Mittwoch, 12. Juni 2024

#Faktenfuchs: Kein Klimawandel und keine Dürren wegen Windrädern

BR Audiobeitrag  hier 21.07.2023, Von Fabian Dilger, Mitarbeit/Recherche: Fritz Espenlaub.

Windkraftanlagen verursachen keine Dürren. Anders als teilweise behauptet, verändern die Anlagen nicht das Klima und das Wetter. Die fraglichen Behauptungen übertreiben einzelne Aspekte oder sind durch die Studienlage nicht gedeckt. Ein #Faktenfuchs.

Darum geht’s:

Windkraftanlagen verändern nicht das Klima. Sie verteilen in bestimmten Fällen, vor allem in klaren Nächten, Wärme in der Luft auch in Richtung Boden.

Studien und Experten bewerten diesen Effekt am Boden als sehr gering, auch im Vergleich zum menschengemachten Klimawandel. Falls sich die Temperatur erhöhe, dann geschehe das in überschaubaren Räumen.

Für die Behauptung, dass Windkraftanlagen in großem Stil Niederschläge verhindern, gibt es keine Belege. Experten schätzen, dass es keinen oder nur einen lokalen Effekt geben könnte.


Fünf neue Windräder pro Tag bis zum Jahr 2030: Wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht, werden Zehntausende Windräder in Zukunft die deutsche Energiewende möglich machen. Doch wie bei anderen Energiewende-Maßnahmen und Klimawandel-Fragen wird oft hitzig debattiert.

Dabei spielen auch Falschinformationen eine Rolle – zusammengefasst lauten sie so: Windräder veränderten angeblich das Klima und verursachten höhere Temperaturen und weniger Niederschlag und somit Dürren. Diese Behauptungen sind durch Studien, die als vermeintliche Belege dafür herangezogen werden, nicht gedeckt.


Behauptungen über Windkraft übertreiben Teilaspekte

Bei den Behauptungen wird mit einer Technik von Wissenschafts-Leugnung argumentiert, der sogenannten ungenauen Induktion. Bei den Behauptungen werden Teilaspekte unzulässigerweise auf das große Ganze übertragen. Bei Windkraftanlagen lassen sich zwar bestimmte Temperatur-Effekte beobachten – doch diese sind nach bisherigem Forschungsstand lokal oder regional begrenzt und nicht in größeren Räumen wirksam.

Es ist außerdem nicht belegt, dass Windkraftanlagen den Niederschlag signifikant beeinflussen. Experten zufolge beeinflussen die Anlagen nicht im großen Stil unser Wetter, da dieses in großen Höhen über den Windrädern entsteht.


Wie viele Windräder letztendlich in Deutschland und im Meer stehen werden, das ist noch nicht genau zu beziffern. Grob geschätzt, könnten im Jahr 2030 insgesamt 23.000 Windräder in ganz Deutschland und der Nord- und Ostsee sich drehen. Auf diese Zahl kommt man mit zwei Schritten: Zuerst rechnet man mit der Zielleistung von 115 Gigawatt, die die Windkraft im Jahr 2030 insgesamt für Deutschland liefern soll. Dann rechnet man – konservativ – mit einer Nennleistung von fünf Megawatt pro Windrad.

Diese prognostizierten 23.000 Anlagen decken sich auch ungefähr mit einer Berechnung des Think-Tanks Energy Watch Group, der sich für den Ausbau der Erneuerbaren einsetzt. Derzeit gibt es laut dem Bundesverband Windenergie sogar mehr als 28.000 Anlagen in Deutschland. Deren Zahl könnte aber sinken, weil alte Windräder durch neue, leistungsfähigere ersetzt werden könnten.


Windkraftanlagen durchmischen die Luft und ändern damit Temperaturen

Windkraftanlagen erzeugen Strom aus Wind. Der Rotor der Anlage wandelt die Windenergie zuerst in mechanische Rotationsenergie um. Ein Generator erzeugt daraus dann elektrische Energie. Das heißt, der Wind wird zuerst einmal schwächer, schreibt der Deutsche Wetterdienst (DWD) dem #Faktenfuchs: "Auch Windenergieanlagen entnehmen der Luftströmung Energie, verwirbeln sie ('Nachlaufwirbel') und bremsen sie ab."

