Freitag, 17. März 2023

Mehr Schutz für Umweltschützer*innen - UN-Sonderberichterstatter besucht UfU

Die UN schicken einen Sonderberichterstatter zum Schutz für Umweltschützer*innen und Aktivist*innen nach Deutschland!
"Endlich!" kann man erleichtert sagen, wenn man an die Inhaftierung und gezielte Diffamierung von Klima-Aktivist*innen während der letzten Monate denkt. Angesichts mancher politischen Äußerungen weiß man schon gar nicht mehr, was man dazu im sachlichen Ton sagen könnte.
"Wahnsinn!" würde es auch treffen - ein  UN-Beobachter in unserem demokratischen Vorzeigestaat! Man fühlt sich fast nach Südamerika versetzt.....

Wer beim  Bareiß-Wahlkampfauftritt in Saulgau war, der hat gehört was Hr. Merz (als Sprachrohr von Teilen der CDU/CSU) im Schilde führt: Die Ausschaltung der lästigen Umweltverbände, speziell genannt wurden Greenpeace und Nabu. hier und hier
Dabei wurde erst vor Kurzem veröffentlicht, dass der BUND in Bayern mehr Mitglieder hat als alle politischen Parteien (CSU,Grüne,SPD) zusammen. Demokratischen Parteien sollte das zu Denken geben, aber reflektiert wird offenbar nicht wirklich, solange man polemisieren kann. hier
Auch die Tatsache, dass ein Lobbyverband bei der CDU die Regie führt, erstaunt schon fast keinen mehr hier

Ufu  hier  09. März 2023

 UN-Sonderberichterstatter besucht UfU

© Fridays for Future Deutschland

Umweltschützer*innen brauchen besseren Schutz – UN-Sonderberichterstatter für Umweltschützer diskutiert mit dem UfU und Aktivist*innen über die Lage für Umweltschützer*innen in Deutschland und der Welt

Umwelt- und Klimaschützer*innen polarisieren. Wer zu Klimaschutz forscht, auf die Straße geht, sich ehrenamtlich oder hauptamtlich engagiert, übt damit auch immer Kritik an unserem bisherigen System. Denn Klima- und Umweltschutz kommen nicht ohne Debatten um grundsätzliche Verhaltens- und Systemänderungen aus. Dabei sehen sich diese „Environmental Defenders“ einer zunehmenden Aggressivität ausgesetzt.

Hassreden, Diffamierungen, Gewalt, und Morddrohungen oder tatsächlicher Mord an Menschen, die sich für Natur und Umwelt einsetzen nehmen weltweit zu. Die NGO Global Witness berichtet in ihrem Report „Decade of defiance – Ten years of reporting land and environmental activism worldwide” von 200 Morden an Umweltaktivist*innen im Jahr 2021.[1] Die meisten wurden in Mexico, Kolumbien und Brasilien begannen.

Aber auch in Deutschland und Europa sehen sich Natur- und Umweltschützer*innen zunehmendem Druck ausgesetzt. Angefangen von offener Gewalt auf der Straße und härterem Vorgehen der Polizei gegen Umweltaktivist*innen, Vergleichen mit terroristischen Vereinigungen aus der Politik, über gezielte Diffamierungskampagnen gegen Wissenschaftler*innen[2] und Entzug der Gemeinnützigkeit – der Ton wird rauer und Zivilgesellschaft erfährt eine zunehmende Einschränkung ihres Raumes. Wer sich heute öffentlich für die Umwelt einsetzt, muss mit zahlreichen Attacken gegen die eigene Person und Familie in der Öffentlichkeit und im Netz rechnen. Weibliche Aktivistinnen, das zeigt der kürzlich gewonnene Prozess von Louisa Neubauer gegen Akif Pirinçci[3], erfahren zudem viel sexualisierten Hass, Erniedrigungen und Gewalt.

So polarisierend Proteste und Aktionen von Umweltaktivist*innen auch sein mögen, oft wird ignoriert, dass Umweltschützer*innen, sofern nicht anders belegt, im Rahmen ihrer Aktivitäten Grundrechte auf freie Forschung, freie Meinungsäußerung und Versammlung ausüben. Wer sich im Rahmen von Forschung oder Protestaktionen für Umwelt- und Naturschutz einsetzt, sollte keine Angst vor Hassreden, Diffamierung, Gewalt oder Mord haben müssen.

Dies sehen inzwischen auch die Vereinten Nationen, genauer gesagt die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) so. Die Vertragsstaaten der Aarhus-Konvention haben beschlossen, einen Sonderberichterstatter für „Environmental Defenders“ zu berufen, um die Situation zu analysieren und bedrohten Umweltschützer*innen in konkreten Fällen Hilfe zu leisten. Im Juli 2021 wurde Dr. Michel Forst, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter zur Lage von Menschenrechtsverteidigern, ins Amt gewählt.

