Mittwoch, 13. März 2024

Durchbruch bei Klimaschutzverträgen für die energieintensive Wirtschaft

 hier  Handelsblatt  Klaus Stratmann  16.02.2024 

Transformation der Industrie: Bundeswirtschaftsminister Habeck ebnet den Weg für die Dekarbonisierung der Industrie. Doch einige Unternehmen bleiben zunächst außen vor. Das gilt auch für Projekte, die auf CO2-Speicherung setzen.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Bedingungen für Klimaschutzverträge festgezurrt, die Ausschreibung soll so schnell wie möglich beginnen. „Der erste Förderaufruf ist bereits vollständig vorbereitet. Die finale Ressortabstimmung ist abgeschlossen“, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag mit.

Der Fördermechanismus werde derzeit abschließend vom Bundesfinanzministerium und vom Bundesrechnungshof geprüft. „Sobald dies abgeschlossen ist, startet das Bundeswirtschaftsministerium das erste Gebotsverfahren“, hieß es weiter.

Klimaschutzverträge sind eines der wichtigsten Instrumente der Bundesregierung, um die Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen. Die Verträge werden zwischen dem Bund und Unternehmen geschlossen.

Das Prinzip: Mehrkosten, die Unternehmen aus energieintensiven Industriebranchen dadurch entstehen, klimafreundlichere Anlagen zu errichten und zu betreiben, werden durch den Staat ausgeglichen.

Die aktuellen Klimaschutzverträge fokussieren sich dabei auf die höheren Betriebskosten. Diese können beispielsweise entstehen, wenn Betreiber statt fossiler Brennstoffe klimaneutralen Wasserstoff einsetzen.

Auch die EU-Kommission gibt grünes Licht

Am Freitag gab auch die EU-Kommission der Bundesregierung grünes Licht für die Klimaschutzverträge: Die Brüsseler Behörde teilte mit, man genehmige Beihilfen in Höhe von vier Milliarden Euro für die Dekarbonisierung energieintensiver Branchen wie Chemie, Stahl, Papier oder Glas.

Die vier Milliarden Euro entsprechen dem Betrag, den die Bundesregierung nach Informationen des Handelsblatts aus Regierungskreisen für die erste Ausschreibung von Klimaschutzverträgen zur Verfügung stellen will. Das Geld fließt allerdings nicht in einer Summe, sondern in Raten, die sich über die Laufzeit der Klimaschutzverträge von 15 Jahren erstrecken.

Unternehmen, die gefördert werden wollen, treten dabei zunächst in einen Bieterwettstreit um Klimaschutzverträge. Der beste und insbesondere günstigste Bieter gewinnt.

Insgesamt will das Ministerium für die Klimaschutzverträge in den kommenden Jahren mehr als 20 Milliarden Euro bereitstellen.

Erste Auktion hat eine Förderhöchstgrenze

Zusätzlich fördert der Bund gemeinsam mit den betroffenen Ländern den Bau neuer Anlagen. So haben beispielsweise die deutschen Stahlhersteller Förderzusagen über Milliardenbeträge bekommen.

Doch das Instrument der Klimaschutzverträge steht zunächst nicht allen Bietern offen. „Im ersten Förderaufruf werden wir eine Förderhöchstgrenze einziehen“, teilte das Ministerium mit. Damit stelle man sicher, dass auch kleinere und mittelgroße Vorhaben zum Zug kommen könnten.

Nach Informationen des Handelsblatts aus Ministeriumskreisen wird die Höchstgrenze bei der ersten Ausschreibungsrunde auf eine Milliarde Euro je Antrag und für die Laufzeit von 15 Jahren festgelegt werden.

In der Industrie wird Verständnis für die Obergrenze geäußert: "Wenn die Ausschreibung in einem ersten Schritt vor allem für mittelständische Unternehmen – wie viele unserer Elektrostahlunternehmen – gelten soll, können wir dies nachvollziehen", sagte Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Die Bundesregierung sei nun gefordert, geeint zu agieren und die erste Ausschreibungsrunde rasch zu starten. "Spätere Runden sollten indes auch für Unternehmen mit größeren CO2-Einsparpotentialen offen sein“, sagte Rippel.

