Und da reden wir darüber "noch bißchen mehr" Grundwasser für die Wasserstoffproduktion zu verbrauchen?
Bild links von WWF Seite "Die große Dürre" hierSpektrum hier von Andreas Frey
Seit Monaten herrscht südlich der Alpen und in Teilen Westeuropas schwere Trockenheit. Ursache der Winterdürre ist ein hartnäckiges Hochdruckgebiet. Doch hinter der Krise steckt mehr als nur eine ungünstige Wetterlage.
Schon im Sommer 2022 war der Wasserstand des Po so niedrig wie selten zuvor. Nun könnte die extreme Dürre ins zweite Jahr gehen - es sei denn, im März fällt doch noch reichlich Regen.
Natürlich kann am Gardasee niemand über Wasser laufen, wie man seit einiger Zeit lesen kann. Aber von Weitem könnte man schon den Eindruck gewinnen. Denn seit der Seespiegel in Italiens größtem Süßwassersee im vergangenen Sommer auf einen neuen Rekordtiefstand gefallen ist, lässt sich die kleine Insel San Biagio trockenen Fußes erreichen.
Möglich wird das durch eine schmale Kiesbank, die aus dem Wasser auftauchte – und seither unzählige Spaziergänger anzieht. Doch über den großen Besucherandrang kann man sich vor Ort nicht so recht freuen. Die Behörden sind vielmehr in großer Sorge.
Zum einen sorgt man sich um das Natur- und Wasserschutzgebiet, das seither von Touristen überrannt wird. Zum anderen macht der niedrige Wasserspiegel die Lage in der Region bedrohlich. Denn der Gardasee ist nicht nur Touristenattraktion, sondern das größte Wasserreservoir Oberitaliens. Große Teile des Landes sind vom Wasser des Sees abhängig, sie hängen an ihm wie an einem Tropf: Sinkt der Pegel, wird man in der Poebene, dem größten landwirtschaftlichen Anbaugebiet Italiens, nervös. Schon die Dürre im vergangenen Sommer war für viele Bauern eine Katastrophe, der Verlust lag bei sechs Milliarden Euro.
Jetzt geht die Dürre in Norditalien ins zweite Jahr, und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im Winter kam viel zu wenig Regen vom Himmel, in den italienischen Alpen fiel kaum die Hälfte des normalerweise zu erwartenden Schnees. Mitten im Februar hat der Gardasee einen historischen Tiefstand erreicht: Der See ist nur noch zu 35 Prozent seiner Speicherkapazität gefüllt, deshalb mussten die Abflüsse bereits drastisch reduziert werden. Jetzt heißt es Wasser sparen – und dabei steht das Sommerhalbjahr erst noch bevor.
Südlich der Alpen geht das Wasser aus
So angespannt wie am Gardasee ist die Lage fast überall auf der Alpensüdseite. Im gesamten westlichen Alpenbogen und von Lyon bis Genua ist es seit einem Jahr extrem trocken. Im Tessin und in Graubünden haben die Behörden ein Feuerverbot wegen erheblicher Waldbrandgefahr angeordnet, in Südtirol brannte bereits in der Nähe von Meran ein Forst. Der Po, die Lebensader Italiens, ist weiterhin ein Rinnsal und führt 61 Prozent weniger Wasser als sonst. Und auch im Nachbarland Frankreich hat es den Winter über viel zu wenig geregnet. Allgemein gilt in Westeuropa und südlich der Alpen: Die Böden sind trocken, die Flüsse leer, viele Berge grau statt weiß verpackt.
Frankreich hat deshalb bereits angekündigt, Wasserrationierungen und einen Dürreplan für den März vorzubereiten. Der trockenste Winter seit 64 Jahren hat im ohnehin von Trockenheit gebeutelten Land die Lage weiter verschärft. An 32 aufeinander folgenden Tagen, vom 21. Januar bis 20. Februar, hat es in Frankreich sogar überhaupt nicht geregnet, teilt der nationale Wetterdienst Meteo France mit. Das ist die längste Trockenperiode seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen. Außerdem fiel seit August 2021 nur in drei Monaten mehr Regen als im langjährigen Schnitt – fast das gesamte Land leidet unter zu trockenen Böden, der Dürreindex SPEI zeigt verbreitet extreme Bedingungen an. Und die großen Flüsse des Landes – Loire, Seine, Rhone – haben extremes Niedrigwasser, im Einzugsgebiet der Rhone in den Westalpen sind die Pegel sogar auf einem historisch niedrigen Wert.
