Zeit hier 13. Juni 2024 Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, isd
Bundesrat und Bundestag: Vermittlungsausschuss erzielt Einigungen zu Bahnnetz und Verkehrsrecht
Schienennetzsanierung, Digitalisierung und Tempo 30: Der Vermittlungsausschuss hat sich bei mehreren Vorhaben auf Kompromisse geeinigt. Ein Thema bleibt strittig.
Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag hat Einigungen zu mehreren Gesetzesvorhaben erzielt. Das sagte Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) im Anschluss an die Sitzung in Berlin. Die nun geplanten Änderungen müssen nun noch von Bundestag und Bundesrat gebilligt werden. Worauf sich der Vermittlungsausschuss verständigt hat:
Sanierung von Bahnstrecken für pünktlichere Züge
Mit einer Reform des Bundesschienenwegeausbaugesetzes soll sich der Bund künftig direkt auch an Kosten der Unterhaltung und Instandhaltung des Schienennetzes beteiligen können – und nicht nur an Bauprojekten.
Das Gesetz ist wichtig für die Generalsanierung wichtiger Bahnstrecken. Bis zum Jahr 2030 will die Bahn 40 hochbelastete Strecken grundlegend sanieren, um wieder pünktlicher und zuverlässiger zu werden. Los geht es im Juli dieses Jahres auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim, die dafür für ein knappes halbes Jahr gesperrt wird.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: "Wir leiten damit einen Paradigmenwechsel in der Schieneninfrastruktur der Bundesrepublik Deutschland ein. Nichts wird so bleiben, wie es ist, und das ist gut so." Damit könnten Maßnahmen zur Verbesserung der Schieneninfrastruktur umgesetzt werden, um die Pünktlichkeit von Zügen wieder sicherzustellen.
Kostenstreit beigelegt
Zwischen Bund und Ländern war es umstritten, wer einen Schienenersatzverkehr mit Bussen bezahlt. Einem Änderungsvorschlag zufolge sollen die Länder die Kosten für den Schienenersatzverkehr in Höhe von 50 Prozent tragen, der Bund 40 Prozent und die Bahn 10 Prozent.
Außerdem soll sich der Bund bei der Digitalisierung der Schienenwege an mehr Infrastrukturkosten beteiligen können, dabei geht es auch um die Ausrüstung von Zügen mit digitaler Bordtechnik. Für den Bund soll es zudem einfacher werden, sich finanziell an der Erneuerung von Bahnhöfen zu beteiligen. Das soll auch im Zuge der Generalsanierung geschehen.
Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, sagte: "Über Jahrzehnte musste die Deutsche Bahn ihre Bahnhofsgebäude über Mieteinnahmen weitgehend selbst finanzieren." Dies habe dazu geführt, dass Bahnhofsgebäude verkauft worden seien oder in schlechtem Zustand waren, wenn die Mieteinnahmen nicht ausgereicht hätten. "Künftig übernimmt der Bund die finanzielle Verantwortung für die Gebäude; die Bahn für einzelne, kommerziell genutzte Innenräume." Laut Flege kann nun eine Investitionsoffensive starten.
Einigung auch beim Straßenverkehrsrecht
Beim Straßenverkehrsgesetz geht es darum, dass Städte und Gemeinden mehr Spielraum etwa für die Einrichtung von Busspuren und Tempo-30-Zonen bekommen sollen. Künftig sollen generell neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden.
Der Sicherheitsaspekt soll nach der Einigung im Vermittlungsausschuss gestärkt werden. Im vom Bundestag beschlossenen Gesetz hieß es, neben der Verbesserung des Schutzes der Umwelt, des Schutzes der Gesundheit oder der Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung müsse auch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigt werden. Im Änderungsvorschlag für den Vermittlungsausschuss heißt es, die Leichtigkeit des Verkehrs müsse berücksichtigt werden, die Sicherheit des Verkehrs dürfe nicht beeinträchtigt werden.
Wissing sagte: "Was wir bisher hatten, ist nicht akzeptabel." Er sprach etwa von Rechtsunklarheiten bei der Frage, ob man vor einer Kita eine Tempo-30-Zone anordnen könne. Die Grünenfraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagte: "Jetzt haben Kommunen endlich mehr Handlungsfreiheit, um Bussen, Radfahrenden und Fußgängern mehr Platz einzuräumen und so die Sicherheit vor Ort entscheidend zu verbessern."
Mehr Videokonferenzen bei Gericht
In Gerichtsverfahren soll künftig häufiger Videokonferenztechnik zum Einsatz kommen. Bereits jetzt können mündliche Verhandlungen per Videokonferenz ausgeführt werden an Zivilgerichten und Fachgerichten wie Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichten. Künftig soll das schon auf Antrag einer Partei geschehen können.
Bundesrat und Bundestag haben sich nun darauf geeinigt, dass der Einsatz der Technik voraussetzt, dass es um "geeignete Fälle" geht und "ausreichende Kapazitäten" vorhanden sind. Eine Ablehnung eines Antrags auf Bild- und Tonübertragung soll der Vorsitzende Richter nur "kurz" begründen müssen.
Ob Verhandlungen auch "vollvirtuell" stattfinden können, bleibt den Ländern überlassen, die entsprechende Vorschriften erlassen müssten, befristet zunächst bis 2033. In diesem Fall könnten alle Beteiligten virtuell teilnehmen. Normalerweise muss zumindest der Vorsitzende Richter oder die Richterin im Gerichtsgebäude sein.
Neues Bürgerkonto
Für Bürgerinnen und Bürger soll es künftig ein einheitliches elektronisches Konto für Verwaltungsdienstleistungen des Bundes geben. Die Kommunikation mit Behörden soll mithilfe der neuen Deutschland-ID rein online ablaufen können. Das sieht das neue Onlinezugangsgesetz (OZG 2.0) vor.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte die Einigung. Sie versprach: "Digitale Anträge ersetzen die Papierform." In vielen Fällen werde der Gang zum Amt überflüssig, die Zettelwirtschaft finde in vielen Bereichen ein Ende. "Unterschriften per Hand und auf Papier sind nicht mehr nötig. Viele Nachweise müssen nur noch einmal vorgelegt werden." Für Unternehmen solle es künftig komplett digitale Verfahren geben, die viel Bürokratie ersparten.
Dokumentation von Hauptverhandlungen
Keine Einigung zeichnet sich bei Plänen zur Dokumentation von Hauptverhandlungen ab. Den Reformplänen zufolge soll der Ton künftig aufgezeichnet und dann verschriftlicht werden. Zusätzlich sollen Länder auch Bildaufzeichnungen machen können. Die Neuerungen sollten in einer Testphase an Oberlandesgerichten erprobt werden. Die Länder zweifeln allerdings am Bedarf, fürchten um den Opferschutz und warnen vor unmäßigem Aufwand.
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