hier 6.12.2024,Henning Otte
Hiobsbotschaft zu Parteitag am Wochenende :
8 statt 100 Windräder: Warum die Grünen in BW an ihren Klimazielen scheiternDie Sorge um den Job und den eigenen Wohlstand ist bei vielen Menschen größer als die Angst vor Hitzewellen und Starkregen. Das macht sich auch in der BW-Politik stark bemerkbar.
... Nach Zahlen des grün-geführten Umweltministeriums sind bisher in Baden-Württemberg unter dem Strich nur 8 neue Windräder in Betrieb gegangen. Es könnten bis Jahresende noch einige wenige dazukommen, denn weitere 6 Anlagen sind demnach fertiggestellt. Ob das bis zu den Feiertagen klappt, steht in den Sternen.
Von den grünen Zielen ist diese Bilanz jedenfalls meilenweit entfernt. Zur Erinnerung: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte Ende 2022 in der ARD-Sendung "Maischberger" ein neues Ziel ausgegeben: "Im übernächsten Jahr müssen es sicher wieder 100 werden", sagte der Grünen-Politiker. "Da können Sie mich dann beim Wort nehmen." Die größten Hürden seien beiseite geräumt, der Hochlauf könne beginnen. Anfang 2024 hatte Kretschmann dann schon gesagt, er wisse nicht, ob die 100 realistisch seien. Jetzt weiß man: Sind sie nicht.
Tief- statt Hochlauf bei Windenergie: BW kommt weiter nicht vom Fleck
Die von Kretschmann ausgerufene Aufholjagd im Mittelgebirgsland BW stockt also weiter. Ursprünglich hatte Grün-Schwarz im Koalitionsvertrag sogar vereinbart, dass bis 2026 1.000 neue Windräder im Land gebaut werden sollen. Das hatte Kretschmann schon einkassiert. Stattdessen konzentrierte sich die Regierung darauf, die Genehmigungsverfahren auf dreieinhalb Jahre zu halbieren. Das Ergebnis: Derzeit sind 882 Anlagen "in der Pipeline", wie es die Regierung immer wieder formuliert. Bei fast 550 davon ist aber bisher nur die Planung vorgestellt.
Um die selbst gesteckten Klimaziele erreichen zu können, müssten in BW sogar noch viel mehr Windräder gebaut werden. Das Energiekonzept der Landesregierung sieht vor, dass dafür in diesem Jahr 500 Anlagen und im Jahr 2027 schon 700 gebaut werden müssten. Stand jetzt gibt es in BW erst 776 Windräder.
Windenergie-Verband beklagt Bürokratie
Die Gründe sind vielfältig: Fachkräftemangel, Logistikprobleme und teurere Pachten. ...
Der Landesverband Windenergie BW stellte vor kurzem ernüchtert fest: "Trotz allseitigem Bemühen sind keine ausreichenden Effekte bei der Verkürzung und Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren in Baden-Württemberg erkennbar." Es gebe noch "einzelne Landratsämter, die sich der nötigen Geschwindigkeit beim Ausbau der Windenergie verweigern". Die Klima-Sachverständigen BW hatten deshalb gemahnt, die Landesregierung müsse dringend dafür sorgen, dass rasch geeignete Flächen für Windräder bereitgestellt würden.
Umweltschützer zeigen sich enttäuscht von Grün-Schwarz
Sylvia Pilarsky-Grosch, Landeschefin des Umweltverbands BUND BW, sagte dem SWR: "Wir sind sehr enttäuscht, dass auch in diesem Jahr der Ausbau der Windenergieanlagen weit hinter den Versprechungen des Ministerpräsidenten zurückbleibt. Aber wir hoffen, dass mit der Ausweisung von Vorrangflächen in der Regionalplanung der Ausbau endlich Fahrt aufnimmt."
Klimaschutz-Politik gerät wegen Wirtschaftskrise ins Hintertreffen
Die großen Probleme beim Ausbau der Windkraft werfen ein Schlaglicht auf die Klimapolitik der Landesregierung. Die tiefe Wirtschaftskrise und das Aus der Ampel-Bundesregierung hat die Vorzeichen auch für Grün-Schwarz verschoben. Auch auf grüner Seite heißt es, die Menschen sehnten sich derzeit vor allem nach Stabilität und wirtschaftlicher Sicherheit. Da habe man es mit dem Thema Klimaschutz zunehmend schwer.
