Montag, 18. März 2024

Die fatale Liebe der Deutschen zum Verbrenner

 WiWo hier  Kommentar von Martin Seiwert  14. März 2024

MEHR BENZINER ALS E-AUTOS

Gefangen in der Vergangenheit? Die Deutschen lieben ihre Verbrenner – doch das E-Auto ist die einzige klimafreundliche Auto-Technik ist, die skalierbar ist. 

Deutschland hat den Verbrenner wiederentdeckt. Das ist romantisch und vorübergehend auch rational. Aber wenn wir nicht aufpassen, ist es der Todesstoß für die deutsche Autoindustrie. Ein Kommentar.

Die Jüngeren unter Ihnen werden es wohl nicht wissen: Siemens war mal der Inbegriff der Telefonie. Büros ohne Siemens-Festnetzgeräte? Undenkbar. Auch die für den Privatgebrauch gebauten „Fernsprechtischapparate“ – Fernmeldebehördenkürzel: FeTAp – aus dem Hause Siemens waren über Jahrzehnte aus deutschen Haushalten nicht wegzudenken. Und mein erstes Handy Ende der 1990er-Jahre, es war von Siemens.

Nach der Jahrtausendwende hielt das Internet auf den Mobilgeräten Einzug. Internet auf dem Handy? „Wozu das, bitteschön?“, fragten sich viele Deutsche. Ich auch. Mobil telefonieren war prima, aber wozu surfen? Reicht doch, wenn man das am Schreibtisch macht.

„Siemens Mobile“ brachte noch ein paar rudimentär onlinefähige Handys auf den Markt – und wurde 2006 abgewickelt. Der einstige Telefon-Weltmarktführer, gescheitert am Telefon der Zukunft. Das erste iPhone war zu diesem Zeitpunkt schon in Arbeit. Fast fünf Milliarden Menschen haben heute ein iPhone-ähnliches Smartphone. Apple ist 2,6 Billionen Dollar wert. Davon könnte man über 40 Volkswagen-Konzerne kaufen. Oder 60 BASF-Konzerne. Oder 70 Mal Adidas.

Warum ist Siemens Mobile nicht Apple? Und warum gibt es in Deutschland kein Microsoft, kein Nvidia, kein Amazon, kein Alphabet, kein Meta? Das sind die sechs wertvollsten Unternehmen der Welt, allesamt groß geworden in den zwei Jahrzehnten nach dem Tod von Siemens Mobile. Warum ist die Zukunft der Weltwirtschaft komplett außerhalb Deutschlands entstanden? Vielleicht, weil wir alle ein bisschen Siemens sind?

Deutschland entdeckt gerade seine Liebe zum Verbrennungsmotor wieder. Mercedes wollte sehr schnell wie Tesla werden, hübscht jetzt aber erst mal alle Benziner und Diesel auf. Bei Volkswagen zeichnet sich Ähnliches ab. Konzernchef Oliver Blume kündigte am Mittwoch eine neue Strategie an, womöglich eine Abkehr vom schnellen E-Kurs seines Vorgängers. Und bei BMW wird fröhlich konstatiert, dass man diese Entwicklung immer schon kommen sah. Flankiert wird das Ganze von Politikern aus CDU, FDP und AfD, die das Verbrenner-Aus der EU 2035 rückgängig machen wollen.

Wenn man mit Verbrennern noch länger Geld verdienen kann, dann darf man da als Unternehmen natürlich mitmischen. Aus Aktionärssicht müssen das die Konzerne sogar. Und nur weil Autobauer noch Verbrenner verkaufen wollen, heißt das nicht, dass sie die Elektromobilität schleifen lassen.

Aber Vorsicht, Siemens-Land! Nur weil ein Land, das ein Prozent der Weltbevölkerung ausmacht, das E-Auto nicht mag, wird es nicht verschwinden. Weil nämlich das E-Auto die einzige klimafreundliche Auto-Technik ist, die skalierbar ist und weil Klimapolitik zwangsläufig immer rigider wird. Weil das E-Auto schon heute oft günstigeres Autofahren ermöglicht als ein Verbrenner und dieser Kostenabstand immer größer wird. Weil sich E-Autos schöner und sportlicher fahren lassen als der teuerste Verbrenner. Weil in E-Autos mehr Platz ist und weil sie sich als riesige Batteriespeicher hervorragend eignen, um regenerative Energie zwischenzuspeichern. Und weil die Schwächen (Reichweite, Laden, Rohstoffe) immer kleiner werden.

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