Dieser Vorgang wirkt sich auf die Lufttemperaturen und die Luftfeuchtigkeit auf der windabgewandten Seite der Anlagen aus. Diese Effekte treten vor allem in einer bestimmten Situation auf, sagt Meteorologe Stefan Emeis. Er ist emeritierter Professor für Meteorologie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und hat zu den Auswirkungen von Windkraftanlagen in der Nordsee geforscht. Diese spezielle Konstellation seien klare Nächte, so Emeis. Und zwar, weil es dann eine stabile Verteilung der Luftschichten gebe – unten kalt, oben warm.

(Transparenzhinweis: Stefan Emeis sitzt für die Partei "Bündnis 90/Die Grünen" im Stadtrat Weilheim.)

Wenn nun der Wind auf ein Windrad trifft, dann durchmischt dieses die Luftmasse, sagt Emeis. "Also teilweise wird Luft von unten nach oben gehoben, dafür wird von oben Luft nach unten gemischt." Die Folge: Die Luft in Bodennähe wird wärmer, die Luft in höheren Schichten kälter.

Dasselbe passiert mit der Luftfeuchtigkeit, sagt Emeis. Nachts ist die relative Luftfeuchtigkeit in Bodennähe höher als in höheren Luftschichten. Das Windrad durchmischt diese Luft, trockene Luft wird von oben nach unten, ein Teil der feuchten Luft von unten nach oben transportiert. "Dann ist die Luft hinter dem Windpark in Bodennähe etwas wärmer geworden und sie ist etwas trockener geworden", sagt Emeis.

Emeis betont: Diese Wärme-Umverteilung finde statt, wenn der beschriebene Unten-Oben-Unterschied in der Lufttemperatur stabil vorhanden sei. "Tagsüber, wenn die Sonne scheint, ist der Effekt auch weg." Denn dann sei die Luft sowieso schon besser durchmischt. Auch bei bewölkten oder regnerischen Nächten funktioniere diese Wärme-Umverteilung nicht.


💡 Wie viele Windräder sind ein "Windpark"?

"Windrad" ist der umgangsprachliche Begriff für eine einzelne "Windkraftanlage". Mehrere dieser Anlagen sind laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts dann eine "Windfarm", "wenn drei oder mehr Windkraftanlagen einander räumlich so zugeordnet werden, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren". Statt "Windfarm" wird im Deutschen auch oft der Begriff "Windpark" gebraucht. Der Land-Windpark mit den meisten Anlagen in Deutschland hat 153 Windräder, die größten deutschen Windparks auf See haben bis zu 80 Windräder (Stand: 2021).


Studien deuten auf wärmere Nacht-Temperatur um Windparks hin

Eine Erwärmung der Landoberfläche innerhalb oder in der Nähe von Windparks wurde auch in mehreren Studien festgestellt, zum Beispiel in der Nordsee, in Schottland und im US-Bundesstaat Texas. In einer Studie aus dem Jahr 2022 wurden Satellitendaten für die Umgebung von 319 Windparks in den USA ausgewertet: Bei 61 Prozent der Anlagen stieg die Oberflächentemperatur über ein Jahr betrachtet um durchschnittlich 0,36 Grad – aber nur nachts.

Ein Studienüberblick aus dem Jahr 2019 fasst die Forschungslage zusammen: "Nachts (stabiles Regime) führt die Anwesenheit eines Windparks nachweislich zu einem Temperaturanstieg (Erwärmung) in Oberflächennähe ... [tagsüber] ist die Veränderung der Oberflächentemperatur dagegen nachweislich relativ schwächer."

Außerdem werden in diesem Überblick Studien angeführt, die einen kühlenden Effekt von Windkraftanlagen ergaben. In diesen Szenarien herrschte aber keine stabile Verteilung, sondern eine sogenannte "Konvektion". Dabei steigt warme Luft nach oben und kalte Luft sinkt nach unten.