Außerdem sollen Projekte ausgeschlossen werden, die auf der Anwendung der CCS-Technologie basieren. Dieser Ausschluss ist erforderlich, weil es in Deutschland noch immer keine geeignete Rechtsgrundlage zur Anwendung der Speichertechnologie für CO2 gibt. 

Finanziert werden sollen die Klimaschutzverträge aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung. Im Unterpunkt „Dekarbonisierung der Industrie“, der vorrangig für Klimaschutzverträge vorgesehen ist, sind für dieses Jahr 660 Millionen Euro eingestellt.

Vier statt fünf Ausschreibungsrunden

Ursprünglich waren fünf Ausschreibungsrunden geplant. Da sich das gesamte Vorhaben aber zeitlich verzögert hat und zuletzt auch wegen der Haushaltskrise ins Stocken geraten war, will das Ministerium sich auf vier Runden beschränken.

Der Startschuss für die erste Runde soll möglichst schnell erfolgen. „Die Förderrichtlinie ist fertig, ebenso der Förderaufruf und der Mustervertrag“, berichtet ein Insider. Man könne jederzeit loslegen.

Für viele Industrieunternehmen aus energieintensiven Branchen sind die Klimaschutzverträge essenziell. Sie brauchen über Jahre die Unterstützung der Politik, um trotz höherer Kosten aufgrund der Umstellung auf klimaneutrale Verfahren mit ihren Produkten am Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben.

Wasserstoff statt Hochofen

Sieben Milliarden Euro für grünen Stahl – und das ist erst der Anfang

Die Zeit drängt. Die Klimaschutzverträge sind überfällig. Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November vergangenen Jahres bestand für einen Moment die Gefahr, dass das Instrument stark beschnitten werden muss. Dazu ist es nicht gekommen. Doch nun wächst in der Industrie die Ungeduld.

Viele Unternehmen stehen vor großen Investitionsentscheidungen. Sie fordern die Gewissheit, dass sie sich die Umstellung auf klimaneutrale Anlagen leisten und den Betrieb der Anlagen dauerhaft stemmen können. „Viele Unternehmen haben längst fertige Pläne in den Schubladen liegen, sie müssen Projektpartner und potenzielle Lieferanten nun schon seit Monaten hinhalten“, klagt ein Branchenmanager.

Insbesondere der zeitweilige Stillstand nach dem Haushaltsurteil habe die Situation dramatisch verschlechtert. „Klimaschutzverträge können ein Argument sein, die Produktion in Deutschland zu halten oder sogar Investitionen zu tätigen. Aber dafür müssen sie auch endlich kommen“, heißt es aus einer Industriebranche.

Auch kleinere Unternehmen sollen eine Chance bekommen

Lange war darum gerungen worden, den Teilnehmerkreis für die erste Ausschreibungsrunde zu begrenzen. „Es sollte vermieden werden, dass das gesamte Ausschreibungsvolumen der ersten Runde mit zwei Bewerbungen geräumt wird“, berichtet ein Insider. Statt etwa bestimmte Branchen auszuschließen, wird in der ersten Runde nun die Förderhöchstgrenze von einer Milliarde Euro eingezogen. In den folgenden Runden sollen dann auch größere Projekte einen Zuschlag bekommen können.

Damit trägt das Ausschreibungsdesign der Kritik des Mittelstandes Rechnung. So hatte im vergangenen Jahr beispielsweise der DIHK davor gewarnt, die Förderung auf einige Industriezweige und Großprozesse zu beschränken.

Der Kreis der Unternehmen, die sich um Klimaschutzverträge bemühen werden, ist durch ein Interessenbekundungsverfahren des Wirtschaftsministeriums definiert: Es gehe um eine „hohe zweistellige Zahl“ von Interessenten, berichten Insider.

Dass CCS-Projekte ausgeschlossen werden müssen, dürfte für viele potenzielle Bewerber ein Rückschlag sein. Hier rächt sich, dass das Bundeswirtschaftsministerium auch bei der angekündigten Carbon-Management-Strategie (CMS) in Verzug ist. Auf der Basis der Strategie sollen die fehlenden gesetzlichen Regelungen erarbeitet werden, die eine Speicherung von CO2 ermöglichen.

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