Zeit hier Fünf vor 8:00 - Eine Kolumne von Mark Schieritz 11. Juni 2024
Das Ergebnis der Europawahl zeigt: Klimaschutz kommt nicht gut an. Manchmal muss man deshalb als Politiker seine Karriere riskieren. So wie Robert Habeck.
Gerhard Schröder und Robert Habeck sind politisch (und persönlich) sehr unterschiedliche Menschen. Es gibt aber eine Gemeinsamkeit: Beide haben etwas gewagt – und beide haben verloren. Der eine das Kanzleramt, der andere Wählerstimmen, zuletzt bei der Europawahl am vergangenen Sonntag.
Es soll hier nicht um eine inhaltliche Würdigung der Hartz-Reformen (Schröder) und des Heizungsgesetzes (Habeck) gehen. Die Texte dazu füllen inzwischen Bibliotheken. Der entscheidende Punkt ist: In beiden Fällen wurde der Status quo in einer für deutsche Verhältnisse ungewöhnlichen Radikalität infrage gestellt. Schröder kürzte den Leuten die Unterstützungsleistungen bei Arbeitslosigkeit, Habeck wollte ihnen vorschreiben, wie sie ihre Wohnung heizen.
In beiden Fällen standen die Einzelmaßnahmen für einen grundlegenderen Politikwechsel. Schröder wollte die Wirtschaft entfesseln, Habeck will sie transformieren. Aber das Versprechen war damals wie heute: Kurzfristig mögen die Maßnahmen schmerzhaft sein, langfristig aber schaffen sie Wohlstand. Weil sie die Effizienz steigern (Schröder). Beziehungsweise weil Wachstum und Treibhausgasemissionen voneinander entkoppelt werden (Habeck).
Wer zu spät kommt, den bestraft der Wähler
Die Wähler allerdings sind offensichtlich nicht sehr schmerzresistent. Schröder verlor die Bundestagswahl 2005 gegen Angela Merkel. Es dauerte 16 Jahre, bis wieder ein Sozialdemokrat ins Kanzleramt einzog. Habeck ist zwar noch Wirtschaftsminister, aber seine Partei hat bei den ersten landesweiten Wahlen seit seinem Amtsantritt so stark verloren, wie keine andere im Bundestag vertretene Partei.
Nun kann man natürlich einwenden, das Heizungsgesetz sei in seiner ursprünglichen Form eben schlecht gemacht und vor allem medial verhetzt worden.
Beides ist nicht ganz falsch, aber erstens ist dieses Gesetz ja nur ein Element einer umfassenderen Transformationsstrategie (zu der auch der Ausbau der erneuerbaren Energien gehört). Und zweitens ist die Deformation des öffentlichen Diskurses ein Strukturmerkmal der Gegenwart.
Beides ist nicht ganz falsch, aber erstens ist dieses Gesetz ja nur ein Element einer umfassenderen Transformationsstrategie (zu der auch der Ausbau der erneuerbaren Energien gehört). Und zweitens ist die Deformation des öffentlichen Diskurses ein Strukturmerkmal der Gegenwart.
Wer auch immer Politik macht, muss damit rechnen, von Putin-Trollen und sogenannten alternativen Medien mit Lügen und Halbwahrheiten torpediert zu werden. Und zwar in Zukunft eher mehr als weniger. Die Hoffnung auf mehr Rationalität in der öffentlichen Debatte wird sich nicht erfüllen, jedenfalls deutet im Moment nichts darauf hin.
Man kann auch einwenden, dass die Wahrnehmung einer mangelnden sozialen Abfederung der Maßnahmen ein Problem ist. Das ist ebenfalls korrekt. Das Heizungsgesetz ist ohne ein ausgearbeitetes Förderkonzept an die Öffentlichkeit geleakt worden. Inzwischen gibt es ein solches, aber wie das so ist in der Politik: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Beziehungsweise der Wähler.
Was vielleicht noch wichtiger ist: Einen perfekten Sozialausgleich kann es angesichts der Heterogenität der Lebensverhältnisse nicht geben. Selbst wenn ein höherer Preis für den Ausstoß von Kohlendioxid in Kombination mit einem Klimageld eingeführt würde, gäbe es immer Menschen, die unter dem Strich mehr belastet würden. Weil das Haus schlecht gedämmt ist, oder der Weg zur Arbeit weit. "Ein pauschales Klimageld reicht daher für viele Haushalte nicht aus, um teils hohe finanzielle Belastungen zu kompensieren", schreibt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in einer aktuellen Studie.
Man kann sich jedenfalls darauf verlassen: Der Boulevard findet immer eine Oma auf dem Land, die unter den gestiegenen Kosten leidet.
Damit soll nicht gesagt sein, dass es nicht das Ziel der Politik ein sollte, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verbinden. Denn Robert Habeck hat sich das mit der Transformation nicht einfach so ausgedacht. So wie sich Schröder das mit der Agenda nicht einfach ausgedacht hat. Beide reagierten auf sich ändernde Umstände. Denn selbst wenn es die Klimaziele nicht gäbe, könnte die deutsche Autoindustrie nicht einfach weiter machen wie bisher. In China und in anderen Absatzländern steigt der Marktanteil der Elektrofahrzeuge. Der Verbrenner ist nicht die Zukunft. Habeck hin oder her.
Aber wie alle großen Reformen produziert auch die Klimareform Gewinner und Verlierer. Und es wird schon aus technischen Gründen nicht gelingen, immer alle Verlierer angemessen zu entschädigen. Selbst, wenn es dafür politische Mehrheiten gibt.
Deshalb gilt fast immer:
Wer reformiert, der riskiert seine politische Karriere.
Wer reformiert, der riskiert seine politische Karriere.
Manchmal muss man das tun.
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