Zu Beginn der grün-schwarzen Koalition vor dreieinhalb Jahren hörte sich das noch anders an: Da hatten die Spitzen das Ziel ausgegeben, BW zum "Klimaschutzland Nummer eins in Deutschland und Europa" zu machen. Grün-Schwarz wollte 2040 klimaneutral werden - und damit zehn Jahre schneller als die EU und fünf Jahre fixer als der Bund. Es dürfen dann nur noch so viele Treibhausgase ausgestoßen werden, wie wieder gebunden werden können. Dafür müsste BW bis 2030 eigentlich ein Minus von 65 Prozent der Emissionen im Vergleich zu 1990 erreichen. Nur: Bislang ist das Ziel noch nicht einmal zur Hälfte erreicht, mahnt der Klima-Sachverständigenrat.
Sachverständige machen Druck: Schnell gegensteuern
Die Experten gehen deshalb davon aus, dass das Ziel bis 2030 deutlich verfehlt wird, vor allem in den Sektoren Verkehr, Gebäude, Energie und Landwirtschaft. Schon vor knapp zwei Monaten forderten sie die Regierung auf, schnell gegenzusteuern: Grün-Schwarz müsse innerhalb von vier Monaten ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen, denn das stehe so im Gesetz. Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) erklärte daraufhin, man nehme die Stellungnahme der Experten sehr ernst. Bis Jahresende solle sich das Landeskabinett mit den Empfehlungen befassen, bis Ende April 2025 könne dann auch ein von den Experten gefordertes Sofortpaket beschlossen werden.
Widerstand bei CDU gegen das geforderte Klima-Sofortpaket
Doch ein solches Sofortpaket wird es aller Voraussicht nach nicht geben. Nach SWR-Informationen weigern sich die CDU-Ministerien, der Analyse der Klima-Sachverständigen zu folgen, dass in mehreren Bereichen die Ziele verfehlt würden. Das gäben die Daten so nicht her. Zudem sei der Bereich von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) der mit Abstand größte Verursacher von Treibhausgas-Emissionen. Es liege zum Teil auch nicht in der Hand der Landesministerien, den CO2-Ausstoß in bestimmten Sektoren zu verringern, sondern beim Bund oder der EU. Ergebnis: Die CDU-Seite wies das Ansinnen des Umweltministeriums zurück, die Verfehlung der Ziele anzuerkennen und ein Sofortprogramm zu beschließen, wie der SWR erfuhr.
Haushalt vor Abschluss: Kein Geld für mehr Klimaschutz?
Doch auch auf grüner Seite gibt es große Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines solchen Sofortpakets. Intern wird darauf verwiesen, dass der Haushalt für 2025/2026 noch vor Weihnachten beschlossen werde und es angesichts des Geldmangels nicht möglich sei, weitere Maßnahmen zum Klimaschutz darin zu verankern.
Dass im verhandelten Haushalt zu wenig Mittel für den Klimaschutz und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs vorgesehen seien, darüber hatte sich schon Verkehrsminister Hermann im Kabinett beschwert. Tatsächlich bekommt er für seine geplante Mobilitätsgarantie kein Geld. Die im Koalitionsvertrag geplante Garantie sieht eigentlich vor, dass alle Orte in Baden-Württemberg von 5 Uhr früh bis Mitternacht mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erreichbar sein sollen.
Umweltverband vermisst politischen Willen zum Klimaschutz
Pilarsky-Grosch vom BUND beklagte denn auch, es fehle der politische Wille. "Die Regierung darf Klimaschutz nicht länger aussitzen." Vor allem die Lage im Verkehr sei katastrophal: "Die Emissionen steigen weiter. Klimamobilitätspläne in allen Kommunen und eine massive Förderung des öffentlichen Verkehrs zulasten des Autoverkehrs ist dringend notwendig." Im Gebäudesektor müsse Grün-Schwarz auch endlich handeln. "Bei der Wärmewende muss das Land dringend seine Regulierungen überarbeiten, die Bundesregelungen adaptieren und massiv mit Fördermitteln aktiv werden. Dabei dürfen mögliche soziale Folgen nicht unbeachtet bleiben." Ohne konsequenten Umbau des Landeshaushaltes in Richtung Klimaschutz werde das nicht möglich sein....
....
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen