21.03.2023, BR hier Rebekka Markthaler/Berit Breitsamer
Klimawandel in Bayern
Fernwasserleitungen vom wasserreicheren Süden in den trockeneren Norden: Mit dem Klimawandel werden sie immer wichtiger im Kampf gegen die Dürre. Mit Blick auf die Zukunft sorgen sich aber auch die Regionen mit mehr Wasser um ihre eigene Versorgung.
Den Schreckmoment hatte Birgit Kreß vor fünf Jahren. Kreß ist Bürgermeisterin im mittelfränkischen Markt Erlbach und erinnert sich noch gut an den Moment, als sich ihre Sorgen bewahrheiteten. Bis 2018 lieferte unter anderem die Aurachquelle Trinkwasser für die Gemeinde. Aber dann wurde das Gebiet wegen des Klimawandels immer trockener – die Quelle verlor an Schüttleistung und das betroffene Gemeindegebiet konnte nicht mehr ausreichend mit Trinkwasser versorgt werden, so Kreß: "Das war ein beklemmendes Gefühl und man ringt da schon nach Lösungen. Und dann hat man sich natürlich intensiv Gedanken gemacht und gesagt, so geht’s nicht weiter."
Trockene Orte setzen auf Fernwasserleitungen
Die Lösung: Fernwasser. Also Wasser, dass über Leitungen aus gut versorgten Orten kommt. Markt Erlbach hat sich einer Verbundleitung angeschlossen und bezieht seither Teile seines Trinkwassers aus dem knapp 100 Kilometer entfernten Genderkingen in Schwaben. Sie sei überzeugt, so Bürgermeisterin Kreß, "dass wir die richtige Entscheidung noch zum richtigen Zeitpunkt getroffen haben und dass wir wieder ruhig schlafen können."
So wie Markt Erlbach setzen viele Städte und Gemeinden vor allem in Franken vermehrt auf Fernwasser. Dort ist es deutlich trockener als im Süden Bayerns, unter anderem wegen des geringeren Niederschlags.
Fernwasser aus Schwaben – wie lange noch?
Am anderen Ende der Leitung sitzt Leonhard Schwab. Er ist Bürgermeister der Gemeinde Genderkingen in Schwaben – also dem Ort, von dem das Wasser bis nach Franken gepumpt wird. An der Lech-Donaumündung liegt eines der größten Wasserreservoirs in Bayern. Bisher sei alles gut, so Schwab, genügend Wasser, auch die Qualität stimme, aber: "Wir fürchten, dass es in 10, 20 Jahren anders aussieht." Denn auch in Schwaben sorgt man sich darüber, dass der Klimawandel die Grundwasserbestände beeinträchtigt.
Die Fernwasserversorgung Franken versorgt die Region rund um Erlangen und Nürnberg mit Grundwasser aus Genderkingen
Klimawandel: Wasserreicher Ort fürchtet eigene Knappheit
Seit 50 Jahren schon versorgt Genderkingen über das nordbayerische Ausgleichs- und Verbundsystem Gemeinden in Franken mit Grundwasser. Aber der Vertrag mit dem Zweckverband Wasserversorgung Fränkischer Wirtschaftsraum (WFW) läuft Ende des Jahres aus. Aktuell laufen die Verfahren für eine Verlängerung – für weitere 30 Jahre. Außerdem sollen die Liefermengen erhöht werden: Statt wie bislang knapp 30 Millionen Kubikmeter Wasser sollen in Zukunft maximal 52 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr in den Norden fließen. Oberbürgermeister Schwab sieht das mit Sorge.
Die Versorgung Frankens durch Genderkingen sei zwar wichtig, aber angesichts des Klimawandels sei es riskant, solche Liefermengen für so einen langen Zeitraum festzuschreiben: "Man muss das jährlich monitoren, man muss auch einwirken können. Wir haben hier natürlich die Sorgen, dass wir selber bezüglich unserer eigenen Versorgung unter Umständen irgendwann Probleme kriegen könnten", so Schwab.
Kommunen fordern Wassercent als Ausgleich
Hinzu kommt: Die Gemeinde muss hohe Auflagen einhalten, um die Trinkwassersicherheit zu gewährleisten. Genderkingen und 15 weitere Städte und Gemeinden haben sich deshalb in einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder gewandt. Sie fordern einen Wassercent. Der soll einen finanziellen Ausgleich schaffen – zwischen den Kommunen, die Wasser liefern und denen, die davon profitieren. So ein Wasserentnahme-Entgelt fordern auch die Grünen. In anderen Bundesländern gibt es diesen Wassercent schon. Und auch die Bayerische Staatsregierung möchte ihn einführen – allerdings wurde das auf unbestimmte Zeit verschoben.
Wie auch immer sie aussehen – die Kommunen müssen sich auf Lösungen verständigen. Denn Experten sind sich einig: Wasserverbünde werden in Zukunft immer wichtiger. In Franken etwa kommt es immer früher im Jahr zu Engpässen in der örtlichen Versorgung, so Hermann Löhner von der Fernwasserversorgung Franken. Er hat auch an der nationalen Wasserstrategie mitgearbeitet.
Wasser in Zeiten der Klimakrise: Ohne Vernetzung geht es nicht
Vor allem in den trockenen Sommermonaten, wenn es über lange Zeit nicht regne, seien die Leitungen aus dem Süden unersetzlich – genauso wie in Zukunft auch bundesländerübergreifend, glaubt Löhner. Eine Fernwasserleitung von Bayern nach Brandenburg? Die ist laut Bundesumweltministerin Steffi Lemke zwar erstmal nicht geplant. Aber dass der regenreichere Süden den trockeneren Nordosten im Notfall mit Wasser versorgt, schon. Einer von vielen Punkten in der Nationalen Wasserstrategie, die das Kabinett in Berlin jetzt beschlossen hat. Der Klimawandel macht es nötig. Angesichts sinkender Grundwasserspiegel, Dürren und Überflutungen hat der Schutz des Trinkwassers laut Strategie oberste Priorität.
"Man sieht schon, dass der Kampf ums Wasser zunimmt"
Dass der Bedarf steigt, zeigt auch das Beispiel der mittelfränkischen Gemeinde Wilhermsdorf, nur sechs Kilometer entfernt von Markt Erlbach. In Wilhermsdorf kommt das Wasser zwar schon seit langem unter anderem aus Genderkingen. Bereits in den 50er-Jahren hatte der eigene Brunnen nicht mehr gereicht.
240.000 Kubikmeter jährlich per Fernwasserleitung – bis vor zwei Jahren. Dann musste die Gemeinde ihr Kontingent erhöhen, auf 300.000 Kubikmeter jährlich. Homeoffice, Klimawandel, Absicherung für neue Baugebiete – da seien einige Gründe zusammengekommen, so der technische Werksleiter Klaus Baumann. Gleichzeitig sinke der individuelle Wasserbrauch kaum, beobachtet Baumann. "Man sieht schon, dass der Kampf ums Wasser zunimmt."
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