hier Focus 10.06.2024
Verbrenner-Aus ab 2035:Revolution auf der Straße oder Anfang vom Ende?
Das Verbrenner-Verbot der EU ist nicht nur eine Frage des Klimas, sondern auch der Wirtschaft. Die erfolgreiche Umsetzung wird von der Balance zwischen strikten Umweltzielen und pragmatischen wirtschaftlichen Lösungen abhängen.
Bald ist es zwei Jahre her, dass die Europäische Union (EU) im Oktober 2022 beschlossen hat, den Verkauf von neuen Verbrennungsfahrzeugen ab 2035 zu verbieten. Ziel dieses so genannten Verbrenner-Verbots ist es, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und den Klimawandel zu bekämpfen. Während die ökologischen Vorteile eines solchen Verbots auf der Hand liegen, ist es ebenso wichtig, die wirtschaftlichen Konsequenzen und die damit verbundenen theoretischen Überlegungen zu beleuchten.
Verbrenner-Verbot gegen CO 2 -Emissionen
Der Klimawandel und seine Folgen sind zentrale Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist sich einig, dass die Reduktion von Treibhausgasemissionen unerlässlich ist, um die globale Erwärmung auf ein kontrollierbares Maß zu beschränken. Der Verkehrssektor, der in der EU nach Informationen der Europäischen Umweltagentur (EEA) 2023 für etwa 72 Prozent der Kohlendioxid (CO 2 )-Emissionen verantwortlich ist, spielt dabei eine Schlüsselrolle.
Die Verbrennung fossiler Brennstoffe in Fahrzeugen ist ein bedeutender Verursacher von CO 2 -Emissionen. Durch das Verbrenner-Verbot ab 2035 sollen diese Emissionen drastisch reduziert werden. Elektroautos, die mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden, bieten eine nahezu emissionsfreie Alternative.
„Rund 740 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO 2 ) wurden 2021 in der EU durch die Verbrennung von Kraftstoffen im Straßenverkehr ausgestoßen“, erklärte dazu vergangenes Jahr das Statistische Bundesamt (Destatis). “ Pkw und Motorräder verursachten mit 64 Prozent den größten Teil der Emissionen. Auf Lkw und Busse entfielen 27 Prozent, weitere 10 Prozent auf leichte Nutzfahrzeuge.“
Klimawandel außer Kontrolle
Treibhausgase wie CO 2 und Methan tragen wesentlich zum Klimawandel bei, indem sie den Treibhauseffekt verstärken. Dieser natürliche Prozess wächst weiter, wenn zusätzliche Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen. Die Gase lassen das Sonnenlicht auf die Erdoberfläche durch und verhindern, dass die abgestrahlte Wärme wieder in den Weltraum entweicht. Dies führt zu einer Erwärmung der Erdoberfläche und der unteren Luftschichten.
Durch die Erwärmung der Atmosphäre schmelzen die Polar- und Gletschereisdecken, was zu einem Anstieg des Meeresspiegels führt. Dies bedroht Küstenregionen und erhöht die Häufigkeit und Intensität von Sturmfluten. Zudem verändern sich Wetter- und Klimamuster, was zu häufigeren und intensiveren Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen führt. Das geht unter anderem aus Daten der Welthungerhilfe hervor. Zwischen den Jahren 1980 und 2018 habe sich die Zahl der Unwetter demnach mehr als verdoppelt, ähnliches gelte für Überflutungen.
Zusätzlich schädigt der erhöhte CO 2 -Gehalt die Biodiversität und führt zur Versauerung der Ozeane, was marine Ökosysteme beeinträchtigt. Viele Pflanzen- und Tierarten können sich außerdem nicht schnell genug an die veränderten Bedingungen anpassen, was wiederum zu einem Rückgang der Artenvielfalt führt. Um diese gravierenden ökologischen und sozialen Auswirkungen zu mindern, sei eine signifikante Reduktion der CO 2 -Emissionen der Initiative Climate Action zufolge unerlässlich.
Risikofaktor Feinstaub
Verbrennungsmotoren emittieren neben CO 2 auch Stickoxide (NOx) und Feinstaub, die erhebliche Gesundheitsrisiken darstellen. Unter Berufung auf die European University Association (EUA) berichtete die EEA schon im Jahr 2020 von jährlich rund 400.000 vorzeitige Todesfälle durch Stickoxide in der EU – und auch das deckt sich mit aktuellen Unteruchungen.
So erklärten jüngst mitunter Professor Jason Kovacic vom australischen Victor Chang Cardiac Research Institute und der renommierte Kardiologe Dr. Valentin Fuster im Rahmen eines Fukus-Seminars des Journal of the American College of Cardiology (JACC), die Luftverschmutzung fordere jährlich weltweit über neun Millionen Leben . Damit sei sie tödlicher als Krieg, Terror, Seuchen und Drogen zusammen.
Eine Reduktion dieser Emissionen durch den Übergang zu Elektrofahrzeugen würde die Luftqualität verbessern und die öffentliche Gesundheit fördern. „Die EUA-Daten belegen, dass Investitionen in eine bessere Luftqualität eine Investition in eine bessere Gesundheit und Produktivität für alle Europäer bedeuten“, zitierte die EAA damals Hans Bruyninckx, Exekutivdirektor der EUA. „Strategien und Maßnahmen, die mit dem Null-Schadstoff-Ziel Europas in Einklang stehen, führen zu einem längeren und gesünderen Leben und widerstandsfähigeren Gesellschaften.“
Arbeitsplätze im Übergang
Während die naturwissenschaftlichen Argumente für das Verbrenner-Verbot stark sind, werfen wirtschaftliche Überlegungen ebenfalls komplexe Fragen auf. Der Übergang zu einer emissionsfreien Mobilität muss wirtschaftlich tragfähig gestaltet werden, um negativen Auswirkungen auf Beschäftigung und Wirtschaftswachstum entgegenzuwirken.
Die Automobilindustrie ist ein zentraler Wirtschaftszweig in vielen europäischen Ländern und sichert Millionen von Arbeitsplätzen. In Deutschland, einem der größten Automobilproduzenten der Welt, sind etwa 800.000 Menschen direkt in der Automobilproduktion beschäftigt, heißt es in einem Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Vor allem in der Übergangsphase könnten vielen dieser Menschen Arbeitsplatzverluste drohen, insbesondere in der Herstellung von Verbrennungsmotoren und Getrieben. Diese Komponenten sind in Elektrofahrzeugen weniger komplex oder gar nicht vorhanden. Gleichzeitig bieten sich jedoch auch Chancen für neue Arbeitsplätze in der Batterieproduktion und in der Entwicklung neuer Technologien.
Der Übergang zu Elektroautos kann Innovationen im Bereich der Batterietechnologie und der erneuerbaren Energien anstoßen. Die globale Batterieproduktion für die E-Mobilität könnte dem Beratungsunternehmen McKinsey & Company zufolge bis 2030 einen Marktwert von über 360 Milliarden Euro erreichen. Investitionen in Forschung und Entwicklung können zu effizienteren und kostengünstigeren Lösungen führen, die nicht nur die Elektromobilität vorantreiben, sondern auch andere Sektoren positiv beeinflussen.
„Auf dem gesamten Kontinent vertrauensvoll reisen“
Die Produktion von Elektrofahrzeugen ist derzeit noch teurer als die von Verbrennerfahrzeugen, hauptsächlich aufgrund der hohen Kosten für Batterien. Der Preis für Lithium-Ionen-Batterien sei jedoch allein zwischen den Jahren 2010 und ’19 um etwa 85 Prozent gesunken und könne bis 2030 weiter sinken, betonte die Forschungsorganisation BloombergNEF.
Zudem benötigt der Übergang eine umfangreiche Ladeinfrastruktur, die erhebliche Investitionen von Regierungen und Unternehmen erfordert. Die Europäische Kommission schätzt, dass bis 2030 etwa 3 Millionen öffentliche Ladepunkte in der EU installiert werden müssen, um die wachsende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zu decken.
„Wir wollen, dass alle Fahrerinnen und Fahrer in Europa sicher sein können, dass sie auf dem gesamten Kontinent vertrauensvoll reisen können“, so Frans Timmermans, Exekutiv-Vizepräsident für den europäischen Grünen Deal. „Mit dieser Einigung stellen wir sicher, dass in ganz Europa bedarfsgerechte und benutzerfreundliche Optionen sowohl für Pkw als auch für schwere Nutzfahrzeuge zur Verfügung stehen.“
Wirtschaftstheorie trifft auf Klimaschutz
Ein staatlich verordnetes Verbrenner-Verbot wird von einigen Kritikerinnen und Kritikern als Eingriff in die freie Marktwirtschaft gesehen. Befürworter einer marktbasierten Lösung argumentieren, dass Anreize und Subventionen für Elektroautos sowie höhere Steuern auf fossile Brennstoffe eine natürliche Marktentwicklung fördern könnten, ohne die Konsument*innenwahl einzuschränken.......
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