Stefan Emeis sagt zu dieser möglichen Temperaturverringerung durch Windräder bei einer Konvektion: "Tagsüber bleibt es durch die zusätzliche Durchmischung etwas kühler, da sich der Boden nicht ganz so stark aufheizt."

"Beide Effekte (nachts und tagsüber) sind überhaupt nur bei klarem Himmel relevant. Bei bedecktem Himmel und Regen passiert gar nichts, weder in die eine noch in die andere Richtung", schreibt Emeis.


Wärme wird nur umverteilt, nicht zugeführt

Was beim Punkt Temperaturerhöhung wichtig ist: Die vom #Faktenfuchs befragten Experten betonen, dass Windkraftanlagen nicht die globale Temperatur in Gänze gesehen erhöhen. Sie verteilen Wärme nur um, diese wird in der untersten Schicht der Atmosphäre in den beschriebenen Fällen aus der Höhe des Windrads von oben nach unten geschoben.

Der Meteorologe Thomas Birner von der Ludwig-Maximilians-Universität München sagt im Gespräch mit dem #Faktenfuchs: Das sei nicht derselbe Effekt, den zusätzliches CO2 in der Atmosphäre habe.


"Es ist im Wesentlichen eine Umverteilung in der Vertikalen.
Das heißt, es wird nicht Wärme erzeugt
und es wird auch nicht Wasserdampf vernichtet,
 sondern es wird nur umverteilt"


sagt Stefan Emeis.


Welche Größenordnung haben die Veränderungen?

In welchem Umfang sich Temperatur und Luftfeuchtigkeit ändern, "das hängt natürlich davon ab, wie stark dieser Unterschied der Luftmassen vorher war", sagt Emeis. Das heißt: Je größer der Unterschied zwischen der Luft in Bodennähe und der Luft oben auf Windradhöhe sei, desto stärkere Änderungen gäbe es mit der Luft-Durchmischung.

Emeis schätzt die nächtliche Erwärmung der Luft in Bodennähe in der Nähe von Windparks in klaren Nächten auf circa ein halbes Grad. Die relative Luftfeuchtigkeit in Bodennähe würde um circa fünf bis zehn Prozent sinken. Wie gesagt, dies gilt laut Emeis vor allem für den Fall eines klaren Himmels – und diesen gebe es nur in zehn Prozent aller Nächte. Mit dieser groben Rechnung (10 Prozent von 0,5 Grad) schätzt Emeis die Erwärmung der Luft in Bodennähe im kompletten Jahresdurchschnitt auf circa 0,05 Grad. "Und dann wird das im Vergleich zur globalen Erwärmung schon vernachlässigbar", sagt Emeis zu den Auswirkungen in Bodennähe.

Der Energiemetereologe Dr. Martin Dörenkämper forscht beim Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) zum Zusammenspiel von atmosphärischen Strömungen und Windparks. Dörenkämper sagt, für Deutschland gebe es keine Studien, die die Temperatur rund um große Windparks an Land untersuchten. Er schätzt, dass hierzulande möglicherweise in Modellen, nicht in Messungen, eine Erwärmung von bis zu 0,2 Grad zu sehen sei. "Das kommt dann sehr in einen Bereich, den man nicht messen wird können, weil die Messgeräte nicht genau genug sind."

(Transparenzhinweis: Martin Dörenkämper ist privat bei der Initiative "Scientists for Future" aktiv, die sich laut eigener Aussage dafür einsetzt, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in politische Debatten einfließen. Die Fraunhofer-Gesellschaft finanziert sich nach eigenen Angaben neben öffentlichen Geldern von Bund und Ländern und öffentlicher Projektfinanzierung auch mit Aufträgen aus der Wirtschaft.)

