als 100 Milliarden Euro. 


Wie der Staat jährlich 40 Milliarden mehr einnehmen könnte

09.03.2023 ∙ Kontraste ∙ Das Erste  hier
Kontraste (Quelle: rbb)

Energiewende, Bildung, Militär: vor Deutschland liegen gigantische staatliche Investitionen. Wie diese zu finanzieren sind, darüber tobt ein Streit in der Ampel. Während Wirtschaftsminister Habeck über Steuererhöhungen nachdenkt, will Finanzminister Lindner lieber sparen. Dabei gibt es eine kleine Gruppe, die seit Jahren immer reicher wird: die Superreichen. Bei ihrer Besteuerung gäbe es großes Potential: Ein Mix aus Reichen-, Erbschaftssteuern und einer neu eingeführten Vermögensteuer könnte etwa 40 Milliarden Euro jährlich zusätzlich in die Staatskasse spülen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung errechnet. Doch an die Vermögenden traut sich hierzulande seit jeher keiner so richtig ran. Warum eigentlich? Und was sagen betroffene Millionäre dazu?

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