Ähnlich vertrackt ist die Lage im Nachbarland Schweiz: Landesweit fiel in den vergangenen zwölf Monaten zu wenig Regen, in Graubünden und im Tessin fehlt mancherorts die Hälfte des normalen Jahresniederschlags, teilt Meteo Schweiz mit. In Binn im Oberwallis fielen in diesem Zeitraum sogar nur 494 Liter statt der üblichen 1177 Liter. Und lokal werden die Menschen wieder zum Wassersparen aufgerufen.
Es ist nicht die erste Dürre
Massimiliano Zappa erinnert die Lage stark an das vergangene Jahr, als es südlich der Alpen schon im Frühjahr viel zu trocken war. Einziger Unterschied: Jetzt sei ein noch größeres Gebiet betroffen, sagt der Hydrologe von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft....
Ursache der Winterdürre ist eine ausgeprägte Hochdrucklage über Europa, die zu Beginn des Winterhalbjahrs im Oktober das Wetter dominierte und sich immer wieder erneuerte. Mehrmals strömte mit einer südwestlichen Strömung sogar sehr warme Mittelmeerluft auf den Kontinent und brachte für die Jahreszeit ungewöhnlich hohe Temperaturen und Verdunstungsraten. Besonders warm wurde es dabei Ende Oktober und zum Jahreswechsel, verbreitet wurden neue Rekordwerte gemessen....
Der Einfluss des Klimawandels
Die Schneearmut in den Alpen ist deshalb besonders ausgeprägt, sinnbildlich für diesen Winter sind schmale Kunstschneestreifen in graubrauner Landschaft. In den Schweizer Alpen kann die Schneearmut seit Mitte Februar sogar als historisch bezeichnet werden, schreibt das WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung (SLF) in Davos auf seiner Homepage...
Und das dürfte erst der Anfang sein, bis Ende des Jahrhunderts steigt die Wintertemperatur weiter an. Schon jetzt hat sich die Zahl der Schneedeckentage in den Alpen jedenfalls um 36 Tage im Vergleich zum langjährigen Mittel verkürzt, schrieb der Umweltforscher Marco Carrer von der Universität Padua Anfang Januar in »Nature Climate Change«. Zusammen mit Kollegen hatte er mit Hilfe von Wachstumsringen von Wacholdersträuchern die Winter der vergangenen 600 Jahre rekonstruiert.
Die Schneearmut ist ein Jammer für den Skisport und seine Anhänger, aber das ist im Vergleich zum wirklichen Problem der Alpenländer zu verkraften. Denn zusätzlich zum Regen fehlt der Wasserspeicher für das Sommerhalbjahr. »Das Schneedefizit von heute ist die Trockenheit im nächsten Sommer«, sagt Manuela Brunner, Gebirgshydrologin beim SLF in Davos. Für diese Prognose bedarf es keiner prophetischen Talente, ein Blick in die zurückliegenden Sommerhalbjahre reicht völlig....
Das Problem wird nicht verschwinden
Ob es am Ende wirklich so schlimm käme, ist nicht völlig klar. Allerdings führt das Modell eindrücklich vor Augen, dass die Lage in den betroffenen Regionen tatsächlich ernst ist. Ein Jahr Dürre ist nichts, womit reiche Länder wie Frankreich, Italien und die Schweiz nicht zurechtkämen, ein zweites in Folge allerdings könnte Verteilungskämpfe hervorrufen.
Langfristig sollte man sich an die Wasserknappheit gewöhnen und vor allem darauf vorbereiten. In der Schweiz wird gerade ein Frühwarnsystem aufgebaut, das Bevölkerung und Behörden von 2025 an mehrere Wochen im Voraus warnen soll, wenn sich eine kritische Trockenphase anbahnt. Die Warnungen sind bitter nötig, denn häufig reagieren Behörden, Bauern, Fischer, Trinkwasserversorger oder Naturschützer notgedrungen zu spät auf Dürrezeiten. Schäden lassen sich dann nicht mehr vermeiden. Das Warnsystem soll die Vorbereitungszeit nun deutlich verlängern, niemand soll mehr überrascht werden. Und schon zwei Wochen Vorwarnzeit helfen, um Gegenmaßnahmen zu koordinieren und einzuleiten, wie beispielsweise die Menschen bei einer sich anbahnenden Dürre zum Wassersparen aufzufordern.
