Geschichte und Kultur / National geographic hier Craigh Welch 25. März 2023,
Es gibt mehr Menschen als je zuvor. In diesem Jahrhundert könnte der Höhepunkt erreicht werden. Welche Folgend wird das für uns haben?
Die Menschheit hat einen neuen Meilenstein passiert: Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) erreichte die Anzahl der Menschen auf der Erde im vergangenen November die Marke von acht Milliarden. Seit der ersten UN-Weltbevölkerungskonferenz 1974 hat sich damit unsere Anzahl in weniger als 50 Jahren verdoppelt. 1974 existierten nur drei Ballungsräume, in denen zehn Millionen Menschen oder mehr lebten: New York, Tokio und Mexiko-Stadt. Heute sind es mehr als 30. Die Gründe für die Bevölkerungsexplosion sind hinlänglich bekannt – medizinische Versorgung, sanitäre Einrichtungen und Erträge der Landwirtschaft haben sich stark verbessert. Infolgedessen sank die Kindersterblichkeit drastisch und die Lebenserwartung stieg.
Demografen des International Institute for Applied Systems Analysis (IISA) in Österreich sowie des Institute for Health Metrics and Evaluation in Seattle, USA, gehen davon aus, dass die Weltbevölkerung noch in diesem Jahrhundert auf maximal 9,4 bzw. 9,7 Milliarden steigt. UNExperten halten ein Maximum von 10,4 Milliarden für möglich. Doch irgendwann zwischen Jahrhundertmitte und dem Jahr 2100 wird unser stetes Wachstum wohl abrupt enden. „Es besteht ein Konsens darüber, dass die Weltbevölkerung ihren Höhepunkt wahrscheinlich vor Ende des Jahrhunderts erreichen wird“, sagt Patrick Gerland, der für die UN-Abteilung für Bevölkerungsfragen die Prognosen überwacht. Selbst wenn die Menschheit weiter wächst, könnten heute lebende Kinder und einige Erwachsene erleben, wie die Weltbevölkerung ein Plateau erreicht oder sogar zurückgeht – mit noch unabsehbaren Folgen.
Mehr als die Hälfte des für das nächste Vierteljahrhundert prognostizierten Bevölkerungswachstums wird voraussichtlich in nur acht Ländern in Asien und Afrika stattfinden: in Pakistan, den Philippinen, Indien, Ägypten, Äthiopien, Tansania, Nigeria und der Demokratischen Republik Kongo. In fast zwei Dutzend anderen Ländern wie Thailand, Spanien und Japan, könnte die Bevölkerung bis zum Ende des Jahrhunderts um die Hälfte zurückgehen. Was werden diese Veränderungen für uns bedeuten?
Die Vereinten Nationen haben prognostiziert, dass China im Jahr 2023 erstmals seit Jahrhunderten nicht mehr das bevölkerungsreichste Land der Erde sein. Indien wird China überholen.
Schon vor Einführung der „Ein-Kind-Politik“ im Jahr 1980 war die Geburtenrate in China rückläufig. Das beispiellose Wirtschaftswachstum des Landes hat die Bildungs- und Karrieremöglichkeiten für Frauen erweitert. Viele haben die Mutterschaft hinausgeschoben oder auf Kinder verzichtet, wobei die Anzahl der Frauen im gebärfähigen Alter gesunken ist. Obwohl die Menschen in China immer länger leben, ist die Bevölkerung des Landes – derzeit etwa 1,4 Milliarden – geschrumpft. Die Anzahl der Arbeitskräfte, die China zur Fabrik der Welt machten, sinkt bereits seit einem Jahrzehnt. Bis 2050 könnten in China 500 Millionen Menschen älter als 60 Jahre sein. Dieses Ungleichgewicht zwischen Jung und Alt wird in Zukunft die große Herausforderung für China sein.
Anders sieht es in Afrika aus. In Nigeria liegt das Durchschnittsalter bei nur 17 Jahren, ist also weniger als halb so hoch wie in China. Auch hier sinkt die Geburtenrate, doch sie ist noch immer etwa fünfmal so hoch wie in China. Die Bevölkerung von derzeit etwa 224 Millionen Menschen könnte sich bis 2100 mehr als verdreifachen. Etwa ein Drittel der Nigerianer lebt in extremer Armut, schon jetzt sind Millionen Menschen vom Hungertod bedroht.
Die natürlichen Grenzen unseres Planeten
Keine der Prognosen trägt der Belastung der endlichen globalen Ressourcen angemessen Rechnung, Wildtiere und Fische verschwinden schon jetzt in rasantem Tempo. Der Klimawandel wird zur größten Bedrohung für Artenvielfalt, Lebensmittelsicherheit und den Zugang zu Süßwasser. Rückwirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung sind noch unsicher. Extreme Hitze, steigende Meeresspiegel und Unwetter sprechen für zunehmende Migration. Auch die Bevölkerungsentwicklung könnte zu mehr Wanderung zwischen den Ländern führen, da jene, deren Erwerbsbevölkerung schrumpft, verzweifelt nach Arbeitskräften jenseits ihrer Grenzen suchen.
In Ländern mit hohem Einkommen wie den Vereinigten Staaten oder Deutschland wird die Einwanderung das Bevölkerungswachstum vorantreiben. 1968, als die Erde gerade einmal 3,5 Milliarden Menschen zählte, befürchtete der Biologe Paul Ehrlich in seinem berühmt-berüchtigten Buch „Die Bevölkerungsbombe“, dass die Überbevölkerung Hunderte Millionen Menschen in den Hungertod treiben würde. Stattdessen veränderte eine grüne Revolution mit Kunstdünger, Mechanisierung und ertragreichem Saatgut die Landwirtschaft. Wir steuern noch immer auf eine Zukunft zu, in der es viel mehr Menschen gibt – an manchen Orten aber auch viel weniger. Werden der menschliche Erfindungsgeist und die Milliarden zusätzlicher Gehirne einen Weg finden, mit dieser neuen Realität fertig zu werden?
Wie Überbevölkerung bei gleichzeitigem Bevölkerungsschwund zu einer der großen Herausforderungen unseres Jahrhunderts wird, lesen Sie im NATIONAL GEOGRAPHIC Magazin 4/23.
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