Montag, 10. Juni 2024

Das riesige Potenzial der E-Autos für die Energiewende

Das ist meine Energie-Hoffnung für die Zukunft: Die Energiewirtschaft  ist kein Privileg der großen Konzerne mehr, Viele Menschen haben die Möglichkeit, eigenen Strom zu erzeugen und damit auch ihre Fahrzeuge anzutreiben. Und wenn die Batterien dann auch noch im großen Maßstab als Speicher dienen können - das wäre doch wirklich ein Fortschritt für uns Bürger!

hier  ZEIT ONLINE  Geschichte von Christoph M. Schwarzer • Mai 2024

Die Lösung für die Schwankungen bei Solar- und Windkraft sind E-Autos. Kommende Modelle können Strom ins Netz zurückspeisen. Davon profitieren Fahrer und Gesellschaft.

Wenn Solar- und Windkraft mal mehr Strom erzeugen, als verbraucht wird, können E-Autos an heimischen Ladestellen als Energiespeicher dienen – und den Strom später bei Bedarf wieder abgeben, wenn zu wenig im Netz ist.

Ausgerechnet der Renault 5, ein Kleinwagen. Er wird das erste E-Auto sein, das in Europa am Strommarkt teilnimmt. Der R5, der ab September ausgeliefert wird, kann Strom wieder zurück ins Netz geben. 

So kann das Auto automatisiert gezielt dann laden, wenn der Preis an der Strombörse gerade niedrig ist – und Energie wieder abgeben, wenn der Preis gestiegen ist, etwa weil momentan wenig Wind weht und Sonne scheint. Neben der Produktion ist auch die Nachfrage im Tages- oder Jahresverlauf sehr unterschiedlich. Das E-Auto dient somit als Speicher. Renault verspricht, dass Fahrerinnen und Fahrer ihre Kosten für Ladestrom so um bis zu 40 Prozent senken können.

Nebenbei hilft es, die Energiewende umzusetzen. Aber damit E-Autos im großen Maßstab dazu beitragen können, muss die Politik noch einige Hindernisse beseitigen. Wenn das gelingt, ist davon auszugehen, dass dem sogenannten bidirektionalen Laden ab Sommer 2025 der Durchbruch gelingt.

Dass es kein Tesla oder Porsche, sondern ein französischer Kleinwagen ist, der den Anfang am Strommarkt macht, hat unter anderem mit The Mobility House zu tun. Renault und das Münchner Unternehmen kooperieren, um die Energie aus dem R5 an der Strombörse Epex Spot in Paris kursabhängig verkaufen und kaufen zu können. The Mobility House steuert den Handel für Renault sowie die Fahrzeughalterinnen und -halter, die am Ertrag beteiligt werden.

Hersteller beugen Abnutzung der Batterie vor

Voraussetzung dafür ist eine spezielle Ladestelle des Renault-Unternehmens Mobilize sowie ein Renault-Stromtarif. Und es muss schon eine der teureren Varianten des R5 sein (die Preise für das Auto sind noch nicht bekannt). Das Prinzip ist trotzdem repräsentativ für das, was kommt: Nicht die Besitzerinnen der Elektroautos handeln den Strom aus der Batterie an den Börsen, sondern ein professioneller Anbieter.

Manche E-Fahrerin mag sich nun sorgen, dass das zusätzliche Be- und Entladen seine Batterie verschleißen lässt. Die Autohersteller geben jedoch durch das Batteriemanagement Bedingungen vor, die die Abnutzung gering halten. Schließlich garantieren sie eine gewisse Haltbarkeit. Zum Beispiel, dass die Batterie nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern noch mindestens 70 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität hat.

Dank E-Auto beim Campen immer Strom dabei

E-Autos können prinzipiell nicht nur Strom ins Netz zurückspeisen (vehicle to grid, V2G). BMW zum Beispiel kündigt für die sogenannte Neue Klasse, die ab Mitte 2025 verkauft wird, auch vehicle to house (V2H) und vehicle to load (V2L) an. Die Autos sollen unter anderem Strom aus der eigenen Fotovoltaikanlage puffern und später ins Hausnetz abgeben können. Das senkt im Zusammenspiel mit einem dynamischen Stromtarif die Energiekosten.

Man kann auch elektrische Geräte wie eine Heckenschere mit einem E-Auto betreiben (V2L). Und auf dem Campingplatz ist der Strom aus dem Elektroauto vielleicht billiger als der vom Betreiber der Anlage. Bei Hyundai, Kia und MG gibt es dieses Feature bereits, und weitere Hersteller werden folgen.

Doch das sind eher Kleinigkeiten im Vergleich zu dem anfangs angesprochenen Beitrag zur Energiewende. Wie wichtig Stromspeicher sind, zeigt eine Studie des Fraunhofer ISE (Institut für Solare Energiesysteme) aus dem Jahr 2021. Wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral wirtschaften will, sind nach dem Szenario 515 Gigawattstunden Speicherkapazität notwendig. Nur einen kleinen Teil davon, 63 Gigawattstunden, werden Pumpspeicherkraftwerke ausmachen. Dabei wird Wasser bei Stromüberfluss nach oben gepumpt, um es bei Bedarf durch Turbinen wieder zurücklaufen zu lassen. Ein erheblicher Ausbau der heute 47 Gigawattstunden ist kaum zu erwarten, weil die Kosten zu hoch sind, die Batteriepreise dagegen aller Voraussicht nach weiter sinken werden.

Aktuell hat Deutschland mehr als 13 Gigawattstunden stationäre Batteriespeicher, also jene in den Hauskellern plus den gigantischen Batteriespeichern, die von den Großversorgern derzeit aufgebaut werden. Das Szenario des Fraunhofer ISE hatte schon für 2024 zusätzlich mobile Speicher – also Elektroautos – mit 39 Gigawattstunden Kapazität vorgesehen. Nichts davon ist Realität, und das liegt vor allem an der fehlenden politischen Deregulierung.

Denn E-Autos werden rechtlich nicht wie andere Stromspeicher behandelt. "Mobile Speicher, also Elektroautos, müssen stationären Batterien in Häusern gleichgestellt werden", sagt Marcus Fendt, Geschäftsführer von The Mobility House. Er fordert, dass Elektroautos wegen ihres Beitrags für die Energiewende genau wie Hausbatterien von den Netzentgelten befreit werden. Diese Gleichstellung müsse das Bundeswirtschaftsministerium "nach Jahren der Diskussion jetzt endlich entscheiden", sagt Fendt.

Das Ministerium wiederum verweist auf Anfrage auf die "derzeit noch geltende" Rechtslage bei der Netzentgeltbefreiung, die eine Gleichbehandlung von Elektroautos etwa zu Pumpspeicherkraftwerken nicht zulasse.

Der Mensch muss mitmachen

"Wir haben rechnerisch schon heute mehr Speicher in Form von Elektroautos als alle Pumpspeicherkraftwerke zusammen", sagt Jörg Heuer, CEO von EcoG, einem Münchner Unternehmen, das europäischer Marktführer bei Software für die Ladeinfrastruktur ist. Es unterstützt auch die Entwicklung von Gleichstrom-Wallboxen. Diese Ladestationen sind ein weiterer wichtiger Baustein, damit bidirektionales Laden sich verbreitet. Sie sind effizienter, lassen sich besser regeln und ins Netz integrieren.

Gleichstrom-Wallboxen werden derzeit noch selten angeboten und sind zu teuer. Fachkreise berichten, dass sich das ab 2025 radikal ändern könnte, wenn sie erst auf Masse produziert werden.

Doch dann gibt es noch eine letzte elementare Voraussetzung, damit das bidirektionale Laden sich durchsetzt: Der Mensch muss mitmachen. Nur wenn die Fahrer zu Hause das Kabel tatsächlich einstecken, fließt Strom in die eine oder andere Richtung. Aber wenn es darum geht, mit dem Elektroauto Geld zu verdienen, lassen sich viele Leute mühelos überzeugen.

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