Windräder verändern nicht großräumig die Temperatur

Diese Temperatur-Veränderungen, die vor allem in klaren Nächten stattfinden, haben laut Experten aber nur einen räumlich begrenztem Umfang. Und zwar reicht der Nachlaufeffekt über sehr glatten Oberflächen deutlich weiter als über rauen. Der DWD schreibt dem #Faktenfuchs: "Da die Meeresoberfläche sehr glatt ist, kann bei einer Wettersituation mit stabil geschichteten Luftmassen dieser Nachlauf in 50 Kilometern und mehr nachgewiesen werden." In einer Studie, an der Stefan Emeis beteiligt war, wurden auf Flügen die Temperaturen auf windabgewandten Seiten von Windparks in der Nordsee gemessen. Dabei ließen sich um bis zu 0,6 Grad erhöhte Temperaturen bis zu 45 Kilometer im Nachlauf von Windparks nachweisen.

"Über Land sind solche Nachläufe einzelner Windparks deutlich kürzer, vielleicht circa fünf Kilometer", schreibt Emeis dem #Faktenfuchs. Martin Dörenkämper sagt dasselbe: An Land sei der Nachlauf deutlich kürzer. Die unebene Oberfläche an Land vermische die Luft vor dem Windpark und nach dem Windpark viel stärker als die Meeresoberfläche. Deswegen gleiche sich die Temperatur der verschiedenen Luftschichten an Land generell viel schneller wieder aneinander an. Es gäbe keinen langen Nachlaufeffekt am Boden.

"Selbst ein Feld ist sehr viel rauer als es eine Wasseroberfläche ist", erklärt Dörenkämper. Ein Feld, ein Baum, ein Hügel oder ein Haus – sie alle sorgen laut den Experten dafür, dass mögliche Temperaturveränderungen an Land sehr lokal begrenzt blieben. Größere Windparks mit mehr Anlagen seien in Zukunft an Land auch nicht zu erwarten, sagte Dörenkämper: "Wir haben den Platz nicht, weil das ganze Land stark zersiedelt ist."

Die Autoren der Studie mit den Satellitendaten der 319 US-Windfarmen beobachteten beim Nachlauf ähnliche Distanzen. "Die Auswirkungen auf die Landoberflächentemperatur nahmen mit zunehmender Entfernung vom Windpark ab, wobei Auswirkungen bis zu 10 Kilometer nachweisbar waren", schreiben sie. Auswirkungen auf die Vegetation seien nur innerhalb der Windparks erkennbar.

Experten: Auswirkungen auf Menschen sehr gering oder nicht vorhanden

Die Auswirkungen auf den Menschen sind nach Meinung von Stefan Emeis derzeit also lokal begrenzt: "Lediglich Personen, die im direkten Windschatten von größeren Windparks leben, hätten (und das auch nur bei klarem Himmel und windschwachen Wetterlagen) geringfügig wärmere Nächte und geringfügig kühlere Tage. Ob das ein Vor- oder Nachteil ist, müsste im Einzelfall geprüft werden."

"Es ist so, dass man das als Mensch nicht merken würde", sagt Martin Dörenkämper vom IWES. In Norddeutschland stünden schon seit Jahrzehnten Windparks. Er kenne jedoch keine Daten, die Auswirkungen auf Menschen belegen würden. Das lokale Mikroklima sei zudem von der Umgebung beeinflusst, durch Bäume, Berge oder ähnliches, sagt Dörenkämper. "Und der Einfluss der Windkraftanlagen ist so gering, dass das einfach vernachlässigbar ist."

Eine oft zitierte Zahl ist ein "Gedankenspiel"

Es gibt auch Studien, die weiträumige Auswirkungen für die Zukunft modellieren. Allerdings gehen diese von ganz anderen Voraussetzungen als in der Gegenwart aus. Eine immer wieder als angeblicher Beleg herangezogene Studie aus den USA aus dem Jahr 2018 entwirft folgendes Szenario: Der gesamte Verbrauch der USA an Elektrizität wird mit Windkraftanlagen erzeugt, die alle in einem bestimmten Bereich im Mittleren Westen gebaut werden.

Nach dieser Simulation würde sich die Temperatur in Bodennähe in den gesamten kontinentalen USA um 0,24 Grad erhöhen. Diese Zahl wird immer wieder in den Falschbehauptungen verwendet, allerdings beziffert sie nur die durchschnittliche simulierte Erhöhung, die vor allem in der Windfarm-Region im Mittleren Westen stattfände. An der US-Ostküste würden die Temperaturen stattdessen sinken, schreiben die Autoren. Sie fügen hinzu: "Der Erwärmungseffekt ist gering im Vergleich zu den Prognosen für die Erwärmung im 21. Jahrhundert (...) Die Gesamtumweltauswirkungen der Windenergie sind sicherlich geringer als die der fossilen Energien."

"Die Schlagzeile von 0,24 Grad Celsius Erwärmung hört sich viel an, aber sie bezieht sich auf einen sehr großen Einsatz von Windturbinen (...) und gilt nur für das Festland der USA: Sie entspricht also etwa 65 Mal weniger als die globale Erwärmung"*, schreibt zum Beispiel John Sheperd, ehemaliger Professor für Erdsystemwissenschaften an der Universität Southampton in einer Reaktion auf diese Studie.

Verhindern Windräder Niederschläge?

Die Windräder vertrieben den Regen – so lauten einige Behauptungen zu diesem Thema. Höhere Temperaturen plus weniger Regen ergäben dann Dürren, lautet die falsche Argumentation. So ist in einem Webartikel zu lesen: "Zahlreiche Studien kommen jedenfalls zu dem Ergebnis, dass es in der Umgebung von Windkraft-Anlagen zu weniger Niederschlag kommt."

Und ein schweizerischer Physiker, der auch an anderer Stelle irreführende Windkraft-Behauptungen aufstellt, wird in einem Interview mit der Behauptung zitiert: Große Windparks würden Luftströmungen aus dem Atlantik abbremsen, und wenn man zu viele Windräder aufstelle, könnte es zu "irgendwas" kommen.

Das sind übertriebene oder falsche Behauptungen. Derzeit gibt es keinen Beleg dafür, dass Windkraftanlagen weiträumig zu weniger Regen führen. Die vom #Faktenfuchs befragten Experten vermuten überhaupt keine oder höchstens regionale Effekte.

Niederschlag bildet sich weit über den Windrädern

Der DWD erklärt auf #Faktenfuchs-Anfrage, dass Regenwolken ihre Basis meist 200 bis 1.000 Meter über dem Boden haben. "Die eigentlichen niederschlagsbildenden Prozesse laufen in den oberen Teilen der Wolke im Temperaturbereich unterhalb von -20°C ab (zur groben Orientierung ist das im Mittel in 6 km Höhe)."

Windräder haben laut DWD aber nur Höhen bis 250 Meter: "Ihr Einfluss auf die Verlagerung von großräumigen Niederschlagssystemen in Verbindung mit Fronten und Tiefdruckgebieten dürfte nach jetziger Einschätzung eher ausgeschlossen werden."

Die Meteorologin Astrid Ziemann von der TU Dresden argumentierte im Gespräch mit dem MDR ebenso: "Ein Tiefdruckgebiet in unseren Breiten hat zum Beispiel einen typischen Durchmesser bis zu 2.000 Kilometern und eine Lebensdauer von bis zu einer Woche. Die damit verbundenen Niederschlagsprozesse laufen ebenso auf größeren Skalen ab. Die Auswirkungen von Windparks auf große Strukturen in der Atmosphäre ist zumindest fraglich."

Martin Dörenkämper kennt derzeit keine Belege für einen solchen Zusammenhang. Man betreibe Windparks in großem Stil mit einigen Anlagen seit mehr als 30 Jahren. "Niederschlags-Messstationen gibt es auf der ganzen Welt. Und mir ist keine Studie bekannt, wo man das nachweisen konnte in den Daten. Und man würde es nachweisen können, wenn es so wäre, weil es so viele Jahre Erfahrung mit dem Betrieb gibt."

Windräder sind an Land eines von vielen Hindernissen

Die Windparks in der Nordsee dürften "keine Einflüsse auf das großräumige Wettergeschehen" haben, so auch der DWD in einer Mail an den #Faktenfuchs. Stefan Emeis vom Karlsruher Institut für Technologie sagt, dass sich Niederschlag umverteilen könnte bei sehr großen Windparks. Wenn der Wind auf ein solch ausgedehntes Hindernis stoße, dann müsse er nach oben. Diese Aufwärtsbewegung könne zu Wolkenbildung und Niederschlag auf der Wind-zugewandten Vorderseite des Windparks führen. Auf der Rückseite des Windparks käme die Luft wieder herunter, möglicherweise mit Wolken-Auflösung und weniger Regen.

"Es ist wieder ein regionaler Effekt, der auf die Umgebung des Windparks selbst begrenzt und 100 Kilometer, 200 Kilometer weiter eigentlich praktisch nicht mehr nachweisbar wäre", vermutet Emeis zu diesem theoretischen Niederschlags-Effekt mit einer glatten Meeresoberfläche bei Offshore-Windanlagen.

Das wäre an Land natürlich ein sehr großer Raum, sagt Emeis. Doch dort sei der Effekt viel begrenzter. Es gibt dort Bäume, Städte, Hügel – dort ist der Windpark einer von vielen Hindernissen. Diese Hindernisse zwingen die Luft ebenso zum Auf- und Absteigen, die Luftdurchmischung ist also besser. Eine großflächige Änderung im Niederschlag sei deswegen viel unwahrscheinlicher.

Niederschlags-Studie aus England: Entfernung spielt große Rolle

In einer Studie aus dem Jahr 2020 wurden zwei Windfarmen in der Irischen See vor der Westküste Englands beobachtet. Die Autorinnen stellten dort weniger Niederschlag bei Messstationen an der Küste – also leeseitig der Windräder - fest. "Es gibt eine sehr geringe Verringerung der Niederschläge. Statistisch signifikant, aber nicht groß", schreibt die Studienautorin Christina Archer in einer Stellungnahme zur Studie. Archer schreibt auch explizit, dass ihre Studie nicht als Beleg für die These diene, dass Windfarmen Dürren veursachen.

Laut Archer hängt der geringere Niederschlag vor allem damit zusammen, wie weit die Windfarmen von der Küste entfernt sind. Vereinfacht gesagt hat dies mit der Windgeschwindigkeit zu tun, die von den Windfarmen abgebremst wird und danach wieder Fahrt aufnimmt. Wenn eine mittelgroße Windfarm ungefähr zehn Kilometer vor der Küste liegt, könne das eine größere Auswirkung auf die Niederschläge an Land haben, als wenn sie näher oder weiter von der Küste entfernt läge.

"Nur weil ein Windpark vor der Küste steht, heißt das noch lange nicht, dass die Niederschlagsmenge abnimmt. Das hängt von der Größe des Parks und der Entfernung zum Land ab", schreibt Archer zu der "sehr geringen" Abnahme.

Windkraft-Auswirkungen wären im Notfall umkehrbar

Die Behauptungen zu Windkraftanlagen enthalten teilweise einen rhetorischen Trick, nämlich ein Ablenkungsmanöver (englisch: red herring). Indem behauptet wird, die Anlagen hätten Auswirkungen auf das Klima, wird die Debatte weggeführt vom menschengemachten Klimawandel.

Der Meteorologe Thomas Birner sagt dazu, dass mögliche schädliche Auswirkungen der Windkraft sofort umkehrbar seien – im Gegensatz zum Beispiel zu CO2, das in der Atmosphäre verbleibe. "Wenn ich feststelle, dass der Effekt doch größer oder unangenehmer ist, als ich vorher dachte, kann ich eingreifen. Und im schlimmsten Fall das Windrad einfach ausschalten und dann ist quasi übermorgen der Effekt wieder vorbei."

Man dürfe nie vergessen, sagt Martin Dörenkämper: "Jegliche Art der Energieerzeugung ist ein Eingriff in unsere Umwelt." Die Windenergie sei aber "ein entscheidender Teil der Lösung". Das Erstaunliche sei für ihn: "Die Leute, die bis vor ein, zwei Jahren behauptet haben, es würde gar keinen Klimawandel geben, sagen jetzt: Die Veränderungen, die wir im Klima sehen, kommen von der Windenergie. Das heißt, Sie geben jetzt im Prinzip zu, dass es den Klimawandel gibt."

Fazit

Windkraftanlagen haben laut Studien und Experten vor allem in klaren Nächten einen Einfluss auf die Temperatur in Bodennähe. Sie verändern aber nicht das Klima, sondern verteilen Wärme von der Höhe in Richtung Boden. Experten halten die Temperaturveränderungen für gering, an Land seien die Auswirkungen lokal begrenzt und die Auswirkungen auf den Menschen ebenso.

Derzeit gibt es keine Belege dafür, dass Windkraftanlagen Niederschläge verhindern. Experten nehmen derzeit nicht an, dass Windräder weiträumig Niederschlagsprozesse beeinflussen, da diese in höheren Luftschichten stattfinden.



Tagesschau hier 12.06.2024 Von Pascal Siggelkow, ARD-faktenfinder

Windkraftanlagen verursachen keine Dürre

Immer wieder wird behauptet, dass Windenergie erhebliche Folgen für die Umwelt habe. Doch auch wenn Studien zeigen, dass es lokal zu einer Veränderung der bodennahen Temperatur kommen kann - von Dürre kann nicht die Rede sein.

"Windräder verursachen mehr Trockenheit und Dürre" - diese Behauptung hält sich hartnäckig in den sozialen Netzwerken. Deutschland werde durch Windkraftanlagen "streckenweise zur Trockenzone", heißt es unter anderem. 

Als vermeintlicher Beweis wird dabei auf Studien verwiesen. Doch die Studienlage gibt diese Aussagen gar nicht her."Was auf jeden Fall falsch ist, dass Windenergieanlagen einen Einfluss auf die globale Erwärmung und das Klima im großen Stil haben", sagt Bernhard Stoevesandt, Abteilungsleiter Aerodynamik und numerische Windenergiemeteorologie am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES). "Für echte Dürren sind sie aber auch nicht verantwortlich." 

Das liege allein schon daran, dass die Windräder gar nicht hoch genug seien, um die Luftschichten zu beeinflussen, in denen Wolken entstehen und sich Niederschläge bilden.
Das sagt auch Matthias Mauder, Arbeitsgruppenleiter Urbane und Öko-Klimatologie am Karlsruher Institut für Technologie und Professor für Meteorologie an der Technischen Universität Dresden.
"Man muss erst einmal darüber reden, wie sich Dürre überhaupt definiert. Wenn es darum geht, dass es einen Mangel an Niederschlägen wegen Windkraftanlagen gibt, dann gibt es gar keine Studien dazu, weil das so absurd ist."

Einfluss auf das Mikroklima
In einer chinesischen Studie, die oftmals angeführt wird, haben die Forschenden untersucht, wie sich die Bodenfeuchtigkeit durch den Bau von Windparks verändert - allerdings lokal. Sie fanden heraus, dass sich die Bodenfeuchtigkeit je nach Jahreszeit und Windrichtung in unterschiedlichem Maße verringert. Demnach nahm die Bodenfeuchtigkeit innerhalb der Windparks innerhalb eines Jahres insgesamt um 4,4 Prozent ab - am stärksten während der Sommermonate."

Durch eine Windkraftanlage wird zum einen die Windgeschwindigkeit reduziert und zum anderen die Turbulenz erhöht", sagt Mauder. Durch diese Turbulenzen könne es je nach Wetterlage zu einer Durchmischung der bodennahen Luftschichten kommen. "Diese verstärkte Durchmischung kann dazu führen, dass das Wasser, das von der Bodenoberfläche verdunstet, stärker nach oben transportiert wird von der Oberfläche weg." Das könne dann die Verdunstungsrate erhöhen, so dass die Bodenfeuchtigkeit sinke. 

Allerdings sei auch der gegenteilige Effekt möglich. So könne die durch die Windräder reduzierte Windgeschwindigkeit auch dazu führen, dass insgesamt weniger Wasser verdunste. So kam eine Studie aus Schottland zu dem Ergebnis, dass die Luftfeuchtigkeit in Bodennähe durch die Windparks leicht zunahm. Eine Modellrechnung wiederum geht von einem sehr leichten Rückgang der Bodenfeuchtigkeit aus.

Welche Auswirkungen Windparks also auf die Bodenfeuchtigkeit in der unmittelbaren Umgebung haben, lasse sich nicht grundsätzlich bestimmen, sagt Mauder. Faktoren wie der Standort, die Wetterlage und auch die Tages- und Jahreszeit spielten eine wichtige Rolle, weshalb Ergebnisse von einem Standort nur schwer auf andere übertragbar seien.

Höhere Temperaturen in der Nacht
Ähnlich verhält es sich bei den Temperaturen, wie Stoevesandt erklärt. "Bei einer stabilen Wetterlage können Windenergieanlagen dazu führen, dass die Luft vor allem nachts in Bodennähe wärmer wird." So wurde bei großen Windparks wie beispielsweise im US-Bundesstaat Texas eine höhere Temperatur in Bodennähe von 0,3 bis 0,7 Grad Celsius gemessen"

Durch die Turbulenzen, die von den Windkraftanlagen verursacht werden, kann kalte Luft vom Boden aufsteigen und sich mit der wärmeren Luftschicht durchmischen", sagt Stoevesandt. Dadurch gelange dann auch wärmere Luft in die untere Schicht, die Temperatur steige. Dafür sei es dann weiter oben etwas kälter, da insgesamt keine zusätzliche Energie hinzugefügt werde, sondern es lediglich zu einer Umverteilung der Luftschichten komme.
Doch auch bei der Temperatur kommt es auf viele Faktoren an. 

Einer Studie zufolge sind die oberflächennahen Lufttemperaturen im Windschatten des Windparks während der Nacht und in den frühen Morgenstunden höher als in den windzugewandten Regionen, während für den Rest des Tages das Gegenteil zutrifft. 
Der Windpark hat demnach also einen wärmenden Effekt während der Nacht und einen kühlenden Effekt während des Tages."

Die Richtung der Temperaturveränderung ist ungewiss", heißt es in einer weiteren Studie. "Sowohl ein Anstieg als auch ein Rückgang der Tagestemperatur und ein Anstieg der Nachttemperatur wurden in Windparks beobachtet."

Ergebnisse nicht auf Deutschland übertragbar
Durch die vielen verschiedenen Faktoren, die die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Temperatur und die Bodenfeuchtigkeit beeinflussen, seien Behauptungen über Folgen wie Dürre und Trockenheit für Deutschland ohnehin nicht zulässig, sagt Martin Dörenkämper, Teamleiter am Fraunhofer IWES. 

Denn die Windparks in China und Texas seien zum einen viel größer als Windparks in Deutschland, die einzelnen Windräder wiederum kleiner. Zudem seien die klimatischen Verhältnisse überhaupt nicht vergleichbar, da diese Windparks in ohnehin sehr trockenen Regionen stünden.
Deswegen gebe es überhaupt Studien über die Umwelteinflüsse der Windparks in diesen Regionen. "Weil man da von vornherein schon weiß, dass das Klima sehr trocken ist. Das heißt, wenn man da jetzt eine kleinere Änderung einbringt, dann kann es größere Auswirkungen haben als dort, wo man immer relativ viel Feuchtigkeit hat", sagt Dörenkämper.

Daher gebe es bislang auch noch keine Untersuchungen für Deutschland, da kein großer Effekt erwartet wurde. "Wissenschaft funktioniert so, dass man sich erstmal einmal überlegt, was erwarte ich denn für Auswirkungen? Und wenn ich dann feststelle, dass es eine Studie ist, bei der man vorher schon gut abschätzen kann, dass die Folgen vernachlässigbar sind, dann mache ich diese Untersuchung gar nicht, weil das viel Geld kostet und aufwändig ist."

Eingriffe in die Natur hätten immer Folgen, sagt Dörenkämper. "Man muss das dann immer in Relation setzen zu dem, was die Alternative wäre. Und die Alternative zu erneuerbaren Energien bedeutet massiver Klimawandel durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas. Dagegen sind die Auswirkungen durch Windkraftanlagen wirklich sehr, sehr klein."

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