Ist das wirklich klug? Im Bericht heißt es "Gleichzeitig sind die Klimaziele im Verkehrssektor ohne die günstigen, aus China importierten Elektrofahrzeuge noch schwerer zu erreichen" . Die Strafzölle bremsen den ohnehin schwachen Zuwachs bei der e-Mobilität weiter aus. Wem nützt das?
Handelsblatt hier Geschichte von Gusbeth, Sabine Volkery, Carsten 12.6.24
Der Marktanteil chinesischer Hersteller ist zwar noch gering, doch die EU greift nun durch. Experten sind uneins darüber, welchen Effekt die Zölle haben werden.Die EU-Kommission will drei chinesischen Autoherstellern am Mittwoch mitteilen, dass sie ab dem nächsten Monat vorläufig Sonderzölle von bis zu 25 Prozent für Elektroautos aus China verhängen wird.
Das erfuhr das Handelsblatt aus Verhandlungskreisen.
Welchen Effekt die Zölle haben werden, ist unter Experten umstritten. Ein Aufschlag von 20 Prozent könnte die Menge der aus China in die EU importierten E-Autos um ein Viertel reduzieren, ergibt eine Simulationsrechnung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW).
Die Experten des US-Thinktanks Rhodium dagegen halten Zusatzzölle von mindestens 40 bis 50 Prozent für notwendig, um den europäischen Markt für die E-Autobauer aus China unattraktiv zu machen. Bei Unternehmen wie BYD, die die komplette Wertschöpfungskette selbst beherrschen, müsse der Aufschlag sogar noch höher ausfallen. Die US-Regierung hatte Mitte Mai angekündigt, Strafzölle von 100 Prozent auf E-Autos aus China zu erheben.
Bei den Maßnahmen der EU handelt es sich um vorläufige Zusatzzölle. Sie kommen zu den bestehenden Zöllen von zehn Prozent noch dazu, erhöhen den Aufschlag also auf bis zu 35 Prozent.
WiWo hier
Die EU plant Sonderzölle von bis zu 38,1 Prozent für E-Autos aus China zu verhängen, Deutschland ist dagegen. Diese Grafiken helfen, die Gemengelage zu verstehen.
Die EU-Kommission droht chinesischen Autoherstellern mit Sonderzöllen von bis zu 38,1 Prozent auf Elektroautos. Finden EU und China keine andere Lösung, sollen diese ab 4. Juli rückwirkend einbehalten werden.
Die chinesische Produktflut ist dank staatlichen Rückwinds tatsächlich besonders hoch. Einer Schätzung des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel zufolge beliefen sich die chinesischen Industriesubventionen allein im Jahr 2019 auf rund 221 Milliarden Euro oder 1,73 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts. Das ist mindestens drei- bis viermal so viel wie in den großen EU- und OECD-Ländern.
Ausgerechnet die Bundesregierung ist von diesen Strafzoll-Plänen allerdings wenig begeistert. Und auch aus der deutschen Schlüsselindustrie, der Autobranche, gibt es Gegenwind. Ein Blick in die Statistik hilft, die ablehnende Haltung zu verstehen.
1. Exportriese Deutschland
Deutschland ist mit Abstand der größte Autoexporteur Europas. Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge wurden im Jahr 2022 mehr als 90 Milliarden Euro damit umgesetzt. Laut dem Automobilverband VDA gingen 2023 sogar drei von vier der in Deutschland produzierten Pkw ins Ausland, insgesamt 3,1 Millionen Stück.
2. Chinas Macht als Markt
Der chinesische Markt ist für VW, BMW, Mercedes und Co. nahezu alternativlos. Und dabei geht es nicht allein um den Export.
Die deutschen Hersteller haben große eigene Produktionskapazitäten im Reich der Mitte aufgebaut. Rechnet man die importierten und die vor Ort produzierten Fahrzeuge deutscher Marken zusammen, so wurden laut Automobilverband VDA rund 3,8 Millionen deutsche Autos im Reich der Mitte verkauft. Das entspricht einem Marktanteil von 17,4 Prozent.
Für die Chinesen um BYD, Nio und MG ist Deutschland dagegen weit weniger entscheidend. Sie konnten laut VDA nur knapp 41.000 Einheiten in Deutschland an den Mann oder die Frau bringen – der Marktanteil war mit 1,4 Prozent im vergangenen Jahr vernachlässigbar. Dieses Ungleichgewicht herrscht Angaben des europäischen Automobilverbands ACEA auch auf europäischer Ebene.
Zudem bleibt die Frage, ob die Strafzölle überhaupt geeignet sind, den chinesischen Konzernen das Europageschäft zu verleiden. Das US-Analysehaus Rhodium Group rechnete mit Zöllen zwischen 15 und 30 Prozent. Das würde zwar die Gewinnmargen der Chinesen in Europa schmälern, aber die Experten gehen davon aus, dass sie immer noch genug Gewinn machen werden, um auf dem Markt zu bleiben. Will Europa Hersteller wie BYD ganz abschrecken, müssten die Zölle demnach bei 40 oder gar 50 Prozent liegen.
Für die größte europäische Volkswirtschaft ist es den Daten zufolge wirtschaftlich überaus wichtig, weiter in China Autos zu bauen und zu vertreiben. Gleichzeitig sind die Klimaziele im Verkehrssektor ohne die günstigen, aus China importierten Elektrofahrzeuge noch schwerer zu erreichen. Durch Zölle und ihre Folgen die wirtschaftlichen Aussichten des größten Nettozahlers der EU zu belasten und so die Klimawende zu erschweren, erscheint auf den ersten Blick als ein großes Risiko. Wieso will die EU im Gegensatz zu Deutschland trotzdem zur Tat schreiten?
Die Rhodium-Analyse verweist dabei auf den Zukunftsmarkt E-Mobilität. Hier lässt sich eine durchaus bedrohliche Dynamik erkennen: Der Importwert chinesischer Elektroautos nach Europa stieg demnach zwischen 2020 und 2023 rasant von 1,6 auf 11,5 Milliarden Dollar. Die Stückzahlen verdoppelten sich zwischen 2021 und 2023 in etwa auf zuletzt rund 300.000.
Vergleich man dies mit den zuletzt eher bescheidenen Zahlen für den Gesamtabsatz in Deutschland, dann wird klar: Der Großteil der importierten E-Autos aus China muss in anderen EU-Staaten landen, die deutsche Lage lässt sich also nicht verallgemeinern.
Auch wenn die prozentualen Zuwächse EU-weit den Daten nach in den letzten Jahren gering waren, lag der europäische Marktanteil der Chinesen im Bereich der E-Autos mit 19 Prozent im europäischen Durchschnitt deutlich höher als in Deutschland. VDA-Angaben zufolge waren es im ersten Quartal 2023 nur 3,8 Prozent.
Aufgrund dieser Bedeutung Europas für Chinas Plan, den Markt für Stromer zu erobern, sieht das IfW Europa im Handelsstreit nicht ohne eigene Druckmittel: Fast 500.000 E-Autos hat China demnach 2023 in die EU verkauft, mehr als in jede andere Region der Welt. Zum Vergleich: In Nordamerika war es nur ein Zehntel der Menge. „Die EU ist Chinas wichtigster Abnehmer für Elektrofahrzeuge und hat entsprechende Verhandlungsmacht. Die Kommission sollte der Subventionspolitik Pekings nicht tatenlos zusehen, sich allerdings auch nicht von den USA instrumentalisieren lassen“, hieß es von Julian Hinz, einem der beiden Autoren.
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