hier Frankfurter Rundschau 29.03.2024,
Die Lage ist finster. Aber es macht Mut zu sehen, wie viele sich zusammentun und für Menschlichkeit kämpfen.Wer kann diese schlechten Nachrichten noch ertragen? Immer mehr Menschen wollen nichts mehr wissen von Kriegen, Krisen, Klimakatastrophen. Das belegt der jährliche „Digital Newsreport“. Wer will es den Menschen verdenken?
Wer die politischen Nachrichten regelmäßig verfolgt, könnte verzweifeln. Nicht nur weltweite Tragödien wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der Terror gegen Israel und die gewaltsame Antwort Netanjahus bedrücken uns, sondern auch die schwierige Lage in Deutschland: Inflation, Kriegsängste, Rechtsextremismus, Vertrauenskrise der Demokratie. Wo ist der Lichtblick?
Ostern ist das Fest, das diese Frage in den Mittelpunkt rückt. Alles ist möglich, wenn sogar der Tod überwunden werden kann, wie es die christliche Überlieferung der Auferstehung verspricht. Alle Weltreligionen und Traditionen kennen solche Sinnbilder für die Hoffnung, die oft jetzt im Frühling gefeiert werden. Man muss nicht an die biblische Erzählung glauben, um die damit ausgesandte Ermutigung aufzugreifen.
Sie lautet: Es gibt keine Situation ohne Hoffnung, egal wie finster sie sich anfühlen mag. Darauf zu setzen, spendet Kraft – mit oder ohne religiöser Überzeugung. Kraft für einzelne. Aber auch Kraft für Zusammenschlüsse, die gemeinsam gegen Hass, Missgunst, Armut, Krieg und Ungerechtigkeit aufstehen.
Denn das ist das Gebot der Stunde, und viele sind in dieser Richtung unterwegs, die Klimabewegung oder die beeindruckend große Bewegung gegen den Rechtsextremismus. Die Demonstrierenden finden in der Gemeinsamkeit auf der Straße ein lange vermisstes Wir-Gefühl. Das ist es, was zählt. Gerade die Gewerkschaften haben das in den vergangenen Wochen bei ihren Streiks mit Erfolg gezeigt. Auch die überwältigende Menschlichkeit bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen kann Mut machen oder die Friedensbewegung, die nicht nachlässt, nach Auswegen aus dem Krieg zu suchen.
Statt uns ernsthaft über alberne Gender-Verbote zu zerstreiten oder über den richtigen Bekleidungskonzern für die deutsche Fußballmannschaft, sollten wir einen Moment zurücktreten und uns diese Gesellschaft anschauen. In der Bundesrepublik bestehen überdurchschnittlich gute Bildungschancen, wir sind trotz der Wirtschaftsflaute eine der größten Volkswirtschaften der Welt mit so vielen Erwerbstätigen wie nie, haben eine ordentliche soziale Absicherung und eine ausgezeichnete medizinische Versorgung, eine lebendige Kulturszene, demokratische Möglichkeiten der Mitbestimmung. Nicht ohne Grund ist Deutschland das Sehnsuchtsland vieler Menschen in den Krisenregionen dieser Welt.
Man muss nicht blind sein für Herausforderungen, um sich erfreuen zu können an den riesigen Fortschritten: Unsere hohe Lebenserwartung wäre vor einigen Jahrzehnten noch undenkbar gewesen. Das Weltwissen ist für jeden und jede kostenfrei online zugänglich. Die Möglichkeiten zur globalen Kommunikation helfen uns, in einer Intensität in Kontakt zu bleiben, die vor der Digitalisierung noch unvorstellbar war.
Wir Menschen sind soziale Lebewesen. Für unsere Zufriedenheit ist es entscheidend, uns im Kreis grundsätzlich Gleichgesinnter heimisch fühlen zu können und trotzdem Meinungsunterschiede auszuhalten. Dieses Vertrauen ineinander wiederzufinden, ist für viele eine große Herausforderung nach den Brüchen durch die Corona-Maßnahmen und den russischen Krieg gegen die Ukraine.
Manchmal hilft es, nicht mit dem politischen Teil der Zeitung zu beginnen, sondern mit dem Lokalteil. Vor Ort zeigt sich, dass die Welt in vielem besser ist, als sie wegen der Krisen erscheint. Im Lokalen fällt der Blick auf Initiativen, die sich für ihre Stadtteile, für die Kultur oder für die Integration engagieren; auf Aktive, die zum Schutz der Natur und zur Reduzierung von Verkehr beitragen. Im Kleinen ist dieses Land viel agiler und auch herzlicher, als es im Großen erscheint.
Lassen wir uns also nicht verdrießen. Jeder Tag bietet die Chance, etwas Neues zu beginnen und Bewährtes wieder aufzugreifen, allein oder in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Kämpfen wir gegen Angstmacherei, gegen rassistische Umtriebe, gegen ungleiche Vermögensverteilung, gegen die Klimakatastrophe – auch im Kleinen. Nutzen wir die Freiheiten dieser Gesellschaft! Es gibt trotz aller Krisen keinen Grund, die Hoffnung aufzugeben.
Der Rückzug ins Private kann nicht die Lösung sein. Doch es ist erlaubt und manchmal nötig, zwischendurch eine kleine Auszeit vom Elend dieser Welt zu nehmen und einfach nur durchzuatmen. Um dann gestärkt aufzustehen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Denn das ist es, was Auferstehung bedeuten kann – egal, ob man sich zum christlichen Glauben bekennt oder nicht.
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