Donnerstag, 20. Juni 2024

Und plötzlich entdeckt er Wärmepumpen

Und warum informieren sich die Herren nicht rechtzeitig und sachorientiert vor ihrer Kampagne?
Das halte ich doch zumindest für eine Pflichtaufgabe unserer Spitzenpolitiker, bevor sie Stimmung in diesem Ton machen. Uns allen wäre viel erspart geblieben, wenn man an die traurigen Auswirkungen dieses Merz- und Spahn-Populismus-Spiels denkt.

Focus hier 20.6.24 Von Malte Kreutzfeldt

Neue Wärmepumpen-Befürworter: Plötzlich macht selbst die Union die Heizgesetz-Kehrtwende

Die CDU rückt von ihrer scharfen Kritik am Heizungsgesetz der Ampel ab: Parteichef Friedrich Merz präsentiert sich als Wärmepumpen-Fan, Vize Andreas Jung erhebt Forderungen, die keine große Veränderung bedeuteten würden.

Die CDU rückt von ihrer Ankündigung ab, die im vergangenen Jahr von der Ampel-Koalition beschlossene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Fall eines Wahlsiegs komplett zu stoppen. Stattdessen sind nach Informationen aus Parteikreisen nur einzelne Anpassungen geplant; die Details dazu werden derzeit erarbeitet. Bei der Verabschiedung des Gesetzes im vergangenen September hatte CDU-Chef Friedrich Merz noch erklärt: „Wir werden dieses Heizungsgesetz wieder zurücknehmen.“ Fraktionsvize Jens Spahn hatte einen angeblichen „Wärmepumpen-Zwang“ kritisiert , der mit Kosten von „80.000 bis 100.000 Euro“ einhergehe, und die Partei hatte mit einer Online-Unterschriftensammlung gegen den „Heizungs-Hammer der Ampel“ protestiert.

Passend dazu: Wärmepumpen-Experte: „An irgendeiner Stelle sind wir komplett falsch abgebogen“
Plötzlich macht selbst die Union die Heizgesetz-Kehrtwende
Mittlerweile hat sich die Tonlage deutlich geändert. Bei der Eröffnung der „Wärmepumpen-Akademie“, in der das Unternehmen Enpal Montagehelfer für die Installation schult, gab Merz am Freitag ein klares Bekenntnis ab: „Wir, die Union, wir stehen voll und ganz hinter dieser Wärmewende“, sagte der CDU-Vorsitzende. Und das gelte auch für die Wärmepumpe: Deren Technologie sei „faszinierend“ und „ein ganz wesentlicher Träger für diese Transformation“.

Präsentieren sich als große Fans der Wärmepumpe: Jens Spahn (2. v. l.) und Friedrich Merz (3. v. l.) mit Enpal CEO Mario Kohle (4. v. l.) bei der Eröffnung der „Wärmepumpen-Akademie“.

Vertreter von Enpal und dem Wärmepumpen-Hersteller Bosch machten bei der Veranstaltung deutlich, dass sie die Ankündigung der Rücknahme der nach langem Streit verabschiedeten Gesetzesnovelle für keine gute Idee halten. „Von der Politik wünschen wir uns Verlässlichkeit, Klarheit und Planungssicherheit“, sagte Enpal-CEO Mario Kohle. Dieser Wunsch findet offenbar zunehmend Gehör.

Auf die Frage, was genau die Union beim GEG ändern wolle, sagte der für Klimapolitik zuständige Parteivize Andreas Jung zu Table.Briefings: „Wir werden den hemmenden Rucksack der Überregulierung abwerfen , den die Ampel mit ihrem Heizungsgesetz auf das GEG gepackt hat.“ Das Gesetz solle unterschiedliche Technologien ermöglichen. Das könne „etwa der Anschluss an ein Wärmenetz sein, eine Wärmepumpe, Solarthermie, Geothermie, Holzpellets, eine Gasheizung, die auf Biomethan oder Wasserstoff umgestellt wird“, so Jung. Dafür müsste das Gesetz allerdings nicht geändert werden – alle diese Optionen sind dort bereits vorgesehen. Als weitere Forderung nennt Jung, Pelletheizungen bei der Förderung mit Wärmepumpen komplett gleichzustellen. 

Das Original zu diesem Beitrag "Plötzlich macht selbst die Union die Heizgesetz-Kehrtwende" stammt von Table.Media.


TAZ hier  19.6.24 Anja Krüger
Und plötzlich entdeckt er Wärmepumpen

Bigotterie kann so schön sein: Gerade noch ließ CDU-Chef Friedrich Merz keine Gelegenheit aus, die Wärmepumpe schlechtzumachen. Jetzt hat der Oppositionsführer sein Herz für die klimafreundliche Alternative zu fossilen Heizungen wie Gas- oder Ölöfen entdeckt. Die Technologie der Wärmepumpe sei „faszinierend“, sagte Merz bei einer Veranstaltung des Unternehmens Enpal, das diese Apparate in großem Stil installiert.

„Eigentlich hätte im Jahr 2023 eine viel höhere Zahl von Wärmepumpen eingebaut werden müssen“, sagte Merz bei der Eröffnung eines Enpal-Weiterbildungszentrums für Heizungsinstallateure.

Das sind ganz neue Töne. Vor Kurzem noch hat Merz das Vorhaben scharf attackiert, dass die Ampelregierung in Wärmepumpen eine der wesentlichen Instrumente für die Abkehr vom fossilen Heizen sieht. Jetzt der Sinneswandel: „Wir, die Union, wir stehen voll und ganz hinter dieser Wärmewende“, erklärte er. Die Wärmepumpe sei ein wesentlicher Träger dieser Transformation, so der Oppositionsführer im Bundestag bei der Enpal-Veranstaltung.

Das Unternehmen wird vom Vermögensverwalter BlackRock unterstützt, für den Merz früher tätig war. Vielleicht hat diese Geschäftsverbindung etwas mit der neuen Faszination des CDU-Vorsitzenden für die Wärmepumpe zu tun, wie etliche in den sozialen Medien vermuten. Aber das ist eher unwahrscheinlich, die neue Liebe käme reichlich spät. Schließlich sind Friedrich Merz und seine Par­tei­freun­d:in­nen mitverantwortlich dafür, dass die Wärmepumpe bei vielen ein sehr schlechtes Ansehen hat.

Nur Zukunftsmusik

Im Verein mit der Springer-Presse und der FDP hat die Union dafür gesorgt, dass die Wärmepumpe – noch immer – vielen als Inbegriff des absurden Heizens gilt. Sie haben den Kri­ti­ke­r:in­nen Rückenwind gegeben, die Apparate wurden und werden systematisch schlechtgeredet. So wird behauptet, die Wärmepumpe sei nicht leistungsstark genug, zu laut, zu teuer, gehe zu schnell kaputt und ihr Einsatz nur in top sanierten älteren Häusern sinnvoll. Das stimmt so pauschal nicht. Es kommt auf den Einzelfall an.

Doch die Rufschädigung hat gewirkt. Es wurden und werden weniger Wärmepumpen eingebaut, als die Bundesregierung und die Branche erwartet haben – die Geschäfte für Enpal und andere laufen viel schlechter als erhofft. 2023 wurden in Deutschland rund 356.000 Wärmepumpen installiert, Tendenz zum Ende des Jahres und in den ersten Monaten 2024 fallend. Die von der Bundesregierung anvisierten 500.000 neu eingebauten Wärmepumpen pro Jahr sind erst mal Zukunftsmusik.

Immerhin: In Neubauten gehört der Einbau dieser klimafreundlichen Heizungen mittlerweile zum Standard. Mit dem von Merz und anderen als „Heizungshammer“ geschmähten Heizungsgesetz, das seit Anfang des Jahres geräuschlos in Kraft ist, will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dafür sorgen, dass auch bestehende Häuser nach und nach klimafreundlich heizen. Oft ist die Wärmepumpe dafür die beste Lösung. Aber in den Hallen der Hersteller stapeln sich die Geräte.

Die Kampagne von Merz und Co war leider erfolgreich: Im vergangenen Jahr haben fast 800.000 Ei­gen­tü­me­r:in­nen eine neue Gasheizung einbauen lassen. Sie werden in Zukunft mit sehr hohen Heizkosten dafür büßen.

Ihnen nützt die späte Kehrtwende von Merz und Co nichts mehr. Denn das ist ja das Fatale an falschen Investitionsentscheidungen bei einer Heizung, die aufgrund der Stimmungslage getroffen werden. Sie können nicht einfach korrigiert werden – eine politische Position aber schon.

Auch scheint die Union das Heizungsgesetz nach einem Wahlsieg auf Bundesebene offenbar doch nicht komplett rückgängig machen zu wollen. Was auch immer den Merz’schen Sinneswandel ausgelöst haben mag – echte Einsicht, ein Einlauf von BlackRock oder schwarz-grüne Koalitionsambitionen: egal.

Entscheidend ist, dass die Union ihren Frieden mit der begonnenen Wärmewende macht. Sie zurückzudrehen, wie es die Christ­de­mo­kra­t:in­nen bislang wollten, wäre in Zeiten der Klimakrise Wahnsinn.

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