Donnerstag, 27. Juni 2024

Als erstes Land der Welt: Warum Dänemark es schafft, eine Klimasteuer auf Fleisch und Milch einzuführen

Irgendwie springt einen beim Lesen der Artikel  der Vergleich zur gescheiterten Borchert-Kommission in Deutschland an. Die Ergebnisse liegen in den Schubladen fest verschlossen, es hieß das sei zu teuer. Die Naturschutzseite hatte die Kommission zuletzt ganz verlassen, da der Schluss nahelag, dass sie mit viel Trickserei ausgebootet werden sollte. 

"Der Deutsche Bauern­verband hat mehrmals Zusagen für mehr Umweltschutz im wichtigsten Beratergremium der Bundesregierung zur Landwirtschaft gebrochen."   hier

Wie geht es nun weiter in Deutschland?   hier


Spiegel hier  Von Alexander Preker  25.06.2024

Ein CO₂-Preis für Fleisch- und Milchbetriebe: Fast alle in Dänemark sind zufrieden mit dieser Weltpremiere. Das Beispiel zeigt, wie eine solche Reform funktionieren kann und was sie für Bauern, Umwelt und Verbraucher bedeutet.

In Neuseeland hatten sie auch den Plan, eine Klimasteuer auf die Produktion von Milch und Fleisch einzuführen. Bis der heftige Widerstand der Bauern die Regierung in die Knie zwang. Nun wird also aller Voraussicht nach Dänemark der erste Staat der Welt mit einer CO₂-Abgabe für die klimaschädlichen Bereiche der Landwirtschaft. Von Bauernprotesten im nördlichen Nachbarland wird allerdings eher nicht zu lesen sein. Denn viele Landwirte finden die Klimasteuer sogar gut.

Der Grund dafür ist der gleiche, aus dem das Vorhaben mit großer Wahrscheinlichkeit durch das dänische Parlament gehen wird: Die Klimasteuer kommt mit ausreichend Vorlauf, nämlich im Jahr 2030. Und sie ist in einem übergreifenden Konsens erarbeitet worden. 

An dem über Monate hinweg ausgehandelten Kompromiss waren Vertreter aller relevanter Betroffenen beteiligt: Minister der drei regierungstragenden Parteien, der Naturschutzverband Danmarks Naturfredningsforening, die Gewerkschaften Dansk Metal und Fødevareforbundet NNF, der Arbeitgeberverband Dansk Industri, der Kommunalverband KL – und vor allem auch die dänische Landwirtschafts- und Lebensmittelindustrie.

Vorangegangen war die Arbeit einer Expertenkommission. Vorgesehen ist, dass Bauern umgerechnet etwa 40 Euro (300 Kronen) pro Tonne CO₂ im Jahr 2030 zahlen, die dann auf etwa hundert Euro (750 Kronen) im Jahr 2035 steigen sollen. Im Gegenzug sollen die Landwirte Entlastungen bei der Einkommensteuer bekommen – besonders durch großzügige Abzugsmöglichkeiten für grüne Investitionen in der Landwirtschaft. Die effektive Belastung soll damit künftig zwischen rund 15 Euro (120 Kronen) und rund 40 Euro (300 Kronen) pro Tonne CO₂ liegen.

Darüber hinaus sollen etwa vier Milliarden Euro (30 Milliarden Kronen) für die Stilllegung von Flächen und die Aufforstung bereitgestellt werden. Zum Vergleich: Bezogen auf die Einwohnerzahl wären das in Deutschland rund 65 Milliarden Euro. Weitere 1,3 Milliarden Euro (10 Milliarden Kronen) sollen für die Lagerung von Biokohle aus Pyrolyse zur Verfügung stehen. Dabei wird durch die Verkohlung von ⁠Biomasse CO₂ aus der Atmosphäre entzogen. Die Vereinbarung legt auch neue Regeln fest, um die Ökologie der dänischen Küstengewässer zu verbessern. Der sozialdemokratische Umweltminister Magnus Heunicke hob etwa hervor, dass der Kompromiss auch Verschärfungen für den Einsatz von Stickstoff beim Düngen vorsehe, der das Wasser in Form von Nitrat belastet. »Wir müssen die Fische zurück in unsere Fjorde bringen«, sagte er. »Dafür haben wir jetzt einen klaren Plan.«

Wie Milchwirtschaft deutlich klimafreundlicher stattfinden könnte, können Sie ausführlich hier lesen hier

Besonders aber will Dänemark mit dem neuen Kompromiss seinem Ziel näherkommen, die CO₂-Emissionen bis 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Dabei zählen Fleisch- und Milchprodukte zu den wichtigsten Exportgütern des Landes. Die Landwirtschaft trägt 35 Prozent zu den Gesamtemissionen bei, und der Anteil könnte weiter wachsen. Zum Vergleich: In Deutschland sind es etwa acht Prozent, die Bundesrepublik hat sich eine Vorgabe gegeben, die CO₂-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent zu senken.

Bauern können sich umstellen

Der Chef der Lebensmittelindustrie-Lobby Landbrug & Fødevarer, Søren Søndergaard, sprach dennoch von einem bahnbrechenden Abkommen, das der dänischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktionen einen neuen Rahmen setze. Man habe in den Verhandlungen dafür gesorgt, »dass es weiterhin möglich ist, die Branche weiterzuentwickeln, anstatt sie zu demontieren«. Die Landwirte haben schließlich auch mehr als fünf Jahre Zeit, sich auf die neue Abgabe einzustellen und die eigene Produktion mit Blick aufs Klima zu optimieren.

Die Landwirtschaft steht wegen hoher klimaschädlicher Emissionen in Dänemark seit Langem unter Druck. Bei der Fleisch- und Milchproduktion wird besonders viel Methan ausgestoßen. Dies gilt als weit klimaschädlicher als CO₂ und wird in sogenannte CO₂-Äquivalente umgerechnet. »Andere Länder werden dazu von uns ermutigt«, sagte der sozialdemokratische Steuerminister Jeppe Bruus zur geplanten neuen Klimasteuer.

Dass die dänischen Landwirte sich nun mit dem Vorhaben einverstanden erklärt haben, dürfte auch daran liegen, dass sie damit einen deutlich niedrigeren CO₂-Preis zahlen sollen als ein Großteil der anderen Industriezweige des Landes. Auch in Deutschland gibt es einen CO₂-Preis von aktuell 45 Euro pro Tonne, er ist hierzulande bislang jedoch nur auf fossile Brennstoffe wie Benzin, Heizöl und Gas fällig.

Ein Milchbauer aus Jütland sagte dem Sender Danmarks Radio , durch die neue Steuer gebe es für ihn nun einen Anreiz, auf seinem Hof die Emissionen einzudämmen. So komme etwa eine Umstellung des Futters in Betracht. Durch einen speziellen Zusatz sollen die Methanemissionen der Kühe etwa um 30 Prozent reduziert werden können. Auch über einen anderen Umgang mit der Gülle und einer Umwandlung in Biogas denkt er nach. Wenn die Bauern es geschickt anstellen, dürfte die tatsächliche Belastung für sie sehr niedrig sein.

Die neue Abgabe könnte jedoch auch negative Folgen haben. So dürfte der Preis für das Kilo Hackfleisch zumindest um wenige Kronen steigen. Bis 2035 sei aber auch ein Verlust von rund 2000 Arbeitsplätze in Land- und Forstwirtschaft sowie zugehörigen Industriezweigen denkbar, berichtete der Sender TV2  unter Berufung auf die Regierung. Die liberale Wirtschaftsministerin Stephanie Lose verwies demnach jedoch auch darauf, dass – etwa durch die geplanten Pyrolyse-Projekte – auch neue Jobs entstehen. Es gebe nun einen Rahmen für eine »nachhaltigere, hochtechnologische und effiziente landwirtschaftliche Produktion«, sagte sie.