Auf seinem Antrittsbesuch in Deutschland als erster UN-Sonderberichterstatter für Umweltschützer, traf Dr. Forst am 07. März 2023 mit verschiedenen Umweltorganisationen und Aktivist*innen im UfU zusammen, um sich ein erstes Bild von der Lage in Deutschland machen zu können. Vertreter*innen der Letzten Generation, des NABU, BUND, Green Legal Impact und des UfU berichteten über zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland und die aktuelle Situation.

Herr Dr. Forst betonte, sich in seiner Mandatszeit darum zu bemühen, Umweltorganisationen und Menschenrechtsorganisationen besser untereinander zu vernetzen und eine Anlaufstelle für bedrohte Umweltschützer*innen zu bieten. Dies wird unter anderem dadurch ermöglicht, dass Menschen sich online direkt an den Sonderberichterstatter wenden können. Wenden sich Umweltschützer*innen mit konkreten Vorwürfen der Repression an das Mandat, werden diese Fälle untersucht und nach entsprechender Prüfung gegebenenfalls diplomatische Schritte in die Wege geleitet. Unter anderem mit Hilfe von öffentlich einsehbaren Berichten soll Druck auf Akteur*innen wie Unternehmen und Regierungen ausgeübt werden, die Rechte von Umweltschützer*innen zu wahren. Bei konkreter Gefahr für Leib und Leben der Umweltschützer kann das Mandat auch direkt in den Ländern intervenieren und Delegationen schicken.

Auch ziviler Ungehorsam wird in der zukünftigen Arbeit von Dr. Forst eine Rolle spielen. Das Mandat möchte die verschiedenen neuen Gruppierungen untersuchen, die mit zivilem Ungehorsam arbeiten und erfassen, welche rechtlichen Implikationen die Protestierenden in den verschiedenen Vertragsländern durch ihre Protestformen erwarten. Weitere Fokuspunkte von Dr. Forst werden in der Mitteilung der UNECE genannt: UN Special Rapporteur on Environmental Defenders presents his vision for mandate to ensure protection under the Aarhus Convention

Das UfU begrüßt die Einberufung von Dr. Forst sehr. Umweltschützer*innen müssen weltweit stärker geschützt werden. Auch wenn Deutschland und Europa mit seinen zahlreichen großen und einflussreichen Umweltverbänden nicht der Fokuspunkt des Sonderberichterstatters darstellen werden und mit Blick auf andere Krisenherde nicht sein sollten, beobachten wir auch bei uns eine zunehmende Einschränkung der Zivilgesellschaft. Ein Beispiel dafür ist der immer wiederkehrende Versuch, in neuen Beschleunigungsdebatten die Beteiligungsrechte von Bürger*innen zu beschneiden. Deutschland muss als gutes Beispiel für die Welt im Schutz von demokratischen Werten und Rechten vorangehen und alles dafür tun, dass Menschen ihr Recht auf Demonstration, Forschung, Berichterstattung und Protest wahrnehmen können, ohne Hass, Diffamierungen und Gewalt ausgesetzt zu sein.

Über die Aarhus Konvention

Die UNECE ist der Verwaltungssitz der sogenannten Aarhus-Konvention. Die Aarhus-Konvention wurde von 47 Vertragsparteien, unter anderem der Europäischen Union und allen Mitgliedsstaaten der EU, ratifiziert und ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der jeder Person Rechte im Umweltschutz zuschreibt. 

Die drei Hauptsäulen der Aarhus-Konvention sind das 

- Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die Umwelt, 

- das Recht auf Beteiligung in Umweltangelegenheiten und das

- Recht auf Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten. 

Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsparteien außerdem, dafür zu sorgen, dass Personen nicht bestraft, verfolgt oder in irgendeiner Weise belästigt werden, weil sie ihre Rechte aus dem Übereinkommen wahrnehmen. Der neue Sonderberichterstatter soll dies in Zukunft kontrollieren und dafür sorgen, dass die Zivilgesellschaft diese Rechte ungehindert wahrnehmen können.

[1] Hine (2022), Decade of Defiance – Ten years of reporting environmental activism worldwide.

[2] Jung & Naiv (2023), Energie-Ökonomin Claudia Kemfert (DIW) über System-Change – Jung und Naiv: Folge 629

[3] Hoppenstedt (2020), Was über mich geschrieben wird, ist schon krass, Spiegel-Interview mit Louisa Neubauer

Auf der Internetseite von Ufu  hier  kann man sich an den Sonderberichterstatter wenden.

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