Freitag, 29. März 2024

Flugtaxis statt Regionalverkehr: Die fehlgeleitete Verkehrspolitik in Deutschland

Wem sollen diese Flugtaxis dienen? Wird die viel zitierte "alleinerziehende Krankenschwester mit 3 kleinen Kindern" damit zur Arbeit gebracht,  wenn wieder mal Stau angesagt ist? Die kommt ziemlich sicher nicht zur Arbeit, weil der ÖPNV am Boden liegt und die Bahn-Zuschüsse einfach mal gestrichen werden. Und weil die Zuschüsse für den Radverkehr leider auch umgelenkt wurden.

Standard  hier   24. März 2024,

TROTZ SPARPROGRAMM: Deutscher Verkehrsminister will Millionen in Flugtaxis investieren

Verkehrsminister Volker Wissing will Kapital in ein deutsches Unternehmen stecken, zum Jahreswechsel könnten kommerzielle Flüge möglich sein. Doch Experten warnen vor dem hohen Risiko

Erst Ende vergangenen Jahres hatte die deutsche Bundesregierung aufgrund eines Budgetlochs ein umfassendes Sparprogramm beschlossen, dem unter anderem die Förderung von Elektroautos zum Opfer gefallen war. Nun sorgt FDP-Verkehrsminister Volker Wissing mit Plänen für Aufsehen, über welche der "Spiegel" berichtet: dem Medium liegen Informationen vor, laut denen Wissing 150 Millionen Euro in das Unternehmen Volocopter investieren möchte. Und das, obwohl dem Verkehrsministerium 2025 im Rahmen des besagten Sparprogramms wohl über fünf Milliarden Euro weniger als zuvor zur Verfügung stehen werden.

Volocopter ist ein deutsches Unternehmen, das sich auf die Herstellung und Verbreitung von Flugtaxis spezialisiert hat: elektrisch betriebene Fluggeräte, die einen Piloten und einen Passagier über kurze Distanzen transportieren können. Noch im April soll das Geld dem Medienbericht zufolge fließen, das Verkehrsministerium und der Freistaat Bayern sollen sich den Betrag aufteilen, wobei der Bund in Vorleistung geht. Bei einem Ausfall würde wohl der Steuerzahler haften.

Etliche Warnzeichen

Hingewiesen wird in dem Artikel auch darauf, dass unter anderem Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) deutlich vor diesem Vorhaben gewarnt hatte. Generell gelten Flugtaxis als ein innovatives und entsprechend risikobehaftetes Geschäftsfeld: geht der Plan auf, so winkt eine rosige Zukunft, bei Fehlschlagen droht hingegen ein Totalverlust. Vor den ersten Umsätzen steht eine lange Durststrecke, während der zunächst nur Geld verbrannt wird. Nicht umsonst raten Investoren in der Start-up-Szene stets zur Diversifizierung des eigenen Portfolios. Wissings Plan sieht nach aktuellem Stand hingegen nur ein Investment in ein Unternehmen vor, nämlich Volocopter. Lilium aus Bayern, ein Konkurrent von Volocopter, ginge leer aus.

Auf Anfrage des Mediums im Verkehrsministerium heißt es, dass Volocopter im Sommer die Musterzulassung bekommen könnte, ein kommerzieller Flugbetrieb zum Jahreswechsel sei "nicht unrealistisch". Anfang März hieß es, dass Volocopter in die Serienherstellung gehen und Piloten ausbilden darf – ein wichtiger Meilenstein. Das Unternehmen selbst spricht gegenüber dem Spiegel jedoch auch von einem "extrem herausfordernden Investitionsumfeld".

Im Gespräch mit dem STANDARD hatte Volocopter-CEO Dirk Hoke auch verkündet, dass seine Flugtaxis im Sommer bei den Olympischen Spielen in Paris unterwegs sein sollen. Zuletzt hieß es aber in Medienberichten, dass sich die Zulassung verzögere. Zweifel werden laut, dass der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann. Und auch wenn dies gelingt: ist ein gewinnbringender Betrieb möglich, bevor dem Unternehmen das Geld ausgeht?

Langer Atem

Im besagten Gespräch mit dem STANDARD war Hoke auf etliche der Kritikpunkte eingegangen. So träumt die Menschheit schon lange von fliegenden Autos, Verzögerungen gab es aber aus mehreren Gründen. Einer dieser Gründe ist die Batterietechnologie, denn aus Sicherheitsgründen kann Volocopter einen Akku nur nutzen, bis seine Kapazität bei 80 Prozent liegt – danach wird sie ausgetauscht. Entspricht gering ist derzeit noch die Reichweite.

Ein anderer Grund sind lange, aufwändige Zulassungsverfahren. Und dann ist da noch die Frage, ob die Technologie überhaupt in der Bevölkerung akzeptiert wird, vor allem wenn es später um autonomes Fliegen ohne Pilot gehen soll. All dies erfordert einen entsprechend langen Atem.

Hoke will allein in diesem Jahr aber 18 Fluggeräte bauen sowie in den kommenden Jahren die Infrastruktur ausbauen. Geplant ist in der Branche auch, dass Flugtaxis in multimodale Verkehrskonzepte integriert werden: nach Langstreckenflügen sollen Menschen zum Beispiel mit einem Flugtaxi in die Innenstadt schweben, anstatt mit einem Auto im Stau zu stehen.

Hoke rechnet außerdem damit, dass die Kosten für die Endkunden sinken werden: bei späteren fünfsitzigen Fluggeräten soll man nur noch drei Euro pro Kilometer zahlen, derzeit werden die Kosten in den Zweisitzern noch mit zehn bis 15 Euro pro Kilometer beziffert.

Geldfragen

Doch bis es soweit ist, wird wie gesagt noch viel Geld verbrannt. Hoke erzählte dem STANDARD damals, dass bis Anfang 2024 rund 600 Millionen Euro Kapital in das Unternehmen geflossen sei, die Rede war damals von einer aktuellen Finanzierungsrunde im Ausmaß von 300 bis 500 Millionen Euro.

Der "Spiegel" berichtet nun, dass sich Volocopter bereits im Sommer 2023 auf der Suche nach Geld an den Bund gewandt habe. Anschließend plante der Bund, gemeinsam mit dem Bundesland Baden-Württemberg 300 Millionen Euro in das Unternehmen zu stecken, ohne Rückzahlungspflicht. Doch die Landesregierung verkündete Ende 2023, dass man aufgrund des hohen Risikos abspringe.

Stattdessen soll nun Bayern für Baden-Württemberg einspringen. Zwar mit dem halben Betrag. Aber noch immer mit einem vergleichbaren Risiko, wie die Wirtschaftsprüfer warnen. (stm, 24.3.2024)


hier  29.3.24   geschrieben von Christian Erxleben

Rund 150 Millionen Euro möchte Bundesverkehrsminister Volker Wissing in Flugtaxis investieren. Fördergelder und staatliche Subventionen, die beispielsweise im Schienennahverkehr sollen gestrichen werden. Wohin soll uns diese fehlgeleitete Verkehrspolitik noch führen? Ein Kommentar.

Der deutschen Wirtschaft fehlt es an Innovationen – die Fachkräfte wandern ab, neue Fabriken werden in Nachbarländern gebaut und neue bahnbrechende Entwicklungen, die weltweit einen Pionierstatus haben, werden immer seltener.

Flugtaxis: 150 Millionen Euro Fördermittel für Volocopter

Vielleicht sind es diese düsteren Prognosen, die Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP nachts heimsuchen. Und vielleicht sind es auch diese Prognosen, die ihn dazu verleitet haben, eines der wenigen (vermeintlich) innovativen Verkehrsprojekte aus Deutschland zu fördern.

Der Bund und das Land Bayern schicken dem Flugtaxi-Hersteller Volocopter 150 Millionen Euro an staatlichen Fördermitteln. Und das, obwohl selbst die Wirtschaftsberater von PricewaterhouseCoopers (PWC) das Investment als sehr riskant eingestuft haben. Schließlich ist der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens höchst ungewiss. Das Geld ist jetzt schon knapp.

Staatliche Subventionen: 350 Millionen Euro weniger für den Schienennahverkehr

Auf der anderen Seite wiederum streicht das Bundesverkehrsministerium massiv staatliche Subventionen. So spart Volker Wissing gleich einmal 350 Millionen Euro im Jahr 2024 dadurch ein, dass die Förderung des regionalen und kommunalen Schienennahverkehrs genau um diese Summe gekürzt wird.

Das heißt ganz konkret: Während hochriskante und wirtschaftlich fragwürdige Deals rund um futuristische Flugtaxis abgeschlossen werden, wird an der Basis-Infrastruktur gespart. Wieso sich mehr Bundesbürgerinnen und Bundesbürger für das Deutschland-Ticket und den Nahverkehr entscheiden sollen und gegen das eigene Auto, ist immer schwieriger nachzuvollziehen.

Innovationen: Ja, aber mit Bedacht!

An dieser Stelle ist es essenziell zu betonen, dass es in diesem Kommentar keinesfalls darum geht, staatliche Subventionen von Start-ups zu kritisieren. Es ist durchaus möglich, dass wir in 15 Jahren darüber sprechen, dass das Investment der Bundesregierung in Volocopter eine der klügsten Entscheidungen der letzten Jahre war.

Zwar verwandelt sich Volocopter durch die staatliche Förderung de facto in ein Staatsunternehmen, wie wir es von der Bahn im großen Stil kennen. Das soll uns für den Moment jedoch nicht weiter stören.

Es ist gut und richtig, dass die Bundesregierung endlich damit beginnt, auch junge Firmen in Deutschland zu unterstützen. Wenn man sieht, wie groß unser Defizit hierzulande mit Blick auf technologischen Fortschritt und die Digitalisierung ist, ist es sehr löblich, dass das Verkehrsministerium überhaupt damit beginnt, regionale Projekte zu unterstützen.

Staatliche Subventionen: Mehr Feingefühl bei Zeitpunkt und Wording

Nichtsdestotrotz ist die jetzige Finanzspritze für Volocopter mehr als unglücklich gewählt. Sie ist nicht falsch. Darum geht es nicht. Allerdings bekommt die Geschichte einen unangenehmen Beigeschmack, wenn man bedenkt, dass dafür Geld im regionalen Schienennahverkehr eingespart wird.

Oder anders gefragt: Wieso ist es nicht möglich, beide Projekte gleichzeitig zu fördern? Also auf der einen Seite die Basis-Infrastruktur im Nahverkehr auf- und ausbauen. Auf der anderen Seite daran arbeiten, diese Infrastruktur in Zukunft womöglich noch für Fortbewegungsmittel wie Flugtaxis oder Magnetschwebebahnen zu nutzen.

25 Milliarden Euro fehlen im Bundeshaushalt 2025 – und jetzt?

Der Kampf um den letzten Bundeshaushalt hat fast dazu geführt, dass die Regierungskoalition aus SPD, FDP und Grünen auseinander gebrochen wäre. Und der Bundeshaushalt für 2025 macht keine großen Hoffnungen, dass sich die Situation nachhaltig verbessert. Schätzungen zu Folge muss Bundeskanzler Olaf Scholz mit seinem Kabinett noch 25 Milliarden Euro einsparen.

Dabei handelt es sich um eine Mammutaufgabe. Keine Frage. Es wäre jedoch wünschenswert, dass die Regierung Scholz – und damit würde sie sich für die Geschichte verewigen – den Mut beweist und staatliche Subventionen an den richtigen Stellen einbringt......

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