Das Warnsystem schließt auch die großen Flüsse ein. Überrascht von Niedrigwasser sollte an Rhein, Rhone und Po niemand mehr sein. Denn die Wasserstände von Flussläufen lassen sich ein bis sechs Monate im Voraus abschätzen. Das liegt daran, dass Abflüsse im Gegensatz zum Wetter vergleichsweise träge Systeme sind. Sind die Pegel im Frühjahr schon sehr niedrig und lag in den Alpen im Winter wenig Schnee wie in diesem Jahr, ist die Wahrscheinlichkeit für Niedrigwasser im Sommer erhöht.
Auch in Deutschland könnte genau das auch 2023 wieder eintreffen: Am Rhein sei die Lage jetzt schon wieder kritisch, schreibt Monica Ionita, Hydrologin und Klimaforscherin am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Noch kann sie nicht sagen, ob sich eine neue extreme Dürre aufbauen wird. Aber die Situation finde sie »extrem unheimlich«, sagt sie.
Zeit hier 1. März 2023, dpa
Klimakrise: Frankreich trifft Sofortmaßnahmen wegen Wassermangels
Frankreich trifft angesichts anhaltender Trockenheit Sofortmaßnahmen, um sich für einen erneuten Dürre-Sommer zu rüsten. «Die Abwesenheit von Regen seit inzwischen über 30 Tagen in Frankreich ist eine große Bedrohung für unsere Wasserreserven in diesem Sommer», sagte Regierungssprecher Olivier Véran am Mittwoch nach der Kabinettssitzung in Paris.
«Da jede Sekunde zählt, hat die Regierung die Präfekten aufgerufen, ab sofort außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen zur abgestuften und vorübergehenden Einschränkung oder zum Verbot der nicht vorrangigen Wassernutzung für Privathaushalte und Firmen.»
Bau neuer Swimmingpools wird verboten
In den Departements Pyrénées-Orientales, Var, Isère, Ain, Bouches-du-Rhône und Savoie wurden schon Einschränkungen getroffen, wie die Zeitung «Libération» am Mittwoch berichtete. Das Bewässern von Gärten und Sportstadien, das Auffüllen von Swimmingpools oder das Autowaschen wurde verboten - eine für die Zeit des Jahres bisher nie da gewesene Beschränkung. Keine Restriktionen gab es bisher indes in den an Deutschland angrenzenden Regionen.
Im südfranzösischen Departement Var hat die Gemeinde Callian bereits für die kommenden fünf Jahre den Bau neuer Swimmingpools wegen des Wassermangels verboten. Rund 1000 Pools gebe es bereits in der Gemeinde, sagte Bürgermeister François Cavallier. «Diese Lebensweise beruht auf Überfluss und unerschöpflichem Wasser.»
Es gab im Winter wochenlang keinen Regen
Am Wochenende hatte Präsident Emmanuel Macron zum nationalen Wassersparen aufgerufen, vergleichbar mit den Bemühungen zum Sparen von Energie über den Winter. «Wir haben einen trockenen Winter und zum entscheidenden Moment zu wenig Regen, der ein Auffüllen unserer Grundwasserreserven ermöglicht», sagte Macron. «Wir wissen also, dass wir, wie im letzten Sommer, mit Problemen der Verknappung konfrontiert sein werden.» Statt im letzten Moment unter Zwang das knappe Wasser zu reglementieren, gelte es, frühzeitig zu planen.
Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1959 hat es in Frankreich im Winter noch nicht so langanhaltend keinen Regen gegeben, wie der Wetterdienst Météo France berichtete. Das führe zu einer für die Jahreszeit bemerkenswerten Austrocknung der Böden, die bereits durch die Dürre im Sommer 2022 geschwächt wurden. Wochenlang fiel in den Bergen außerdem praktisch kein Schnee, der sonst im Frühjahr schmilzt und für eine zusätzliche Wasserversorgung der Flüsse sorgt.
© dpa-infocom, dpa:230301-99-788386/3
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