»Wir können eine so niedrige Steuer nicht akzeptieren«

Der sozialdemokratische Steuerminister Jeppe Bruus wertete den Kompromiss ausdrücklich als Anregung zur Nachahmung: »Andere Länder werden dazu von uns ermutigt.« Außenminister Lars Løkke Rasmussen von den Moderaten sagte, die Einigung auf die CO₂-Abgabe in der Landwirtschaft sei ein Beleg dafür, dass Politik über die politische Mitte hinweg funktioniere. Das üblicherweise von Minderheitsregierungen rechts oder links der politischen Mitte geführte Land, wird seit Ende 2022 von einer für Dänemark unüblichen Großen Koalition aus Sozialdemokraten, Moderaten und Liberalen regiert.

Die Einigung geht zahlreichen Klimaschützern in Dänemark indes nicht weit genug. Die hohen Abzugsmöglichkeiten und die hohen Subventionen würden an der intensiven Viehhaltung nichts ändern, beklagt Niklas Sjøbeck Jørgensen vom »Rat für grüne Umstellung«. Greenpeace wiederum kritisierte die aus seiner Sicht zu niedrige Höhe der geplanten CO₂-Abgabe. Christian Fromberg, der sich bei der Organisation um die Landwirtschaft kümmert, sagte: »Wir können eine so niedrige Steuer nicht akzeptieren, die erst 2030 in Kraft tritt und die eine umweltverschmutzende Landwirtschaft mit der weltweit größten Fleischproduktion aufrechterhält.« Der nun gefundene Kompromiss bleibe selbst hinter dem schlechtesten Vorschlag einer Expertengruppe zu dem Thema zurück.

Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters


Frankfurter Rundschau  hier  25.06.2024  Von: Thomas Borchert

Weltpremiere in Dänemark

Die dänische Regierung führt eine CO2-Steuer für die Landwirtschaft ein / Höhe bleibt aber sehr gering.

Aus Kopenhagen kommt eine Neuigkeit, für die Klimaschutzgruppen von Neuseeland bis Deutschland bisher vergeblich gekämpft haben: Als erster Staat der Welt führt Dänemark eine CO2-Steuer für Klimabelastung durch die Landwirtschaft ein.

In dem kleinen und extrem intensiv bewirtschafteten Land produziert die hochmoderne Agrarindustrie ein Drittel aller CO2-Emissionen und steht damit ganz oben auf der nationalen Schadstoff-Rangliste. So werden dänische Milchprodukte als Exportschlager von der Umwelt auch damit bezahlt, dass 550 000 Kühe jedes Jahr 3,2 Millionen Tonnen für das Klima extrem schädlicher Methangase in die Luft entlassen.

Nach der von der Regierung verkündeten Einigung müssen die Bauernbetriebe ab 2030 zunächst netto 120 Kronen und ab 2035 300 Kronen (16/40 Euro) je Tonne C02 als Klimaabgabe zahlen. Diese Beträge liegen vor allem dank hoher steuerlicher Abzugsmöglichkeiten weit unter dem, was von der Klimabewegung mit einhelliger Experten-Unterstützung gefordert wurde. Sie hatte dabei als Ziel immer im Auge, dass die Bepreisung von C02-Emissionen die Umstellung von tierischer auf pflanzliche Produktion stimulieren oder letztlich auch erzwingen muss.

Maria Reumert Gjerding, Präsidentin von Dänemarks Naturschutzverband, feierte das Übereinkommen trotz der niedrigen Abgabe als „extrem ehrgeizig und bahnbrechend“, weil es zusätzlich zum Klimaschutz vor CO2 umfassende Maßnahmen für eine insgesamt nachhaltigere und für weniger Landwirtschaft vorsehe. So stellt der Staat 40 Milliarden Kronen (5,4 Milliarden Euro) für den staatlichen Kauf landwirtschaftlicher Nutzflächen bereit, die in weiten Teilen zu Wald- und anderen Naturflächen umgewandelt werden sollen. Gjerding nannte dies „eine vollkommen neue Richtung für Natur, Klima und Landwirtschaft“.

Bäuerinnen und Bauer gelassen

Während betroffene Landwirt:innen sich in ersten TV-Interviews beruhigt über die geringe Höhe ihrer kommenden CO2-Abgabe äußerten, sieht Außenminister und Ex-Regierungschef Lars Løkke Rasmussen dramatische Veränderungen kommen. Man werde „Dänemark in zehn Jahren nicht wiedererkennen“, weil die Natur jetzt wieder massiv zu ihrem Recht kommen könne.

Für die Gewässer rund um Dänemarks 7000 km lange Küsten erwartet auch der Meeresbiologe Stieg Markager durch die Reduzierung landwirtschaftlicher Nutzflächen bessere Zeiten. Er hatte in den 20 letzten Jahren die politische Tatenlosigkeit gegen das Gewässersterben durch Nährstoffe aus landwirtschaftlicher Gülle-Einleitung angeprangert. Zur neuen Einigung rund um die CO2-Abgabe sagte er im Sender DR: „Das ist ein richtig großer Tag für unsere Meeres-Umwelt“.

„Viel zu schwach“

Ob die überwiegende Begeisterung in ersten Kommentaren auch beim Studium des Kleingedruckten hält, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Kritisch vor allem über die niedrige Höhe der C02-Abgabe äußerten sich mehrere Oppositionsparteien: So werde man das dänische Klimaziel von 70 Prozent weniger CO2 bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050 auf keinen Fall erreichen. Greenpeace findet die angepeilte Stilllegung landwirtschaftlicher Flächen „viel zu schwach“. Die Dreier-Koalition unter Führung der Sozialdemokratin Mette Frederiksen hat sich für ihr Maßnahme-Paket die Unterstützung sowohl des seit Jahren gegen die CO2-Abgabe mauernden Bauernverbands, anderer Wirtschaftsverbände wie auch des Naturschutzverbands gesichert.


Tagesschau hier  25.06.2024 
Dänemark plant Klimasteuer im Agrarsektor

Erstmals sollen die Treibhausgas-Emissionen von Schweinemast- und Milchbetrieben besteuert werden. Der Vorstoß soll Dänemark helfen, sein Klimaziel zu erreichen.

Als erstes Land der Welt will Dänemark eine Klimasteuer für Schweinemast- und Milchbetriebe einführen. Eine Expertenkommission hatte eine solche Abgabe auf die Treibhausgasemissionen der Branche empfohlen.

Deutschlands nördlicher Nachbar, der viele Fleisch- und Milchprodukte exportiert, will auch damit sein Ziel erreichen, die Emissionen bis 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. "Andere Länder werden dazu von uns ermutigt", sagte Steuerminister Jeppe Bruus.
Das große Torfmoor bei Minden

Auch andere Länder diskutieren Maßnahme


Während die Bundesrepublik inzwischen
CO2-Steuern oder Abgaben bei fast allen Bereichen
wie Verkehr, Wärme, Energie oder Industrie erhebt,
gibt es bislang keine solche für die Landwirtschaft.
 


Der Sektor ist für etwa acht Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands verantwortlich, in Dänemark sind es 35 Prozent.
Das ebenfalls agrarisch geprägte Neuseeland hatte nach heftigem Widerstand seiner Bauern einen solchen Plan fallen gelassen. Auch in Deutschland, das seine Emissionen um 65 Prozent verringern soll, wird das Thema schon seit längerer Zeit diskutiert.

Methan-Emissionen werden umgerechnet

Das Vorhaben muss noch durch das dänische Parlament. Ihm werden aber gute Chancen eingeräumt, da es große Zustimmung für Treibhausgas-Regeln im Agrarbereich gibt - sogar aus der Branche selbst.
Bei der Fleisch- und Milchproduktion fallen vor allem auch Methan-Emissionen an. Methan ist weit klimaschädlicher als CO2 und wird in sogenannte CO2-Äquivalente umgerechnet. Vorgesehen ist, dass Landwirte umgerechnet etwa 40 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030 zahlen, die bis 2035 auf etwa 100 steigen sollen. Im Gegenzug sollen die Bauern bei der Einkommenssteuer entlastet werden, so dass die effektive Belastung zwischen rund 15 und 40 Euro pro Tonne CO2 liegen soll.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen