Man darf gespannt sein auf die Entscheidung am 9.4.24 vor dem Menschenrecht-Gerichtshof.
Ob die (Schweizer) Bauernverbände tatsächlich begriffen haben, was Klimawandel mittel-bis langfristig für die Menschheit und die Natur bedeutet, das darf man anzweifeln angesichts der getätigten Aussagen.
hier Blick / Schweiz Geschichte von Tobias Bruggmann
Eine Gruppe von Bauern verklagt den Bund, weil dieser zu wenig für den Klimaschutz macht. Doch nicht mal im eigenen Lager kommt das gut an.
35 Hektar Land, eine Herde Mutterkühe, Hühner und Trauben für die Weinproduktion: In Enges, oberhalb von Neuenburg, betreibt Bäuerin Vanessa Renfer (46) mit ihrem Mann einen Bauernhof. Doch jetzt verklagt sie zusammen mit anderen Winzern, Gemüse- und Obstbauern den Bund. Er soll mehr gegen den Klimawandel unternehmen. «Wir spüren jeden Tag, dass der Klimawandel unsere Arbeit beeinflusst. Die Ernten gehen zurück, im Sommer leiden die Tiere unter der Hitze.»
Jetzt müsse der Bund aktiv werden. Nach eigenen Angaben spüren die Landwirte den Klimawandel auch in ihrem Portemonnaie. «Die Grasernte ist in den letzten beiden Jahren eingebrochen. Wir müssen die für den Winter vorgesehenen Reserven bereits im Sommer nutzen.» Der Genfer Winzer Yves Batardon (61) spricht von mehreren Zehntausend Franken weniger Ertrag im Jahr 2022 aufgrund einer Dürre.
Kritik aus dem eigenen Lager
Aber nicht alle Landwirte unterstützen diese Forderung. Der designierte SVP-Präsident Marcel Dettling (43), bezeichnete den Klimawandel kürzlich im Interview mit der «NZZ am Sonntag» als «nicht schlecht» für die Landwirte. «Plötzlich wachsen in unseren Breitengraden neue, ertragreiche Pflanzenarten.»
Und auch vom Schweizerischen Bauernverband dürfen Renfer und ihre Mitstreiter keine Hilfe erwarten. Es sei zwar unbestritten, dass die Folgen des Klimawandels auch in der Schweiz zu spüren sind. Aber es sei Sache der Politik, dagegen Lösungen zu finden. «Die einseitige Schuldzuweisung gegenüber der Regierung, wie sie diese Klage macht, können wir deshalb nicht nachvollziehen», heisst es vom Bauernverband. «Wir distanzieren uns von diesem juristischen Vorgehen.»
Das zuständige Umweltdepartement von Bundesrat Albert Rösti (56) schreibt, die Schweiz habe das Klima-Übereinkommen von Paris unterschrieben und stehe dazu. Das neue CO2-Gesetz, über das aktuell das Parlament brütet, sehe unter anderem Mittel für Anpassungsmassnahmen vor, die für die Landwirtschaft wichtig seien.
Vorbild Klima-Seniorinnen?
Renfer bestreitet nicht, dass man in der Schweiz einfach eine Initiative für einen besseren Klimaschutz starten könnte. Sie entschied sich jedoch für den Rechtsweg. «Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf die Klimakrise zu reagieren. Eine Initiative ist sehr zeit- und kostenintensiv. Aber gerade die Zeit ist knapp.»
Das Vorgehen erinnert an die Klimaseniorinnen, die bis vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zogen. Deren Anwalt ist unter anderem der Waadtländer Grünen-Nationalrat Raphaël Mahaim (40). Dieser vertritt mit mehreren anderen Anwälten auch die Bauern.
Während die Klimaseniorinnen von Greenpeace unterstützt werden, haben bei der Bauern-Klage die Kleinbauernvereinigung und die Bauerngewerkschaft Uniterre, in der Renfer arbeitet, zusammen mit einem Verein von Klima-Anwälten an der Ausarbeitung der Klage mitgewirkt.
«Natürlich erhoffen wir uns von einem positiven Urteil aus Strassburg Rückenwind für das Anliegen der Landwirte», sagt Mahaim. Dass es auch mit den Bauern bis ans Bundesgericht oder noch weiter geht, will der Anwalt nicht ausschliessen. «Wir kämpfen bis zum Schluss.»
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