Mittwoch, 12. Juni 2024

Die Allianz hinter dem Angriff aufs E-Auto

hier  Standard  András Szigetvari   8. Juni 2024, 

Die ÖVP ist nicht allein (in Österreich).....

Wenn sich die ÖVP für den Erhalt des Verbrennungsmotors in den Ring wirft, macht sie damit nicht bloß Wahlkampf. Sie setzt sich für Interessen einer Reihe von Unternehmen aus der Autobranche wie der Landwirtschaft ein. Das ist legitim, aber es gibt dennoch einen Haken

Grafik zu Energiekette (der Standard)


Wie man sich die Kämpfer für die E-Fuels von morgen vorstellen muss? Es sind die Benzinbrüder von heute. Rund fünf Dutzend heimische Unternehmen haben sich unter Federführung der Wirtschaftskammer zur "E-Fuel-Alliance" zusammengeschlossen, die für den langfristigen Erhalt der Verbrennertechnologie in Europa kämpft.

Mit dabei sind mittelgroße Tankstellennetzbetreiber wie Ecodrom, Gutmann oder Tank Roth. Auch große Player wie Avia, die Doppler-Gruppe, die österreichweit 260 Tankstellen unter dem Markennamen Turmöl besitzt, und das Unternehmen Stiglechner mit seinen 154 Tankstellen haben sich angeschlossen. Motorölerzeuger, Dieselproduzenten und Heizölhändler sind dabei, die OMV sowieso, aber auch der Autozubehörhändler Forstinger sowie der ÖAMTC und die Wiener Linien.

Kanzler Karl Nehammer hat zu Wochenbeginn zu einem "Autogipfel" geladen und dabei einige Forderungen der E-Fuel-Initiative fast wortgleich vorgetragen. Allen voran: Die EU müsse technologieoffen in die Zukunft schreiten, es brauche ein "Aus vom Verbrenner-Aus". Er sei nicht gegen E-Autos, aber es dürfe keine Einengung auf eine einzige Technologie geben, so der Kanzler.

Mehr als nur Stimmenfang

Damit machte er natürlich Stimmung im Finale des EU-Wahlkampfes. Kaum ein Thema hat da so aufgeregt wie das Gezerre rund um den Verbrenner. Die ÖVP hofft, ordentlich Wähler mobilisieren zu können, indem sie sich für Benziner und Dieselautos starkmacht. Aber Nehammer spricht eben auch für eine beachtliche Zahl an heimischen Unternehmern, die sich aus wirtschaftlichen Interessen in den Kampf für Verbrenner werfen. Da ist nichts Verwerfliches dran. Kein Unternehmen, das sein Geschäftsfeld bedroht sieht, muss das Feld kampflos räumen. Tankstellenpächter haben mit der Elektrifizierung des Verkehrs ja was zu verlieren. Sich politisch für die Interessen dieser Gruppe starkzumachen ist auch legitim. Der Haken: Der Debatte täte eine Portion Ehrlichkeit ganz gut, denn viele der vorgebrachten Argumente sind fragwürdig oder falsch.

Das beginnt bei der zentralen Forderung der E-Fuel-Initiative und des Kanzlers nach Technologieoffenheit. Die relevante EU-Verordnung aus dem April 2023 legt nämlich nur Zielvorgaben für Emissionen künftiger Neuwagenflotten fest. Dabei gilt für Pkw wie für leichte Nutzfahrzeuge, dass diese ab 2035 kein Co2 mehr ausstoßen dürfen. Wie das stattfinden muss, ist nicht festgelegt. Der Prozess ist technologieoffen.

Regelung kommt

Sehr wohl in der Verordnung steht, dass es für klimaneutrale Kraftstoffe wie E-Fuels eine Ausnahmeregelung geben soll. E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe. Mittels Elektrolyse wird aus Wasser Wasserstoff gewonnen. Dieses wird mit Kohlendioxid (CO2) verbunden, das etwa aus industriellen Anlagen stammt. Das Co2 wird zuerst gebunden und dann freigesetzt. Erfolgt die Erzeugung von E-Fuels mit grünem Strom, etwa via Windkraft, ist der Prozess emissionsneutral.

Weil die Materie komplex ist, fehlt noch eine finale EU-weite Regelung. So braucht es Vorgaben, wie Autohersteller ab 2035 sicherstellen können, dass Kundinnen und Kunden in Neufahrzeuge nicht weiter Benzin und Diesel statt E-Fuels tanken, was technisch möglich wäre. Da neben Österreich auch Deutschland den Einsatz synthetischer Kraftstoffe propagiert, gibt es wenig Grund, daran zu zweifeln, dass die neue EU-Kommission nach den Wahlen die notwendigen Regeln ausarbeiten wird.

Faktor Fahrspaß

Dabei sind sich alle relevanten Stakeholder einig, dass E-Fuels in den kommenden 15 bis 20 Jahren nicht in Mengen vorhanden sein werden, um im Autoverkehr eine relevante Rolle zu spielen. Das sagt unter anderem die Internationale Energieagentur in Paris, hinter der die Industrieländer stehen, die also nicht im Verdacht steht, eine Öko-Vereinigung zu sein. Die E-Fuel-Produktion findet laut einem IEA-Bericht aus dem Jänner 2024 nirgendwo auch nur annähernd in industriellem Maßstab statt.
Es gibt zwar 200 angekündigte Projekte, die meisten sind jedoch nur kleine Testanlagen für Düngemittelerzeugung, wo ebenfalls Erdöl ersetzt werden soll. Die wenigsten größeren Projekte sind ausfinanziert, geschweige denn gebaut. E-Fuels werden dort eine Rolle spielen, wo nicht elektrifiziert werden kann auf absehbare Zeit: bei Flugzeugen und Schiffen.

Kein Wunder. Von VW, über Ford, Fiat, Hyundai, bis zu General Motors, Honda, Volvo und Peugeot: Mit wenigen Ausnahmen, setzen alle großen Autobauer auf eine aggressive Elektrifizierungsstrategie.

Die Hersteller werfen in den kommenden Jahren dutzende neue E-Autos auf den Markt oder haben bereits ein Enddatum für Verbrenner angekündigt. Das Rennen um den Automarkt der Zukunft scheint gelaufen: Das Auto wird batterieelektrisch sein. Das liegt nicht nur daran, dass diese Autos im Verkehr kein Co2 emittieren. Die Autos sind auch effizienter als Verbrenner (siehe Grafik). Das erhöht den Fahrspaß: Wer Elektroautos einmal erprobt hat, bleibt dabei. Befragungen des Datendienstleisters Uscale in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen, dass die Kundenzufriedenheit von E-Auto-Fahrern höher ist als von Verbrennerbesitzern. Selbst Hersteller wie Porsche, die mit E-Fuels experimentieren, sehen es als Nischenprodukt.

Erhaltung des Status quo

Der E-Fuel-Einsatz wird im Automobilsektor möglich werden, aber nur in Nischen stattfinden. All das weiß auch die ÖVP und die heimische E-Fuel-Initiative.

Es scheint weniger darum zu gehen, E-Fuels zu propagieren. Man will den Status quo so lange wie möglich, jedenfalls bis lange nach 2035, erhalten. Wenn das Verbrenner-Aus-Datum gekippt ist und E-Fuels kaum vorhanden sind, was bliebe da, außer Benzin und Diesel? Das fossile Geschäftsmodell samt Tankstellennetz und Motorölerzeugern könnte weiterlaufen. So gesehen geht es auch um einen Kampf gegen zu viele E-Autos: "Wer das Enddatum 2035 torpediert, verunsichert Autokäufer", sagt der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. "Damit töten sie das Elektroauto."

Das mag übertrieben sein. Aber in der Debatte gibt es noch ein zweites Kampffeld. Neben der E-Fuel-Initiative sind auch Vertreter der Landwirtschaft umtriebig im Autosektor. Sie hoffen auf ein Körberlgeld, indem sie die Beimengung von Biokraftstoffen zu Diesel und Benzin forcieren. Nehammer erwähnte Biokraftstoffe mehrmals nach dem Autogipfel. Auch da gibt es eine heimische Initiative: die Plattform Erneuerbare Kraftstoffe (PEK). Vorstand dort ist ÖVP-Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager, zu den Mitgliedern gehören der Nahrungsmittelkonzern Agrana, die Landwirtschaftskammer, der ÖAMTC und die E-Fuel-Alliance.

Im Auftrag des ÖAMTC

Die Beimengung von Biokraftstoffen als Ersatz für Erdöl findet bereits in kleinen Mengen statt. Als Basis dient meist Zuckerrohr, Mais oder Palmöl. Aber auch hier gilt:_Laut Energieagentur werden Biokraftstoffe dort gebraucht, wo nicht elektrifiziert werden kann, also im Schiffs-, Flug- und Schwerverkehr. Denn hier gibt es ebenfalls ein Mengen- und Verfügbarkeitsproblem. Es werden nicht so viele Schnitzel gebraten, wie Biokraftstoffe für den Autoverkehr nötig wären. Und wer Mais und Soja einsetzt, muss dafür neue landwirtschaftliche Flächen erschließen oder konkurriert mit der Lebensmittelindustrie. Kurzum: Auch das ist eher ein Nischenprodukt.

Im Jänner wurde im Auftrag des ÖAMTC dennoch eine Studie publiziert, wonach Österreich seine Emissionsziele (minus 50 Prozent)_im Verkehrssektor 2030 erreichen kann, wenn die Beimengung von Biokraftstoffen ambitioniert ausgebaut und der Tanktourismus zurückgedrängt wird. E-Autos spielen in der Analyse, die vom Economica-Institut und der Best GmbH stammt, die zu Bioenergie forscht, auch eine Rolle, aber am Rande. Das macht Sinn: Wer biogene Kraftstoffe für geeignet hält, um die Emissionsziele im Verkehrssektor zu erreichen, braucht nicht mehr zwingend das Elektroauto. Im März berichtete das ÖAMTC-Magazin Auto Touring, mit einer Auflage von zwei Millionen Stück, freudig vom Ergebnis der Studie, die zeige, dass die Klimaziele im Verkehrssektor auch mit dem Verbrenner in Reichweite sein könnten. Titel des Editorials dazu: "Weniger Populismus". (András Szigetvari, 8.6.2024)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen