Samstag, 9. März 2024

„Wer eine Öl- oder Gasheizung gekauft hat, wurde angelogen“

hier  Merkur  Geschichte von Lars-Eric Nievelstein •8.3.24

Die Energiewende läuft nur schleppend. Zu viele Verbraucher sind noch von Öl- und Gasheizungen abhängig. Ein Energieversorger warnt vor explodierenden Kosten.

Läuft die Energiewende? Nein, befand der Bundesrechnungshof erst diese Woche. Zu einem ähnlichen Schluss kam die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) im 12. Energiemonitoring. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schoss zurück, die Zahlen des Bundesrechnungshofs hätten „nichts mit der Wirklichkeit“ zu tun. Bastian Gierull, Deutschland-Chef des Energieversorgers Octopus Energy, warnte jetzt vor einer Kostenexplosion bei Öl- und Gasheizungen.

Energiewende – Anbieter kritisiert Preissteigerungen bei deutschen Energiekonzernen

Aktuell betreibt Octopus Energy sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland Windkraftanlagen, in Nordirland entwickelt es günstige Wärmepumpen. Eine der Besonderheiten bei den Windrädern ist, dass ein sogenanntes Smart Meter live die Strompreise senken kann, sobald der Wind stärker weht und die Energieausbeute entsprechend ist.

Gierull kritisierte die hiesigen Energieanbieter gegenüber n-tv mit deutlichen Worten: Sie würden durch Lockangebote geködert und dann in „immer teurere Tarife geschoben“. Bestandskunden zahlen zwischen zehn und 20 Cent pro Kilowattstunde mehr als sie es bei neuen Tarifen tun würden. Bei manchen Anbietern sei das gar Teil des Geschäftsmodells. In den Folgejahren drohen dann „drastische“ Erhörungen. Kunden dürfen zwar bei außerplanmäßigen Erhöhungen sofort den Anbieter wechseln, aber das wüssten viele nicht. „Wer eine Öl- oder Gasheizung gekauft hat, wurde angelogen“, sagt Gierull.

Flexibler Energieverbrauch – eine Option für die Zukunft

Im Interview mit n-tv zeichnete Gierull ein Bild davon, wie die Umsetzung der erneuerbaren Energien im besten Fall aussehen würde. „Erneuerbare kann ich nicht an- und ausknipsen“, erklärte er. Die Produktion sei flexibel, darum müsse auch der Verbrauch flexibler sein. Dazu ein Beispiel: Verbraucher, die ein Smart Meter an das Windrad koppeln, an das sie angeschlossen sind, können den Stromverbrauch hochschrauben, sobald viel Wind geht, also die Energie billiger ist. Geht dagegen kein Wind, entscheiden sie sich vielleicht dazu, die Spülmaschine einfach später laufen zu lassen.

Dabei könnten Apps helfen, die eine Mitteilung auf das Smartphone senden und so darüber informieren, dass der Strom gerade wegen hoher Windstärke nur die Hälfte kostet. Lässt die Stromproduktion dagegen nach, müsste auch der Verbrauch sinken.

Sind erneuerbare Energien noch zu teuer?

Allerdings gibt es aktuell noch das Problem, dass die benötigte Technik (zum Beispiel Smart Meter oder Wärmepumpen) zu teuer ist. „Wenn die Energiewende zum Luxusprodukt wird, werden wir scheitern“, warnte Gierull. Es müsse schneller und günstiger passieren, damit alle etwas davon haben. Menschen, die in den vergangenen Monaten in neue Öl- und Gasheizungen investiert haben, stünden vor einer wahren Kostenexplosion. Gierull rechnet für die Zukunft mit einem deutlichen Anstieg der Zusatzkosten. In zehn bis 20 Jahren solle das „richtig wehtun“. Die Preisexplosion würde Energiearmut fördern.

Verbraucher haben schon jetzt mit einer deutlichen Preissteigerung zu kämpfen. Das zeigte eine aktuelle Untersuchung des Vergleichsportals Verivox. Ein Musterhaushalt mit drei Personen zahlt für Öl, Gas, Sprit und Strom derzeit rund 1.500 Euro mehr als noch im Februar 2021. Thorsten Strock von Verivox rät dazu, Tarife zu vergleichen. „Da viele Neuverträge für Strom und Gas aktuell kostengünstiger sind, sollten Verbraucher prüfen, ob sie nicht zu einem guten und günstigeren Anbieter wechseln können“, sagte auch Ramona Pop vom Verbraucherzentrale Bundesverband, dazu.

Energiewende zum Nulltarif – so geht es nicht weiter

Die Energiewende fordert jedoch genauso eine erhebliche Kostenanstrengung. „Wir müssen jetzt innerhalb von sechs Jahren noch einmal das schaffen, was wir in den letzten 13 Jahren geschafft haben“, sagte Dr. Almut Kirchner bei der vbw-Pressekonferenz zum Monitoring der Energiewende. In Bayern zum Beispiel müsse sich die Geschwindigkeit beim Ausbau von Windenergie verzwanzigfachen.

Auch Leonard Birnbaum, Vorstandsvorsitzender des Energieriesen Eon, hatte schon vor steigenden Preisen gewarnt. Das Land brauche mehr Ökostrom-Anlagen, die wiederum eine Integration mit dem Stromnetz verlangen. Dafür wiederum müsste der Netzausbau „schneller und intelligenter“ funktionieren, und dann brauche es auch noch Reservekapazitäten. „Uns wurde immer entgegengehalten, dass die Sonne keine Rechnung schicke, deshalb sei alles umsonst“, erklärte der Eon-Chef der Süddeutschen Zeitung. Bei Eon aber sei immer klar gewesen, dass es anders kommen würde. Die Energiewende könne nicht zum „Nulltarif“ passieren.

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